„Interception“ für LINKE – GROKO „verliert“ Konstituierung 18:19
SCHWALMSTADT. Kommunalpolitik kann viel Spaß machen. Vielleicht nicht durchgängig für die Gewählten, aber dann für stille (oder laute) Beobachter. Bürgermeister Stefan Pinhard eröffnete die konstituierende Sitzung der Stadtverordnetenversammlung in Schwalmstadt gestern Abend mit der Feststellung, dass der Magistrat ordnungsgemäß und fristgerecht eingeladen hatte. Punkt!
Alle fünf Jahre, so der Bürgermeister, entscheidet der Souverän, nämlich die Wählerschaft neu. Diesmal gab es eine Auswahl wie noch nie. Über 150 Kandidaten aus sieben Listen standen zur Wahl. Das Parlament treffe stellvertretend für alle Schwalmstädter die Entscheidungen, und zwar ehrenamtlich. Das neue Parlament handlungsfähig zu machen, sei jetzt die Aufgabe. Ein winzig kleiner technischer Schritt, der in anderen Parlamenten längst üblich ist, könnte dazu beitragen: Zukünftig wird es auch in Schwalmstadt digitale Einladungen geben.
Alle da!
37 Anwesende konnte Stefan Pinhard zählen und damit war das Parlament in seiner ersten Sitzung vollzählig. Die Aufgabe den ersten Tagesordnungspunkt zu leiten fällt laut Hessischer Gemeindeordnung (HGO) immer dem an Jahren ältesten Stadtverordneten zu. In diesem Falle Dieter Dötenbier (BfS). An Jahren Ältester, das kann man sich nicht erarbeiten, das passiert und mit Dieter Dötenbier, dem Marktplatz-Urgestein aus Treysa, hat es einen alten, mit reichlich Humor ausgestatteten Schwälmer erwischt.
„Ganz neu in diesem Metier und dann gleich als erster Sprechen“, begann der frühere Geschäftsmann, der die meisten im Saal schon mal „gebettet“ haben dürfte, „das hat doch was! Die Letzten werden die Ersten sein!“
Mehr Ironie!
Ein Alterspräsident darf sich auch etwas wünschen. An erster Stelle stand der Wunsch, keine persönlichen Angriffe zu starten, vielleicht stattdessen ein bisschen Ironie zu versprühen. Das hat fürs Erste schon mal geklappt und ich mache dabei als aufmerksamer Beobachter – und Berichterstatter – gerne mit, wenn so nett dazu aufgefordert wird.
In diesem Moment konnte niemand ahnen, zu wie viel Ironie das Parlament in Schwalmstadt tatsächlich fähig ist. Mit dem Wunsch nach Weiterentwicklung ohne Parteipolitik blieb Dötenbier auf der Linie der Bürgermeister-Partei BfS.
Reinhard Otto wieder Vorsteher
Mit der Wahl des Stadtverordnetenvorstehers hat sich nach HGO die Stadtverordnetenversammlung konstituiert. Reinhard Otto wurde gemeinsam von CDU und SPD vorgeschlagen, die damit klar zum Ausdruck brachten, dass sie sich als Koalition fühlen. Ein Gefühl, dass nicht durchgängig alle hatten. Beide haben jeweils fast zehn Prozent bei der Kommunalwahl verloren, doch wenn Not auf Elend trifft, gibt es nicht unbedingt Solidarität in der Depression. Die Abstimmung erfolgte durch Handzeichen einstimmig.
Überraschung bei den Stellvertretern
Das gibt es selten. Bei den Wahlen der Stellvertreter zeichnete sich bereits ab, dass Harmonie kein kostenloses Geschenk ist. Die Aufforderung von Reinhard Otto „Bitte nur 1 Kreuz!“, erinnerte ein wenig an die Monty Python-Satire „Das Leben des Brian“. Niemand wusste zu diesem Zeitpunkt von möglichen Parallelen zur Filmsatire.
Vier Listen hatten Kandidaten benannt. Anne Willer (CDU) und Helmut Balamagi (SPD) standen auf der gemeinsamen SPD / CDU – Liste für die Vize-Stadtverordnetenvorsitzenden. Die Liste bekam aber nur so viele Stimmen, dass lediglich die erstgenannte Stellvertreterin wird und nach Hare-Niemeyer der Zweitplatzierte nicht. Dafür sind Ruth Engelbecht (B90/GRÜNE) und Frank Pfau (FDP) an Bord. Die SPD geht bei den Stavo Vorstehern demnach leer aus. Dumm gelaufen, aber kein Protest (wie auch?). Dafür aber erschrockene und betroffene Mienen. Schriftführer wird wieder Stefan Beckmann aus dem Rathaus.
Mehr Magistrat – ich ein bisschen plötzlich, bitte!
SPD und CDU beantragten danach gemeinsam die Erhöhung der Magistratssitze von neun auf zehn. Nach den Auszählungsregeln würde diese Erhöhung unweigerlich dazu führen, dass sie mit sechs Sitzen auch die Mehrheit im Magistrat bekommen, was bei neun Sitzen nicht möglich wäre. Vorausgesetzt, alle Stimmen nach Plan ab…
- Engin Eroglu (FW) findet es überraschend, darüber ist im Vorfeld nie gesprochen worden und solche Dinge bereitet man besser gemeinsam vor. Schwalmstadt, so der Europa-Abgeordnete, könnte Vorbild sein, politische Gremien nicht aufzublähen. Dass ausgerechnet beiden größten Wahlverlierer jetzt das Parlament aufstocken, um sich die Posten zu sichern, widerspricht für ihn dem Wählerwillen.
