Haupt- und Finanzausschuss Schwalmstadt statt Stadtverordnetenversammlung
SCHWALMSTADT. Wie regierbar ist eine Stadt in Zeiten des Shutdown? Politische Entscheidungen müssen auch dann getroffen werden, wenn niemand mehr vor die Tür darf und die Geschäfte geschlossen sind. Das wird in Gemeindevertretungen und Stadtverordnetenversammlung zunehmend schwieriger.
In Schwalmstadt wurde die letzte Sitzung abgesagt. Stattdessen wurde der Haupt- und Finanzausschuss (HaFi) nach der neuen Regelung gemäß § 51a HGO (Eilentscheidung anstelle der Stadtverordnetenversammlung) einberufen, in der er Entscheidungen treffen darf, die sonst nur die Stadtverordneten in ihrer Gesamtheit absegnen dürfen. Im Vorfeld wurden viele Themen bereits interfraktionell besprochen, sodass die Hoffnung bestand, dass es schnell geht. Das war weitgehend Konsens, nur bei zwei Themen poppte Schwalmstädter Kunst des Debattierens noch einmal auf.
Über- und Außerplanmäßige Ausgaben auf der Tagesordnung
Die einzigen Themen waren Über- und Außerplanmäßigen Ausgaben, die genehmigt werden mussten. Gleich zu Beginn der Sitzung fiel die erste schnelle Entscheidung über 72.200 €uro für die Digitalisierung der Kommunen. Das fällt in Zeiten der Pandemie jedem Kommunalparlament leicht.
Wenig Diskussionen gab es bei der Überplanmäßigen Ausgabe in Höhe von 142.000 €uro für den Gerätewagen GW-Atemschutz oder die Außerplanmäßige Ausgabe als Investitionszuschuss für eine Löschwasserzisterne „Bei der Tränke“ in Ziegenhain. Feuerwehrangelegenheiten werden in keinem Kommunalparlament gerne kritisch oder ablehnend diskutiert. Nur bei den überplanmäßigen Ausgaben für ein HLF 20 FW-Fahrzeug Ziegenhain wollte Marcus Theis (CDU) wissen, warum nur der Eigenanteil der Stadt und nicht die Gesamtkosten für das anzuschaffenden Fahrzeug erwähnt werden. Da auch Bürgermeister und Verwaltung die Zahlen nicht im Kopf hatten, diskutierte der Haupt- und Finanzausschuss zehn Minuten über Fakten, die zwar in der Vorlage nicht sichtbar aber im Stadtparlament Schwalmstadt auch nicht zu ändern sind. Auch beim Thema Löschwasserzisterne „bei der Tränke“ in Ziegenhain ließ Marcus Theis nicht locker: Teich oder nicht Teich, das war hier die Frage…
Reinhard Otto: ein Eigenheim „versenkt!“
Anders war die Situation bei Mehrkosten für die Erweiterung der Kindertagesstätte Wiegelsweg. Auch hierzu sollten die Stadtverordneten des Haupt- und Finanzausschuss eine „Überplanmäßige Ausgabe“ absegnen. Um rund 583.000 €uro werden die Kosten für die Kindertagesstätte steigen. 200.000 €uro sollten nun als außerplanmäßige Ausgabe genehmigt werden. Vor anderthalb Jahren diskutierten die Stadtverordneten noch über selbst kochen oder Lieferdienst, jetzt geht es um knallharte Kosten. Von einer falschen Kalkulation seitens des Planungsbüros geht der Magistratsvorschlag aus und will juristisch prüfen lassen, ob man gegen das Architekturbüro vorgehen kann. Stadtverordnetenvorsteher Reinhard Otto wurde energisch und wütend: In Neustadt und Alsfeld würden immer die Kostenpläne eingehalten. Man habe ganz offensichtlich das falsche Büro ausgesucht, das mit falschen Zahlen den Wettbewerb gewonnen hat. Jetzt sei ein komplettes „Eigenheim versenkt“. Ihn mache das fassungslos.
Bürgermeister Stefan Pinhard (parteilos) sagte in der Sitzung, man müsse die Kosten pro Quadratmeter sehen und die wären für ein solches Gebäude adäquat. Nach der Sitzung sagte er, eine Recherche zu Neustadt und Alsfeld stehe noch aus. Nach online verfügbaren Presseberichten sind in Alsfeld die Kosten allerdings um fast den gleichen Betrag gestiegen, wenn auch bereits vor der endgültigen Beschlussfassung durch das Parlament.
Heidemarie Scheuch-Paschkewitz (LINKE) geht davon aus, dass sicher keine goldenen Wasserhähne verbaut wurden, „aber 600.000 Euro sind zu viel!“ Reinhard Otto (CDU) findet, der Bauausschuss solle einen Vor-Ort-Termin machen. Für Thomas Kölle (FW) sind die Zahlen unschlüssig. Mit 1 Gegenstimme und 2 Enthaltungen stimmten die Mitglieder des HaFi für die außerplanmäßige Ausgabe.
Darlehen und Wirtschaftsförderung ohne große Diskussionen
Wenig Probleme bereitet die Außerplanmäßigen Ausgaben zur Ausübung von Vorkaufsrechten in den Stadtteilen Treysa und Ziegenhain, für die Renaturierung des Ittersbach in Allendorf und zur Aufnahme eines Darlehens zur Weiterleitung an das Deutsche Rote Kreuz zum Bau des neuen Verwaltungsgebäudes in Ziegenhain sowie gleichzeitige Genehmigung einer außerplanmäßigen Ausgabe in gleicher Höhe.
Auch die erfolgreich umgesetzte Außerplanmäßige Ausgabe für die Gutscheinaktion zur Unterstützung der heimischen Wirtschaft – weitere 50.000 Euro zusätzlich zu den ursprünglich genehmigten 90.000 €uro – sind schon ausgegeben. Diese Punkte wurden einstimmig verabschiedet. (rs)