Mehr unbefristete Stellen in den Kindergärten
BAUNATAL Ein Gemeinsamer Antrag von SPD und CDU wollte die kurzfristige Umwandlung befristeter Stellen in Baunataler Kindertagesstätten in unbefristete erreichen. Es gibt zur Zeit 40 dieser befristeten Stellen, 13 zusätzliche müssen besetzt werden und für 2022 ist ein Bedarf von 40 weiteren Erzieher:innen berechnet.
Darüber schafften es, die Baunataler Stadtverordneten, fast eine Stunde lang zu debattieren und zu streiten, um am Ende verblüffend abzustimmen.
- Christian Strube (SPD). Es gibt Nachfrage bei den Kindertagesstätten und immer noch befristete Stellen. Die Nachbarkommunen schreiben unbefristete Stellen aus. Um im Wettbewerb zu bestehen und im Sinne der Betroffenen, wären unbefristete Stellen wichtig.
- Damaris Müller (B90/GRÜNE) stellt fest, dass 40 Stellen entfristet werden müssen, damit unbefristet neue Stellen geschaffen werden können. Bei Gruppengröße 25 werden bis 2022 40 neue Mitarbeiter:innen beschäftigt werden. Baunatal will aber 23er Gruppen. Das sei auch für Kinder mit Migrationshintergrund entscheidend, bei denen die Betreuung verspätet einsetze. Sie mahnt inhaltliches und strategische Arbeiten an, zumal die Bertelsmann-Stiftung prognostiziert, dass sich die Personalprobleme so bald nicht lösen lassen. Es gehe um mehr als sicher, sauber und satt. Personalentwicklungsmaßnahmen wie Coaching und Fortbildung seien auch wichtig. Private Träger könnten die Stadt entlasten und würden den Eltern eine Auswahlmöglichkeit bescheren.
- Andreeas Mock (CDU) ist irritiert. Er dachte, es handele sich um eine Gegenrede. Was sollen die Vorwürfe? Das Schwarz-Grüne Kindergartengesetz, das umgesetzt wird, werde von den GRÜNEN kritisiert. Die Unterstellung einer Sicher-sauber-satt-Pädagogik sei eine Unterstellung gegenüber den Mitarbeitern.
- Dr. Reiner Oswald (FDP) erinnert sich, dass die FDP-Fraktion diesen Antrag am heftigsten diskutiert hat. Eine sachgrundlose Befristung biete keine Sicherheit. Die Bedenken der FDP liegen im Stellenplan und der Ausweitung. Das könne man aus den Zahlen der Vergangenheit nicht immer herleiten. Freie Träger könnten durchaus ein Thema sein. Mit liberalem Bauchklemmen gilt es jetzt, die Erzieher:innen zu unterstützen.
- Damaris Müller (B 90/Grüne) findet in einer erneuten Wortmeldung den Antrag tatsächlich toll und möchte den Standard erhalten wissen. Es sind 40 Fachkräfte zu wenig da.
- Erster Stadtrat Daniel Jung (SPD) legt Wert auf die Feststellung, dass der Bildungsauftrag in den Kindergärten sehr wohl erfüllt wird.
- Christian Strube (SPD) freut sich über die hohe Nachfrage, die entstehe, weil Baunatal so eine gute Arbeit mache. Die Leistungen seien herausragend.
- Sebastian Stüssel (CDU) geht es tierisch auf den Zeiger, wenn so viel BlaBla und hellseherische Arroganz von den GRÜNEN kommt. Wenn die GRÜNEN etwas ändern wollen, könnten sie einen Antrag dazu stellen. Es gäbe keinen Fehlbedarf. Die Vorwürfe auch bei den Integrationsstellen seien eine Frechheit, weil oft erst im Verlauf der Betreuung der Integrationsbedarf deutlich wird. Baunataler Kindergärten haben gutes und ausreichendes Personal. Wo sind die Anträge, etwas besser zu machen?
