FRITZLAR/KASSEL. Der Kasseler Regierungspräsident Hermann-Josef Klüber besuchte am Dienstag Südzucker in Wabern, den Lindenhof in Fritzlar und die Dr. Schumacher GmbH in Malsfeld.
Besichtigung Südzucker AG, Standort Zuckerfabrik Wabern
Zur Situation der nordosthessischen Landwirtschaft im Spätsommer und Herbst 2021 informierte sich Regierungspräsident Klüber bei seinen ersten beiden Terminen am heutigen Tage. Zuerst machte er Halt bei der Zuckerfabrik Wabern der Südzucker AG und verschaffte sich dort ein Bild von der Anfang September angelaufenen Rübenkampagne. „Die Zuckerfabrik hat in diesem Jahr so früh mit der Rübenannahme begonnen wie nie zuvor“, erläuterte Jan Kunath, Betriebsleiter der Zuckerfabrik Wabern (Südzucker AG) dem Regierungspräsidenten während des Rundgangs, an dem auch Waberns Bürgermeister Claus Steinmetz teilnahm.
Der frühe Start der Rübenkampagne hängt demnach mit den auch in diesem Jahr zu erwartenden Rekordmengen zusammen, zu denen der regnerische Sommer seinen Teil beigetragen hat. Südzucker rechnet mit einem Ende der Kampagne nicht vor Januar; bis dahin werden täglich rund 6.500 Tonnen Rüben pro Tag in Wabern verarbeitet. Ein weiterer Faktor für die lange Kampagne ist die Schließung der Zuckerfabrik in Warburg vor zwei Jahren, deren Produktionsmengen seitdem in Wabern zusätzlich anfallen. Am Ende können wieder bis zu eine Million Tonnen Rüben bei der Kampagne verarbeitet werden.
In der nahen Zukunft stehen darüber hinaus Veränderungen in der Fabrik an, so Dr. Stefan Mondel, Regionalleiter Nord der Südzucker AG: „Wir investieren erheblich in die Wettbewerbsfähigkeit der Fabrik. Hier am Zukunftsstandort Wabern nehmen wir mit der Erweiterung der Abwasseraufbereitungsanlage, dem Neubau eines modernen Silos, sowie eines gasbefeuerten Kalkofens ambitionierte Projekte in Angriff: Insgesamt wird in den kommenden Jahren ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag investiert.“
„Ich begrüße ausdrücklich, dass hier in Wabern investiert wird“, fasste Regierungspräsident Klüber abschließend zusammen und wünschte dem Werk und den knapp 1.500 Landwirten der Verbandsregion eine erfolgreiche Kampagne: „NordOstHessen ist eine Agrarregion und wird maßgeblich von den hier ansässigen Produktions- und Veredelungsbetrieben geprägt. Lebensmittel aus der Region sind auch aus Sicht des Klimaschutzes ein wertvolles Gut. Die Arbeit im Agrarsektor müssen wir als Verbraucherinnen und Verbraucher auch an der Kasse honorieren. Hier muss weiter ein Bewusstsein geschaffen werden, dass hochwertige, regional hergestellte Erzeugnisse ihren Preis haben.“
Besuch auf dem Lindenhof Fritzlar
Die Lage der regionalen Landwirtschaft stand auch im Zentrum des Besuches von Regierungspräsident Klüber auf dem Lindenhof in Fritzlar. Dort traf er sich zum Austausch mit der Betreiberfamilie Volke, dem Hessischen Bauernpräsident Karsten Schmal sowie Fritzlars Bürgermeister Hartmut Spogat.
Der alteingesessene und breit aufgestellte landwirtschaftliche Betrieb der Familie Volke umfasst auf rund 130 Hektar im Außenbereich Schweinemast, Geflügelhaltung sowie Getreide- und Zuckerrübenanbau. Seit den achtziger Jahren vertreiben die Volkes ihre Erzeugnisse auch per Direktvermarktung, seit 1994 im eigenen Hofladen und in der Folge auch durch einen Partyservice. Dabei wird das Thema Tierwohl großgeschrieben und entsprechend in die Haltung investiert. Landwirt Martin Volke wurde dafür 2019 zum „Schweinehalter des Jahres“ bei den Ceres Awards gekürt. Seit 2020 hat die Familie auf ihrem Hof zudem die Freilandgeflügelhaltung mit zwei mobilen Hühnerställen eingeführt.
