Stadtsparkasse Borken feiern Ehrenamt mit Neuer Philharmonie
BORKEN. Die Stadtsparkasse Borken ist die kleinste Sparkasse Deutschlands. Dabei ist sie quasi in guter Gesellschaft, denn die 4 kleinsten Sparkassen der Republik sind mit Schwalmstadt, Grebenstein und Battenberg allesamt in Nordhessen heimisch. Am Freitagabend war die kleinste allerdings für 3 Stunden die größte. 150.000 Euro gingen im Stadtparkhotel an Vereine, die Soziales leisten.
Wenn es keine Zinsen mehr gibt, muss man eben mehr sparen. Nach diesem Motto handeln offensichtlich viele Sparerinnen und Sparer. Auch das PS-LOS-SPAREN hat viele Anhänger. Dabei wird der Betrag schon beim Einzahlen kleiner. Das ist aber Absicht, denn von 6,00 Euro wandern mit 1,20 Euro ein Fünftel in den Lostopf und weitere 0,30 Euro stehen für einen guten Zweck zur Verfügung.
Zahltag ist einmal im Jahr
Einmal im Jahr ist Zahltag, dann fließen die Spenden zurück in die Regionen. Dabei ist jedes Jahr eine andere Sparkasse Gastgeber für eine Gala, bei der am Freitag in Borken die Neue Philharmonie Frankfurt für ein Feuerwerk an überraschenden Interpretationen, Kombinationen und Fusionen sorgte. Cross-over ist das magische Stichwort für ein Genre, dass es gar nicht gibt und als Klassik-Rock oder Klassik-Pop sonst immer mit einem nichtssagenden Etikett geschmückt wird.
Wenn Klassik auf Rock trifft, Rock klassisch oder Klassik rockig gespielt werden, dann ist das in erster Linie Musik. In zweiter Linie passt es vor allem dann in keine Schublade, wenn ein Orchester wie die „Neue Philharmonie“ klassische Stücke von Verdi (Il Turco in Italia), Debussy (Clair de Lune), Tschaikowski (Ouvertüre 1812) oder den Bolero von Maurice Ravel so explosiv spielt, wie eine Rockband das täte; und Rock-Pop mit Orchester so zelebriert, als wären die gewählten Titel Viva la Vida (Corldplay), Waterloo (ABBA) oder die Filmmusik aus Babylon Berlin (Zu Asche zu Staub) im Grunde für großes Orchester geschrieben worden.
Reise zwischen musikalischen Welten
Wer Lieder wie Satellite von Lena Meyer-Landrut, Ein bisschen Frieden (Nicole/Ralph Siegel) oder Rehab von Amy Winehouse mal von einem Sinfonieorchester dieser Qualität vernommen hat, möchte die Originale zumindest für ein paar Wochen gar nicht mehr hören. Dirigent Jens Troester wirkt wie ein souveräner Wanderer zwischen den Welten und Reiseführer durch die die Themenwelten „ESC“ oder „Very British“.
Auf die Idee von Supertramp ausgerechnet „Fools Ouverture“ auszusuchen, ein Stück, dass nur die eingefleischten 70er Fans, wie die, die sich „angetörnt“ in Borkens Rockdisco „Speakeasy“ zwischen 1975 und 1985 zu Hause fühlten, muss man erst einmal kommen. Das dann so zu zelebrieren, als wäre es schon immer ein Evergreen ohne E- oder U-Schublade gewesen, dazu gehört weniger Mut, sondern vielmehr reichlich Selbstbewusstsein.
Gitarrenriffs und Violinen Soli
Davon hat – neben Gesangssolisten wie Katrin Glenz, Karsten Stiers oder Achim Dürr – vor allem auch 1. Konzertmeister Ralf Hübner reichlich, der in Cross-over Produktionen die Geige im Kasten lässt und die Gitarrenriffs auspackt, als gäbe es keine Unterschiede zwischen 4 und 6 Saiten, zwischen Plektron und Geigenbogen. Hätten Genesis ihr Mama mal mit Orchester gehört, hätten sie es womöglich nie so gespielt, wie sie es eingespielt haben. Da hat Ex-Genesis-Sänger Peter Gabriel etwas voraus, als er sein Solsbury Hill, von dem er selbst sagt, es gehe, um die Bereitschaft zu verlieren, was Du hast und was Du stattdessen dafür bekommen könntest (die Bereitschaft loszulassen), mit dem New Blood Orchestra als fulminantes „Vorspiel“ zu Beethovens 9. / Freude schöner Götterfunken eingesetzt hat. Er hat offensichtlich gewusst, was damit noch gemeint sein könnte. Der Meister des progressiven Rocks und der Meister der Sinfonie in einem „Medley“. Auch das kann man sich nur (zu) trauen, wenn man es kann…
Moderierte Verknüpfungen von Rebecca Simoneit-Barum
Die verbindende und moderierende Seele des gesamten Abends war Rebecca Simoneit-Barum, selbst ein Crossover-Talent zwischen Artistik und Schauspiel, Lindenstraße und Zirkus. Souverän konnte sie die Bögen spinnen zwischen den nicht immer leichten musikalischen „Gedankensprüngen“ des Konzertarrangements – als hätte man Indiana Jones einen Taktstock in die Hand gedrückt – und auch des eigentlichen Grundes der Veranstaltung. Dafür wählte sie immer wieder das Thema Freiheit in der Mitte Europas. Wer die Setlist aufmerksam studierte, fand dafür auch einige Anhaltspunkte. Die Musik sei ein Spiegel der Gesellschaft und wenn das der Spiegel ist, dann ist die Welt in Ordnung, so ihr Resümee beim ESC-Medley. Und ein „Waterloo“ hat „sicher jeder schon erlebt, wenn nicht, kommt noch…“
Dafür gibt es dann Organisationen, die da sind, wenn die eigene Kraft nicht mehr ausreicht. Zum Beispiel die Caritative Arbeit der Katholischen Kirchengemeinde Borken, die Tafel des Kirchenkreises Schwalm-Eder, die Diakonische Arbeit der Evangelischen Kirchengemeinde Borken, die DLRG und schließlich das Bergbaumuseum Borken, das die Erinnerung an eine schöne und zugleich schicksalhafte Geschichte der Stadt vor dem Vergessen bewahrt.
50.000 Euro für soziale Arbeit in der Region
Sie alle bekamen Beträge zwischen 8 und 12 Tausend Euro aus den Händen Der Vorstände Christoph Ernst (Vorstandsvorsitzender) und Mario Jahn. Thomas Wagner vom Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen konnte dem Paritätischen Wohlfahrtsverband Hessen für verschiedene Projekte, wie der Suchthilfe, 100.000 Euro überreichen. Geschäftsführerin Dr. Yasmin Alinaghi erklärte, wo das Geld hingeht und das Soziale Arbeit in den vergangenen Monaten nicht leicht gewesen sei, zum Beispiel psychisch- oder suchtkranken Menschen Online zu helfen.
Als Zugabe spielten die 60 Musiker unter anderem Bella Ciao, ein altes Partisanenlied aus dem 2. Weltkrieg, mit Ursprung in der Arbeiter(innen)-Bewegung Italiens. Besser hätte man den Bogen zwischen Kultur und Hilfe, der irgendwie auch etwas mit der Geschichte Borkens verknüpft ist, kaum zu Ende spannen können. (Rainer Sander)