KASSEL. Galt die Entwicklung weg vom Tante-Emma-Laden und hin zum SB-Supermarkt lange Zeit als modern, so sind selbstabfüllbare Nudeln, Linsen und Co. in Omas Einmachgläsern mittlerweile hipp und trendy – und schonen unsere Ressourcen.
Doch wo kann man „unverpackt“ einkaufen, wenn kein Unverpackt-Laden in der Nähe ist? Der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) gibt Tipps.
„Unverpackt“-Läden sprießen derzeit vielerorts aus dem Boden: 434 an der Zahl sind es aktuell laut dem Berufsverband „Unverpackt e.V.“ in Deutschland – 297 weitere in Planung. Hessen kann allein auf 35 Unverpackt-Läden verweisen. 24 weitere sind in der Entstehung. „Für direktvermarktende landwirtschaftliche und gartenbauliche Betriebe ist die Entwicklung nichts Neues,“ so Sigrun Krauch, Leiterin des Fachgebiets Erwerbskombinationen beim LLH. „Die meisten Produkte werden in Hofläden und an Marktständen seit eh und je unverpackt verkauft. Dazu stammen sie meist aus eigener Produktion,“ fügt Krauch hinzu. Der LLH berät mit dem Fachgebiet „Erwerbskombinationen“ unter anderem landwirtschaftliche und gartenbauliche Betriebe zu Direktvermarktung und Hofläden. Und auch hier zeigt sich: Unverpackt ist Trend!
Lebensmittel dominieren Verpackungsmüll deutscher Haushalte Doch gleichzeitig nimmt Verpackungsmüll in deutschen Haushalten zu: Im Jahr 2018 fielen in Deutschland laut Umweltbundesamt 18,9 Millionen Tonnen Verpackungsabfälle an. Private Haushalte trugen mit 8,93 Mio. Tonnen 47 % dazu bei. Pro Kopf sind das dem Bundesumweltministerium zufolge 107,7 kg pro Jahr und etwa 20 Prozent mehr als noch in 2010. Und Nahrungsmittel, Getränke sowie Heimtierfutter sind daran nicht ganz unbeteiligt! Etwa 62,3 % des Verpackungsaufkommens privater Haushalte geht auf Lebensmittel zurück (Umweltbundesamt). Die Gründe sind geläufig: Die Lebens- und Verzehrgewohnheiten wandeln sich. Single-Haushalte nehmen zu, Außer-Haus-Verzehr steigt, Convenience-Produkte sind praktisch und passen in einen modernen Livestyle. Auch Corona bleibt nicht unbemerkt: So fand die Frankfurt Entsorgungs- und Service GmbH heraus: In den „Corona-Monaten“ März und April 2020 fiel in Frankfurt um 11 Prozent mehr Plastikmüll in Privathaushalten an als in der Vorjahressaison.
Die Unverpackt-Szene möchte dem entgegensteuern. In 2014 öffnete der erste Unverpacktladen Deutschlands in Kiel. Weitere folgten. Und das Angebot wird angenommen: Laut einer Statista-Umfrage haben bereits 72 Prozent der Deutschen mindestens einmal in einem Unverpackt-Laden eingekauft, Stand: 2020.
Hofläden und Marktstände – unverpackt seit eh und je!
Dieser „neue Trend“ ist in einigen landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Betrieben schon lange Gang und Gäbe: Klassiker für unverpacktes Einkaufen sind Hofläden. Hier werden viele Produkte unverpackt verkauft: Ob Obst und Gemüse – häufig aus eigenem Anbau – oder Milch- und Fleischprodukte. Milch und daraus hergestellte Produkte werden oft in Pfandflaschen und –gläsern angeboten. Gereinigt können sie wieder eingesetzt werden. Viele Betriebe bieten darüber hinaus Wurst- und Fleischprodukte an der Frischetheke an. Hier können Verbraucherinnen und Verbraucher ihren Einkauf in selbstmitgebrachten Behältnissen verstauen lassen. Die Befüllung von kundeneigenen Mehrweggefäßen ist laut dem Hessischen Umweltministerium auch während der Corona-Pandemie möglich. Bedingung: Neben dem Einhalten der gängigen Hygiene- und Abstandsregeln wird weder die betriebliche Hygiene noch die Qualität der abgefüllten Lebensmittel beeinträchtigt. Während Verbraucherinnen und Verbraucher für die Sauberkeit der mitgebrachten Behältnisse verantwortlich sind, liegt die Verantwortung für das Einhalten hygienerechtlicher Verordnungen bis zur Abgabe von Lebensmitteln beim Lebensmittelunternehmen. Es ist dessen Pflicht, unsaubere Behältnisse abzulehnen. Kreuzkontaminationen können beispielsweise verhindert werden, indem die Kundenbehältnisse über ein Tablett vom darin geschulten Verkaufspersonal angenommen werden. So gelangen die Behältnisse nicht in den Hygienebereich des Lebensmittelhandels (Hessisches Umweltministerium 2020).