- Für Heidemarie Scheuch-Paschkewitz (LINKE) „macht das so gar keinen Sinn!“ Warum nicht ungerade, fragt sie und warum nicht zwölf, damit auch alle kleinen Parteien einen Sitz bekommen…? Zu dem Zeitpunkt hatte sie noch nichts.
- Dr. Constantin Schmitt (FDP) lehnte die Erhöhung ebenfalls ab, verbunden mit der Bitte, bei den Ausschüssen noch ein bis zwei Sitzungen zu warten. Das lehnte die SPD/CDU Mehrheit (noch) geschlossen ab.
- Frank Bruchholz (B90/GRÜNE) erinnerte daran, dass 80 Prozent aller Entscheidungen im Magistrat sowieso einstimmig beschlossen werden, und sieht in der Erhöhung gar keinen Sinn.
Trotzdem setzt die kleinstmögliche große Koalition die Erhöhung mit 19 : 18 Stimmen durch. Die Änderung der Hauptsatzung erfolgt parallel mit der Installierung folgender Ausschüsse:
- Haupt- und Finanzausschuss – 11 Mitglieder
- Ausschuss für Wirtschaft, Landwirtschaft, Umwelt und Verkehr – 7 Mitglieder
- Bauausschuss – 7 Mitglieder
- Ausschuss für Soziales, Jugend und Sport – 7 Mitglieder
Die LINKE hat seit der letzten Kommunalwahl keinen Fraktionsstatus mehr, ebenso kann der FW-Aussteiger Thomas Kölle nicht allein eine Fraktion bilden. Beiden stehen damit keine Sitze in den Ausschüssen oder dem Magistrat zu. Gewählt wurde das Benennungsverfahren. Damit entscheiden die Fraktionen selbst und allein, wer in die Ausschüsse geht.
Wie gewonnen so zerronnen – Ehrenamtliche Stadträte
Nach der Erhöhung der Magistrats-Sitze sollte die Wahl nach verschiedenen Listen (man hätte auch eine Gemeinschaftsliste erstellen können) und dem Auszählverfahren nach „Hare-Niemeyer“, der – wie gesagt – kleinstmöglichen großen Koalition aus SPD und CDU die Mehrheit in der „Regierung“ sichern. Alle Fraktionen legten einen eigenen Vorschlag vor, CDU und SPD einen gemeinsamen.
Dann folgte die Überraschung bei den abgegebenen Stimmen (in Klammern die Zahl der Stadtverordneten):
- SPD/CDU 18 (19)
- B90/GRÜNE 3 (3)
- FW 6 (6)
- BfS 4 (4)
- FDP 3 (3)
- LINKE 3 (1)
Für alle, die daraus jetzt nichts herauslesen können: die Schwalmstädter Groko bekommt nicht sechs, sondern nur fünf Sitze: Lothar Ditter (SPD)/Erster Stadtrat, Marcus Theis (CDU), Timo Beckmann (SPD), Armin Happel (CDU) und Margot Schick (SPD). Die Opposition bekommt genauso viele Sitze: Frank Bruchholz (B 90/GRÜNE), Gerhard Reidt (FW), Christian Zeiss (FDP) und – völlig überraschend – Matthias Bahlke (LINKE). Von wegen, DIE LINKE hat keinen Fraktionsstatus…
Nicht bloß dumm gelaufen
Zum Nachvollziehen: Die Liste der Linken bekam drei Stimmen. Also: die eine LINKE Abgeordnete hat – keine Überraschung – ziemlich sicher LINKE gewählt. Dann gibt es einen plötzlich parteilosen und am Ende muss wohl noch eine/r bei der Großen Koalition ausgeschert sein. Es war natürlich eine geheime Wahl, aber von einer Rochade geht kaum jemand aus. Der Winkelzug mit dem Magistrat war damit gleich wieder zunichtegemacht, Ballbesitz für die Opposition: in der American Football-Sprache eine „Interception“.
Schon wird munter spekuliert. War es ein/e Sozialdemokrat/in, dürfte jemand über das rot-schwarze Bündnis verärgert sein, war es ein/e Christdemokrat/in, hat der/die jede Menge Humor und Ironie, ganz so, wie es Dieter Dötenbier zu Beginn der Sitzung eingefordert hat.
Wetten werden entgegengenommen
Ich ahne, das wird so bleiben, denn seit der Wahl finden sich plötzlich Menschen in der Stadtverordnetenversammlung, die sich frei von parlamentarischen Erfahrungen in unterschiedlichen Lagern gegenübersitzen, sich aber aus ganz anderen Zusammenhängen gut kennen und – sei es im Gewerbeverein, privat und Sport – bisher an einem Strang gezogen haben. So etwas ist immer für Überraschungen gut! Schon werden Wetten abgeschlossen, ob und – wenn ja – wann die SPD/CDU-Koalition wieder zerbricht. Die wichtigste Entscheidung, um handlungsfähig zu sein, ist erst mal „versiebt“. (Rainer Sander)
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4 Kommentare
hallo andi,
sie bergleichen da äpfel mit birnen !!!
trotzdem auch ihnen ein schönes wochenende 😉
hallo andi,
sorry,aber sie vergleiche da äpfel mit birnen !!!
aber trotzdem auch ihnen ein schönes wochenende. 😉
Ist doch lustig!
Das A49 ist nächstes jahr bei Schwalmstadt und immer noch tut sich nichts am neuen Industriegebiet Stadtallendorf ist dort viel schneller
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