Schwalmstadts Straßenausbaubeiträge: Orakel hat gesprochen…
SCHWALMSTADT. Immer dann, wenn man nicht mehr weiterkam, fragte man in der Antike das Orakel zu Delphi. Zum Thema Straßenausbaubeiträge hat Bürgermeister Stefan Pinhard jetzt – nach Jahren der Verwirrung – zwar nicht in Delphi, aber beim hessischen Städte- und Gemeindebund nachgefragt, welche Auswirkungen, welche Variante hätte und welche Entscheidung rechtlich stabil wäre.
Der hessische Städte- und Gemeindebund ist tatsächlich so etwas wie das Orakel von Delphi für die Kommunalpolitik. Es ist meistens ganz gut, wenn man dort mal gefragt hat und manchmal bestimmt der erlesene Club versierter Juristen auch die Richtung in der lokalen Verwaltungswelt. Schließlich werden diese Rechtsexperten von den Kommunen finanziert, die vielfach gemeinsame Interessen haben.
Gerecht oder solidarisch?
Das ist bei den Straßenausbaubeiträgen zur Zeit nicht wirklich der Fall, denn der Flickenteppich aus Meinungen, Ansichten, Sorgen und Befindlichkeiten, gespeist aus kommunaler Verzweiflung, kommunaler Großzügigkeit und kommunalem Gerechtigkeitsempfinden, ist doch immens groß geknüpft und führt zu den unterschiedlichsten Entscheidungen. Die sind nicht immer schön, aber auch nicht immer rechtlich haltbar. Weder in der einen noch in der anderen Richtung. Das in einigen Kommunen scheinbar verbreitete sadistische Vergnügen, Hauseigentümer lustvoll mit Rechnungen über 10.000 €, 20.000 € oder 30.000 € in den finanziellen Ruin zu treiben, trifft auf Bemühungen, das kompromisslos solidarische Handeln, welches wir in Zeiten von Corona als das heiligste Gut unserer Gesellschaft überhaupt entdecken, auch hier zum Einsatz zu bringen…
In der Stadtverordnetenversammlung am 2. September 2021 konnte Bürgermeister Stefan Pinhard aus einer Stellungnahme der Juristen des hessischen Städte- und Gemeindebundes berichten. Die sehen vieles, was die unterschiedlichen Fraktionen in Schwalmstadt gerne hätten oder nicht hätten, anders als die ehrenamtlichen Politiker vor Ort.
Städte- und Gemeindebund: entweder – oder
In der Antwort der Juristen ist zu lesen: es gibt eine Mustersatzung, eine weitere wird es nicht geben. Auch Alternativformulierungen sind vom hessischen Städte- und Gemeindebund e.V. nicht zu erwarten und wer davon abweicht, könnte Probleme haben. Insbesondere alles, was gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen könnte, sollte man nicht tun. Also, keine Obergrenze, denn die würde große Grundstücke bevorteilen und eine Erhöhung des Gemeindeanteils wäre genauso rechtlich bedenklich. Die vom Bürgermeister vorgeschlagene Anpassung an den Bodenrichtwert hat noch niemand gemacht und also gibt es auch keine positive, sondern ebenfalls eine negative Bewertung der Juristen. Ganz orakelgerecht geben Sie keine eindeutige Empfehlung, sondern lassen die Wahl: „komplett abschaffen“ oder „konsequent durchführen“. Beides geht. Für Schwalmstadt geht es insbesondere um einen Betrag irgendwo zwischen 300.000 € und 400.000 € jährlich.
Ersparen wir uns noch einmal zu reflektieren, wie schnell, welche Parteien in Schwalmstadt ihre Meinung zu den Straßenausbaubeiträge wechseln, wenn es um politische Mehrheiten, Wahlerfolge, Positionierungen und kommunalpolitische Punktsiege geht. Wer Spaß daran hat, findet über die nh24-Suchfunktion reichlich Stoff zu diesem Thema. Eines ist klar, wenn es um eine objektive Sache ginge, gäbe es längst eine Lösung. Es ist ein emotionales Thema, das sich objektiv-sachlich vielleicht gar nicht lösen lässt.
Wer steht nun wirklich für was?
Nun steht über dem Orakel von Delphi der Satz, „erkenne dich selbst“ und darunter: „werde, der du bist“. Das würde voraussetzen, dass die sieben Parteien und sechs Fraktionen im Stadtparlament tatsächlich wissen, für was sie selbst stehen. Da wird es schwierig, weil es genau jetzt sinnvoll wäre es, alle persönlichen Beweggründe und alles, was irgendeiner Partei, irgendeinen Vorsprung – bei was auch immer – verschaffen könnte zu ignorieren und auf das zu schauen, was wirklich zählt. Mit der Anfrage bei den Juristen gibt es zwar nur eine weitere Meinung, die könnte aber in diesem Fall „göttlich“ sein. Sie macht nämlich klar, wie einfach die Entscheidung im Grunde ist: JA oder NEIN. Zu beidem gehört etwas Mut. Ein „es könnte ja doch irgendwie noch eine vielleicht unentdeckte Kompromisslösung geben und wenn zufällig niemand klagen würde, dann hätte das womöglich sogar Erfolg“, scheint es nicht zu geben.
Der Antrag der Fraktion FREIER WÄHLER eine Klausur zu dem Thema stattfinden zu lassen wurde kurz diskutiert. Heiko Lorenz (FW) beharrt auf einer schriftlichen Stellungnahme des Bürgermeisters. Ziel ist die vollständige Abschaffung. Man könne in Schwalmstadt nicht akzeptieren, dass Länder, die Geld aus dem Finanzausgleich bekommen die Beiträge abschaffen und Zahler wie Hessen, die Bürger zur Kasse bitten. Die Klausur sei im Juli so beschlossen worden.
Jetzt ist „Arsch und Hose gefragt“
Stadtverordnetenvorsteher Reinhard Otto (CDU) erklärt, dass die Verwaltung keine Auskünfte geben konnte, weil Informationen fehlten. Vom Städte- und Gemeindebund gäbe es zwei saubere Stellungnahmen. Die Juristen müssten jetzt für Schwalmstadt formulieren, was geht. Danach können natürlich die Stadtverordneten so entscheiden, wie sie es wollen und in den nächsten Wochen das Thema abschließen. Jetzt sei erst einmal die Verwaltung gefragt. Er möchte das auch abgeschlossen haben. Wie schwer ein klares Ja oder Nein fällt, haben die Stadtverordneten Schwalmstadt beispielsweise in derselben Sitzung beim Wirtschaftsplan zur Wohnungsbaugesellschaft gezeigt. Es könnte also noch spannend werden.
Für die zugegeben etwas komplizierte – Variante des Bürgermeisters, den Bodenrichtwert als Kriterium für eine Obergrenze zu nehmen, die im Grunde recht plausibel klingt, gehört gehörig „Arsch in der Hose“, denn das hat noch niemand gewagt und darüber gibt es kein Urteil. Juristen brauchen immer jemanden der schon mal etwas entschieden hat, Politiker können entscheiden. Erst am Ausgang des Orakel zu Delphi steht übrigens der schließlich entscheiden Satz, „Auf dass du Gott erkennen mögest“. Da im alten Griechenland das Gottesbild nicht so präzise und überhöht wie unseres war, könnte damit – in diesem Falle – auch der Bürgerwille gemeint sein… (Rainer Sander)
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1 Kommentar
Also besser hätte man es nicht ausdrücken können. Zum wohle der Bürger und nicht der einzelnen Parteien!
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