TREYSA. In den italienischen Alpen leben, wie ihre Großmutter, dass wollte Alessandra Beatrice Domenica Carella als Kind. Dann kamen ein Umzug nach Deutschland und neue Lebenspläne. Seit November ist die 60-Jährige nun die Chefärztin für Psychiatrie und Psychotherapie an der Hephata-Klinik in Schwalmstadt-Treysa.
„Mein Vater war einer der ersten Gastarbeiter aus Italien“ erinnert sich Alessandra Carella. Sie war fünf Jahre alt, als die Familie aus den italienischen Bergen nach Frankfurt am Main zog. Ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, kam sie in die Grundschule – die erste Ausländerin der Klasse.
„Ich wollte auf jeden Fall aufs Gymnasium und dann Ärztin oder Astronautin werden.“ Das Abitur schaffte sie mit 18 Jahren. Der Traum von der Astronautin wandelte sich ins Fliegen können, was Alessandra Carella als Studentin mit dem Segel- und später auch Gleitschirmfliegen realisierte. Ärztin wurde sie von Berufswegen, und zwar Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie mit der Zusatzanerkennung Sozialmedizin.
„Nach dem Abitur war die Psychiatrie aber noch nicht in meinem Kopf. Eigentlich wollte ich Hautärztin werden oder in die Wissenschaft.“ Das Studium der Humanmedizin absolvierte sie in Frankfurt am Main. Für ein vierzehntägiges Praktikum, das sie während des Studiums absolvieren musste, suchte sie sich die Psychiatrie aus. „Ich dachte damals, welches der vielen Fachgebiet wirst du vielleicht nie mehr näher kennen lernen? Mir fiel die Psychiatrie ein.“
Das Praktikum wurde zu einem Wendepunkt, die Psychiatrie und Psychotherapie faszinieren sie bis heute. „Die Psyche des Menschen, die Störungen und Erkrankungen im psychischen Bereich, funktionieren auch nach Regeln und Strukturen. Man kann sie zwar nicht anfassen, aber sie erschließen sich einem auf einer wissenschaftlichen Basis und Erfahrung. Es geht um mehr als nur ein Gefühl.“ Doch vom Wunsch bis zum Job sollte es noch eine Weile dauern. „Damals studierten Ärzte noch in die Unsicherheit. Es war nicht sicher, einen Assistenzarzt-Platz zu finden, um seine Facharztausbildung auch antreten und abschließen zu können“, erinnert sich Alessandra Carella. Ihre erste Stelle als Ärztin nach dem Studium trat sie beim DRK-Blutspendedienst in Frankfurt an. Danach arbeitete sie als Anästhesistin im Nordwest-Krankenhaus und später als wissenschaftliche Assistentin in der Universitätspsychiatrie in Frankfurt am Main.
Für die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie absolvierte sie ihre Neurologie-Zeit am Städtischen Klinikum Höchst in Frankfurt am Main. Carella blieb mehr als zwei Jahre. „Das war eine anstrengende und sehr lehrreiche Zeit, damals noch mit 32-Stunden-Diensten und lebensbedrohlichen Situationen, die rasche Diagnostik und Entscheidungen forderten. Ich hatte gute Lehrer in meinem Chef und Oberärzten.“
Ihre erste Stelle als Psychiaterin trat sie danach im Philippshospital Riedstadt, ein Landeskrankenhaus des Landeswohlfahrtsverbandes (LWV), an. Zeitgleich beendete sie ihre Ausbildung zur ärztlichen Psychotherapeutin am Institut in Marburg-Kassel-Bad Zwesten im Psychotherapieverfahren Tiefenpsychologie.
Einen besonderen Lebensabschnitt bedeutete die Geburt ihres Kindes. Sie reduzierte ihre Arbeitszeit und arbeitete in der Psychiatrischen Ambulanz im Waldkrankenhauses Köppern. 1998 kamen der Wechsel in die Selbständigkeit und die Arbeit als Dozentin und Supervisorin in der Ausbildung zum Psychotherapeuten in der Wiesbadener Akademie für Psychotherapie.
Später nahm Alessandra Carella die Herausforderung an, in der familien- und traumaorientierten Helios Klinik in Diez wieder in einem Klinikbetrieb tätig zu werden. Weitere Erfahrungen aus dem familienorientierten psychosomatischen Reha-Bereich sowie einer psychosomatischen Suchtklinik in Thüringen, führten sie schließlich nach Schwalmstadt-Treysa an die Hephata-Klinik.
„Ich bin sehr offen und freundlich aufgenommen worden und fühle mich hier wohl. Zusammen mit den sehr engagierten Mitarbeitenden würde ich gerne das psychiatrische und psychotherapeutische Profil der Klinik stärken und an die heutigen Bedarfe anpassen. Wir sind für die Region, die umliegenden Behandler und die Patienten wichtig.“ Für sie sei es in der Psychiatrie und Psychotherapie wichtig, dem Patienten ein Verständnis für die eigene psychische Erkrankung und Störung zu ermöglichen – als eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung. „Dafür den Blick zu schärfen und den Patienten auf einer wissenschaftlich fundierten Basis zu behandeln, sind kein Widerspruch.“
Sie habe viele Ideen, die geprägt seien vom ganzheitlichen Blick auf den Patienten. „In der Psychiatrie, das aus meiner Sicht ganzheitlichste Fachgebiet der Medizin, lassen sich unter anderem gesellschaftspolitische, kulturelle, philosophisch-theologische, medizinisch-somatische, psychologische, pädagogische und wissenschaftliche Aspekte zum Wohle des Patienten verbinden“, so Carella. Besonders die Beziehungsaspekte in der Arbeit mit Patienten, das Reden und Zuhören, seien in der Psychiatrie und Psychotherapie bisher noch nicht durch andere Techniken oder durch Maschinen zu ersetzen.
Und wie sorgt sie für ihr eigenes Wohl? „Ich besuche gerne Konzerte und mache selbst Musik. Das entspannt mich und macht mir Freude.“ Außerdem ist Alessandra Carella gerne in der Natur und mit ihrem Hund unterwegs. Die Umgebung von Schwalmstadt kennt sie sogar schon ein bisschen. „Für mich ist Schwalmstadt, wenn man so will, auch ein wenig Heimat, denn in Ziegenhain auf dem Segelflugplatz habe ich meinen Mann kennengelernt, der bis heute aktiver Segelflieger ist.“ (pm)
Die Hephata-Klinik ist eine Fachklinik für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie mit Schlaganfall-Station in Schwalmstadt-Treysa. Unsere Klinik hat 93 Betten und behandelt im Jahr mehr als 2.600 Menschen stationär. Hinzu kommen eine Psychiatrische Tagesklinik mit 150 Patienten und eine Psychiatrische Institutsambulanz mit mehr als 4.600 Patienten jährlich. Wir bieten Spezial-Sprechstunden und Beratungen, beispielsweise für Epilepsie und Multiple Sklerose an. Unsere Klinik verfügt über ein Schlaflabor, einen Hubschrauber-Landeplatz, ein CT und ein MRT. In den Räumen unserer Klinik ist auch ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) für Neurologie zu finden. |
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