Thomas Hof und Welf Kerner beleben altes Amtsgericht
GUDENSBERG. Eine Ahle Worscht geklaut und es stellt sich heraus zu welch frevelhaftem und zweifelhaftem Spiel sie missbraucht wurde! Nicht zum Verspeisen jedenfalls. Ob Stracke oder Runde? Das will keiner wissen! Schmunzeln und verschämtes Gelächter im Gerichtssaal begleiten das Urteil: vier Wochen Fettenbrot statt Ahler Worscht!
Das ist hart! Härter als die Wurst… Schauspieler Thomas Hof, in Gudensberg vor allem als „Der Schmeckefuchs“ bekannt, und Welf Kerner hatten zu einem besonderen kulturellen Veranstaltung eingeladen. Das letzte vor Beginn des Lockdown Light. Was die beiden boten, war alles andere als Light! Die Protagonisten boten feinsinnigen Humor und jede Menge Improvisationstalent. Was Welf Kerner mit den Tasten und Knöpfen seines Akkordeons alles anstellen kann, ist in der Region bekannt und der Schauspieler Thomas Hof ist Meister des spontanen Theaters. Auf Zuruf entsteht praktisch ein ganzes Theaterstück, live und nicht light, feinsinnig und nicht stumpf.
Sünde für die Monster, Arrest für den Maßkrug!
Der Blumenmord an der Monstera im Wohnzimmer bleibt jedenfalls nicht ungesühnt. Samen ausbringen, tausendfach, so lautet die Strafe. Einen Maßkrug auf dem Fest gestohlen? Auch eine schwere Kindheit rettete den Schuldigen nicht. Den Maßkrug durfte er behalten, musste aber vier Tage Arrest absetzen! Die Strafen wurden früher gleich neben dem Gerichtssaal verbüßt. Gericht und Gefängnis waren einst das Gleiche. Die beiden Künstler hatten in das alte Gudensberger Amtsgericht eingeladen, das seit 60 Jahren bereits nicht mehr als solches genutzt wird.
Zur Wiederbelebung im Sinne seiner ursprünglichen Bestimmung waren etwa 20 Besucher gekommen, die alle ihre bisher ungesühnt Straftaten anonym auf einen Zettel schreiben durften. Jeder hat schon mal irgendetwas getan, was vor dem Gesetz nicht standgehalten hätte! Ihre Vergehen wurden nun endlich verhandelt, damit die Seele schließlich ihre Ruhe findet.
Kultur, Köstlichkeiten und Heimatkunde in „Hermanns Ruh‘“
Ein Hygienekonzept lässt sich zwischen Richtertisch, Anklagebank, Gerichtsfluren und Zellentrakt übrigens perfekt umsetzen. Geboten wurde Kultur vom Feinsten, kulinarische Köstlichkeiten nach Art des Hauses und eine ganze Menge Informationen über ein Gebäude, das alle Gudensberger von außen, aber – vielleicht „Gott sei Dank“ – nicht von innen kennen.
Hermanns Ruh‘, so nannten die Gudensberger einst ihr kleines Gefängnis im Amtsgericht. Der Hermann, nach dem es benannt wurde, hatte seinerzeit den Bürgermeister beleidigt. Nicht aus Hass, wie man das heute so macht. Aber er fand in der Zelle anschließend ein paar Tage Ruhe. Dort war geheizt, gab es zu essen und eben keinen Stress.
Nur eine Zelle für Frauen
Sechs Zellen, fünf für Männer, eine für Frauen hatte das Justizamt, wie es in der Landgrafschaft Kurhessen und später im Königreich Preußen noch hieß. Bis 1943 hatte Gudensberg ein selbstständiges Amtsgericht, dann wurde es Zweigstelle von Fritzlar, wo dann in den Sechzigerjahren bereits alle Verfahren geführt wurden. Der Architekt Hermann Schwabe verliebte sich 1975 als Architekturstudent in das inzwischen leer stehende Gebäude und rettete es vor dem drohenden Verfall. Das erste große Projekt als Planer war also das eigene Haus, welches er 1977 erwarb und noch als Student renovierte.
Hermann Schwabe erzählte die alten Anekdoten aus dem Gericht und aus der Zeit des Umbaus, auch dass er selbst sein erstes Gerichtsverfahren wegen dieses Gebäudes hatte führen müssen. Mit dem Finanzamt war er wegen der Grunderwerbsteuer in Streit geraten und hat damals vor Justitia bestanden. Den Denkmalschutz musste er beim Umbau noch nicht beachten, die damalige Konservatorin, Frau Thiersch, hat ihn aber gelobt und das Gebäude danach unter Denkmalschutz gestellt. Seit mehr als 50 Jahren nun wohnt Familie Schwabe im Gericht und auch das Planungsbüro hat dort genügend Platz, weil Schwabes dann bald auch angebaut haben. Nicht nur die Zellen, auch so ein Gericht ist schnell zu klein… (Rainer Sander)