Aus dem Ruder gelaufen
- Edmund Borschel (B90/GRÜNE) fällt es schwer, nach den letzten drei Vorträgen, nicht ans Mikrofon zu gehen. Zu den Fakten möchte er sagen, dass Frau Müller gesagt habe, dass ein niedriger Betreuungsschlüssel nötig wäre, damit Mitarbeiterinnen nicht zu sicher, sauber und satt genötigt werden. Die Geburtenentwicklung weise auf einen Fehlbedarf in 2022 hin. „Sie sind heute blamabel geworden. Sie laden bitte nicht den Frust an meiner Kollegin, sondern an mir ab!“ Eigentlich wollten die GRÜNEN den Antrag als gemeinsamen Antrag verstehen. Freie Träger sind wichtig. Die AWO wurde aber beispielsweise gegenüber dem Gertrudenstift in der Vergangenheit bevorzugt behandelt. Vor 10 Jahren hätten die GRÜNEN den Vorstoß gemacht, die Kindergärten beitragsfrei zu gestalten. Die Belastungen mit 25 statt 23 Kindern sind aktuell hoch. Momentan ist die Situation so, dass es immer schwieriger ist, Kinder mit Migrationshintergrund zu beschulen. Hier funktioniere die Bildungskette im Übergang von den Kindergärten zur Grundschule nicht mehr.
- Frank Böttcher (SPD) findet es erstaunlich, dass ein Antrag, der im Ausschuss eine Mehrheit hatte, so aus dem Ruder läuft. Es ist bedürfe keiner Kritik an den Mitarbeiterinnen in den Kindertagesstätten. „Gerade bei Corona leisten die Mitarbeiterinnen eine gute Arbeit und das lassen wir nicht kaputtreden!“
Nikolaus hätte im Parlament sprechen können
- Andreas Mock (CDU) wandte sich anschließend direkt an Herrn Borschel: „Sie hätten nicht erklären müssen, dass Sie Lehrer sind. Oberlehrerhafter kann sich nicht verhalten. Herr Borschel müsse auch immer die Redebeiträge anderer Stadtverordneten „benoten“. Er selbst müsse sich aber nicht erklären lassen, was er in einer Rede sagen darf. Es ginge auch nicht um die junge Kollegin, sondern um die Haltung der GRÜNEN. Es hätte auch der Nikolaus reden können. Wo werde denn gegen das Gesetz verstoßen? Was hat die Gebührenfreiheit mit dem Betreuungsschlüssel zu tun, möchte er wissen. Wenn im Parlament eine Rede gehalten wird, haben wir auch die Freiheit, eine Gegenrede zu halten.
- Florian Pfeiffer (B90/GRÜNE) stellte mit den Worten, „bevor wir uns verrennen“, einen Geschäftsordnungsantrag auf Ende der Debatte.
Diese endet dann mit einem einstimmigen Abstimmungsergebnis, das man angesichts der Heftigkeit in der Debatte so kaum zu vermuten gewagt hätte. Es gab aber Vieles zu sagen, was man sich schon immer mal sagen wollte. Schöner kann man kaum – am Thema entlang – einen politischen Streit zelebrieren, ohne sich im Thema selbst die geringste Änderung vorzunehmen. Vor zwei Jahren hatten CDU und Grüne übrigens noch gemeinsam die Eltern für stille aber präsente Proteste im Parlament mobilisiert, weil durch höhere Beiträge außerhalb der Regel Betreuung die Qualität gefährdet schien und vor einem Jahr mutmaßte die CDU grundlos über „Natural Play“ in Baunataler Kindergärten. Heute wird untereinander gestritten und am Ende einstimmig abgestimmt, weil die Qualität ein gemeinsamer Maßstab ist. So schön abwechslungsreich, unterhaltsam und aufregend kann Kommunalpolitik sein. (Rainer Sander)
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