Nicht nur in Hofläden, auch an Marktständen spielt unverpackt eine große Rolle – beispielsweise auf dem Erzeugermarkt auf der Frankfurter Konstablerwache. Jeden Donnerstag und Samstag bieten hier bereits seit über 30 Jahren etwa 50 Betriebe der Region ihre Produkte feil: Ob Brot, Gemüse, Fisch oder Käse. „Viele Marktbesucherinnen und –Besucher bringen inzwischen ihre eigenen Beutel und Behältnisse mit. Besonders in den letzten zwei Jahren hat das stark zugenommen,“ weiß Feyza Morgül, Geschäftsführerin des Frankfurter Marktverein e.V.- Interessengemeinschaft der Erzeuger an der Konstablerwache. Einige Stände bieten sogar Pfandsysteme an. Hierüber können Marktbesuchende z.B. Glasbehältnisse für eingemachtes Obst und Gemüse oder Flaschen für Fruchtsäfte kaufen und diese dann nach dem Gebrauch gereinigt zurückgeben. Wer eine eigene Stofftasche zum Einkauf vergessen hat, kann sich an den sechs „Taschenstationen“ am Markt kostenfrei bedienen. Initiiert vom Frankfurter Ernährungsrat, dem Frankfurter Marktverein e.V. und konzipiert von der lustaufbesserleben GmbH können Besucherinnen und Besucher hier seit Herbst 2019 zu Marktzeiten kostenlos Einkaufsbeutel entnehmen und eigene Tüten oder Taschen für andere hineinlegen. „Ziel ist es, ein plastikfreies Kreislaufdenken bei den Kundinnen und Kunden zu stärken,“ so Morgül. Gemeinsam mit weiteren Akteuren freut sie sich: „Die Nachfrage und Anerkennung von unverpackt steigt!“
“Unverpackt in der Direktvermarktung von landwirtschaftlichen Betrieben ist gerade ein Riesenthema,“ bestätigt die Geschäftsstellenleiterin der Vereinigung der Hessischen Direktvermarkter e.V., Dr. Christina Well. „Damit steigt auch die Nachfrage nach Schulungen und Wissensvermittlung,“ so Well. „Die Betriebe haben großes Interesse, ihr Angebot noch stärker an die sich verändernden Konsumgewohnheiten der Bevölkerung anzupassen und mit diesem Angebot einen weiteren Beitrag für einen nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen zu leisten.“
LLH berät zu Direktvermarktung und Co.
Sie haben einen landwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Betrieb und interessieren sich für Direktvermarktung und Co.? Der LLH mit seinem Fachgebiet „Erwerbskombinationen“ berät Sie gerne, wenn ein zweites Standbein in Form einer Direktvermarktung, einer Bäuerlichen Gastronomie, Bauernhof als Klassenzimmer oder Urlaub auf dem Bauernhof aufgebaut werden soll. „Unser Ziel ist es, gemeinsam mit dem jeweiligen Betrieb herauszufinden, wo dessen Stärken und Schwächen liegen und welches Potential der Betrieb mit sich bringt,“ erläutert Sigrun Krauch. „Unsere Beraterinnen unterstützen bei der Beachtung rechtlicher Vorgaben und empfehlen, welche weiteren Behörden und Institutionen hinzugezogen werden sollten. Bei konkreten Ideen erstellen wir gemeinsam mit den Betrieben Wirtschaftlichkeitsberechnungen“, so Krauch.
Kontakt und weitere Infos unter: https://llh.hessen.de/ueber-uns/kontakt/gruppe/beratungsteam-erwerbskombinationen/.
Online-Quellen