HOMBERG/EFZE. Supermarktkasse statt Biertheke: Im Zuge der Corona-Pandemie verzeichnen die Hotels und Gaststätten im Schwalm-Eder-Kreis eine dramatische Abwanderung von Fachkräften.
Innerhalb des vergangenen Jahres haben im Landkreis rund 400 Köche, Servicekräfte und Hotelangestellte dem Gastgewerbe den Rücken gekehrt – das ist fast jeder sechste Beschäftigte der Branche, wie die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) unter Berufung auf jüngste Zahlen der Arbeitsagentur mitteilt.
Angesichts weiterer Lockdowns bis in den Mai hinein dürfte sich der Personal-Schwund bis heute nochmals zugespitzt haben, befürchtet Andreas Kampmann, Geschäftsführer der NGG-Region Nord-Mittelhessen. „Viele Menschen schätzen es, nach langen Entbehrungen endlich wieder essen zu gehen oder zu reisen. Aber ausgerechnet in der Sommersaison fehlt einem Großteil der Betriebe schlicht das Personal, um die Gäste bewirten zu können“, so Kampmann. Für die Lage macht der Gewerkschafter insbesondere die Einkommenseinbußen durch die Kurzarbeit verantwortlich: „Gastro- und Hotel-Beschäftigte arbeiten sowieso meist zu geringen Löhnen. Wenn es dann nur noch das deutlich niedrigere Kurzarbeitergeld gibt, wissen viele nicht, wie sie über die Runden kommen sollen.“
Wenn die gut ausgebildeten Fachkräfte in Anwalts- oder Arztpraxen die Büroorganisation übernehmen oder in Supermärkten zwei Euro mehr pro Stunde verdienen als in Hotels und Gaststätten, dürfe es niemanden überraschen, dass sich die Menschen neu orientierten. „Schon vor Corona stand das Gastgewerbe nicht gerade für rosige Arbeitsbedingungen. Unbezahlte Überstunden, ein rauer Umgangston und eine hohe Abbruchquote unter Azubis sind nur einige strukturelle Probleme. Die Unternehmen haben es über Jahre versäumt, die Arbeit attraktiver zu machen. Das rächt sich jetzt“, kritisiert Kampmann.
Wirte und Hoteliers hätten nun die Chance, die Branche neu aufzustellen. Zwar seien viele Firmen nach wie vor schwer durch die Pandemie getroffen. Doch wer künftig überhaupt noch Fachleute gewinnen wolle, müsse jetzt umdenken und sich zu armutsfesten Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen bekennen. Dazu seien Tarifverträge unverzichtbar, unterstreicht Kampmann: „Am Ende geht es um einen Kulturwandel. Auch Servicekräfte haben ein Recht darauf, vor dem Dienst zu wissen, wann Feierabend ist. Sie haben Anspruch auf eine anständige Bezahlung – unabhängig vom Trinkgeld. Und auf eine faire Behandlung durch den Chef.“
Gastronomen, die das Mittagessen so günstig anböten, dass sie davon das Personal nicht mehr bezahlen könnten, machten ohnehin grundsätzlich etwas falsch. „Viele Gäste sind durchaus bereit, ein paar Cent mehr für die Tasse Kaffee zu bezahlen – gerade jetzt, wo den Menschen bewusst geworden ist, dass der Besuch im Stammlokal ein entscheidendes Stück Lebensqualität ist“, so Kampmann.
Die Gewerkschaft NGG verweist zudem auf die umfassenden Finanzhilfen des Staates für angeschlagene Betriebe. So können sich Hotels und Gaststätten im Rahmen der Überbrückungshilfen in diesem Monat bis zu 60 Prozent der Personalkosten bezuschussen lassen, wenn sie Angestellte aus der Kurzarbeit zurückholen (Restart-Prämie). „Klar ist: Köchinnen, Kellner & Co. freuen sich darauf, endlich wieder Gäste empfangen zu können. Viele arbeiten mit großer Leidenschaft im Service. Auf diese Motiviation können die Betriebe bauen – und sollten das Personal nicht erneut durch prekäre Löhne und schlechte Arbeitszeiten verprellen“, so Kampmann weiter.
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit beschäftigte das Hotel- und Gaststättengewerbe im Schwalm-Eder-Kreis zum Jahreswechsel 2.176 Menschen. Genau ein Jahr zuvor – vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie – waren es noch 2.572. Damit haben innerhalb von zwölf Monaten 15 Prozent der Beschäftigten die Branche verlassen. (pm)
Das Bild: Servicekraft händeringend gesucht: Viele Hotels und Gaststätten finden aktuell kein Personal – weil während der Lockdowns ein großer Teil der Beschäftigten die Branche verlassen hat. Die Gewerkschaft NGG fordert, die Arbeit im Gastgewerbe attraktiver zu machen.
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5 Kommentare
Da wäre es doch mal eine witzige Idee die Löhne und Gehälter auf die Einkommen von 1989 zurückzuschrauben, so merken auch Arbeitnehmer, wie es ist, mit weniger Geld zurechtzukommen. Wenn ein Gastronom 17 Monate kein oder wenig Einkommen hatte, ist es legitim die Preise zu erhöhen, um die Zinsen für Kredite bedienen zu können. Natürlich spüre auch ich die höheren Preise, aber auch ich weiß wie es ist, eine Einkommens-Flaute zu erleben. Ein Jobwechsel geht oft mit einer längeren Probezeit einher und wenn man dann zum Teil auf Provisionsbasis arbeitet, muss man ein bis sechs Monate mit dem Grundgehalt zurecht kommen. Nicht jeder Gastwirt konnte vom Lieferservice leben und die Ausfall-Zahlungen ließen auf sich warten, weil die Bundesländer unterschiedlich fix bei der Auszahlung waren.
Bin ich froh, dass so Leute wie ihr zu Hause bleibt. Bei dem Gedanken, ihr könntet am Nebentisch sitzen, vergeht mir der Appetit
Bei dem Wetter im Biergarten sitzen macht keine freude, und drinnen nur mit Test ( Dank Bouffier ) da können viele drauf verzichten!!!!
Da trifft man sich lieber zuhause im Wintergarten oder der Gartenlaube um gemeinsam Fußball zu schauen oder zu feiern, und man zahlt auch keinen Corona Aufschlag!!!!
Die Preise sind in der Gastronomie teils heftig nach oben geschraubt worden. Da dürfte nach dem Lockdown auch eine Goldgräberstimmung mit ursächlich sein. Erinnert ein bisschen an die Währungsumstellung von DM auf Euro. Da wurde so richtig abgezockt und ausgelotet, was nach oben hin preislich geht.
Wir haben öfter den Lieferservice unserer Pizzeria genutzt und damit die Gastronomie unterstützt. Dafür sind die Preise moderat gestiegen. Dagegen haben die Discounter teilweise kräftig aufgeschlagen, ohne, dass ihr Geschäft gelitten hatte. Kaum waren erhöhte Fleischpreise im Gespräch, waren Fleisch- und Wurstwaren gleich preislich angehoben worden. Ebenso war es bei Obst und Gemüse, Nudeln und Fertigwaren. Als es beschlossen wurde stieg der Preis noch mal um 2-5%. Gegen viele Preiserhöhungen kann man sich nicht wehren. Fleischpreise sollten erhöht werden zum Nutzen der Tiere, um einen „würdigeren“ Schlachtvorgang sicherzustellen. Doch die Preise stiegen und die Schlachtbetriebe arbeiten weiter wie gehabt.
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