Der Regierungspräsident lobte das rührige Engagement der Familie Volke, die auf regionalen Absatz ihrer Produkte setze und erfolgreich ihre Nische auf dem Agrarsektor gefunden habe: „Sie stehen mit Ihren innovativen Ideen, Ihrem großen Arbeitseinsatz und Ihrer verantwortungsbewussten Hege für Tiere und Nahrungsmittel stellvertretend für die tausenden Landwirte in NordOstHessen, die uns rund ums Jahr zuverlässig versorgen. Die regionale Landwirtschaft darf sich nicht auseinanderdividieren lassen in konventionell oder Bio, Großbetrieb oder kleiner Direktvermarkter. Landwirtschaft in NordOstHessen lebt von ihrer Vielfalt!“
Bei dem Austausch mit den Vertretern der Hessischen Bauernschaft kam auch die allgemeine Lage der regionalen Landwirtschaft im Spätsommer 2021 zur Sprache. So hätten die Betriebe mit verschiedenen Herausforderungen zu kämpfen: Durchwachsen sei etwa die Getreideernte verlaufen. Aufgrund der ungünstigen und späten Erntebedingungen seien die Erträge und auch die Qualität des Korns in diesem Jahr mäßig ausgefallen. Besser sei die Raps- und Rübenernte verlaufen. Im Bereich der Tierhaltung setzt sich das sehr schlechte Preisniveau für Schweinefleisch fort. Eine kostendeckende Schweinemast erscheint weiterhin unrealistisch – viele Landwirte verzichten aktuell auf das Einstallen von Ferkeln und veräußern stattdessen ihr Getreide. Etwas erträglicher erscheint die Situation in der Geflügelhaltung, bei Rindfleisch und Milch. Allgemein setzt sich das „Höfesterben“ fort, wobei die Zahl der ökologisch wirtschaftenden Betriebe gegen den Trend steigt. Landwirt Erwin Volke vom Lindenhof berichtete aus der Praxis von hohen Kosten und bürokratischen Hürden bei einer geplanten Investition in eine kleine Hofschlachterei.
Bauernpräsident Schmal richtete einen Appell an den Regierungspräsidenten: „Ich mache mir große Sorgen um die hessische Landwirtschaft und vor allem um die aktuell geführte Diskussion um die Tierhaltung. Die Landwirte machen bereits jetzt viel für das Tierwohl. Ich fordere die Politik auf, für mehr Planungssicherheit und Verlässlichkeit zu sorgen! Darüber hinaus muss es dringend durch eine Gebührenentlastung bei der Fleischbeschauung für regionalvermarktende Schlachtbetriebe zu einer Beendigung der jetzigen wettbewerbsverzerrenden Situation kommen.“
Landwirt Erwin Volke ergänzte: „Das würde uns mit Blick auf das Handwerk und die Direktvermarktung sehr weiterhelfen und würde darüber hinaus das Tierwohl vor Ort forcieren.“
„Die Landwirtschaft befindet sich nicht nur in NordOstHessen in einem tiefgreifenden Umbruch“, bilanzierte Regierungspräsident Klüber. „Nun kommt es darauf an, alle Landwirtinnen und Landwirte bei diesem Prozess zu begleiten. Unsere Landwirtinnen und Landwirte sind Unternehmer, Tierschützer und Arbeitgeber in der Region. Um dies erfolgreich weiterführen zu können und sich für die kommenden Generationen zukunftsfest zu machen, brauchen sie in erster Linie Planungssicherheit für anstehende Investitionen.“
Werksrundgang bei der Dr. Schumacher GmbH in Malsfeld
Desinfektions- und Hygieneprodukten kommt während der Corona-Pandemie seit Monaten eine herausgehobene Bedeutung zu. Sie tragen maßgeblich dazu bei, die Verbreitung des Virus zu verhindern. Mit der Dr. Schumacher GmbH mit Sitz in Malsfeld-Beiseförth besuchte Regierungspräsident Klüber einen der weltweit größten Hersteller dieser Produkte. Dort tauschte er sich mit Geschäftsführer Jens Schumacher darüber aus, wie sich das Unternehmen in der Pandemie entwickelt hat. Auch Winfried Becker, Landwirt des Schwalm-Eder-Kreises, und Malsfelds Bürgermeister Herbert Vaupel nahmen an dem Betriebsrundgang teil.
Die Dr. Schumacher GmbH vertreibt ihre Desinfektions-, Hygiene- und Pflegeprodukte für Kliniken, Arztpraxen und Altenpflege-Einrichtungen in rund 70 Ländern. Zu den Kunden zählen Drogeriemarktketten, Discounter, Einzelhandelsketten und namhafte internationale Markenhersteller. Mehr als 1.850 Mitarbeitende beschäftigt das Unternehmen in Deutschland, der Türkei und Polen. Das Unternehmen wächst seit Jahren – und die Coronapandemie habe noch einmal zu einer erhöhten Nachfrage und entsprechend höherem Arbeitsaufkommen geführt, wie der Regierungspräsident bei dem Rundgang erfuhr. „Das Schlagwort von der Systemrelevanz wurde in der Krise inflationär benutzt, aber hier trifft es wirklich zu“, lobte Klüber den Einsatz der Beschäftigten. Sie hätten mit hohem Engagement und viel Arbeitseinsatz gewährleistet, dass die Produktion im Frühjahr 2020 schnell ausgeweitet werden konnte. Für die Opfer der Flutkatastrophe im Südwesten Deutschlands habe das Unternehmen zudem 46 Tonnen Desinfektionsmittel gespendet, so Klüber anerkennend. Er würdigte ebenso, dass die Dr. Schumacher GmbH sich zum Heimatstandort in NordOstHessen bekenne und in der Region investiere: „Globale Champions, die sich für die Region entscheiden, solche Firmen brauchen wir in NordOstHessen!“ (wal)