TREYSA. Kein roter Faden, sondern ein rotes Netz zog sich durch das 14. Forum Diakonische Kirche am Mittwoch. Mitgebracht hatte das Netz die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), Prof. Dr. Beate Hofmann. Sie hielt auch den Impulsvortrag zum Thema „Sorgenetze knüpfen“.
Das Forum stand unter dem Motto „Gemeinwesen gemeinsam gestalten“ und fand zum ersten Mal digital statt. Anstatt der sonst üblichen 100 Gäste, waren aus Infektionsschutzgründen nur 20 in den Hephata-Kirchsaal gekommen. Weitere 100 hatten sich per Live-Stream zugeschaltet. Pfarrer Dierk Glitzenhirn, Leiter des Evangelische Forums Schwalm-Eder, moderiete die zweistündige Veranstaltung. Daran nahmen neben Bischöfin Hofmann auch Carsten Tag, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen, und Karl-Christian Schelzke, langjähriger geschäftsführender Direktor des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, teil.
Bischöfin Hofmann widmete sich dem Thema: „Sorgenetze knüpfen“. Dazu hatte sie ein rotes, geknotetes Netz mitgebracht, ein Geschenk, das sie zu ihrem Impulsvortrag inspiriert hatte: So, wie das Netz von vielen Knotenpunkten gehalten wird, so braucht ein stabiles Gemeinwesen viele regionale Akteure, die kooperieren. Zwei davon seien Kirche und Diakonie, ein weiterer die Kommune – aber auch Familie, Nachbarn, Ehrenamtliche, Vereine und Fachkräfte.
Jedoch würden aktuell Modelle der Zusammenarbeit verschiedener Akteure politisch nicht gefördert. Das ökonomisierte Modell von Pflege mit standarisierten Pflegeschemata ignorierte sogar andere Sorgeformen. „Die Kirche ist präsent in der Fläche. Sie bietet Begegnungsmöglichkeiten, gute Strukturen von Hauptamtlichen, die koordinieren können. Sie hat eine große Anzahl von Ehrenamtlichen und ist verknüpft mit der organisierten Diakonie. Kirche ist ein Vertrauensplayer – aber nicht der einzige. Es geht um geteilte Verantwortung.“
Als ein gelungenes Beispiel nannte sie ein Projekt der Nachbarschaftshilfe aus den Niederlanden. Dort beginne die Sorge nicht mit einer Einstufung in einen Pflegegrad, sondern mit einer Tasse Kaffee. Mitarbeitende prüften, welche Unterstützung durch Ehrenamtliche und welche durch Fachkräfte geleistet werden müsste. Etwas Ähnliches habe es bereits in Deutschland mit der Gemeindeschwester schon einmal gegeben. Diese habe als sozialraumkundige Pflegekoordinatorin Vernetzung, Entlastung, Unterstützung und Koordination von Sorge für und mit Menschen übernommen. Beate Hofmann: „Wir wollen als EKKW die Anstellung von Freiwilligen-Koordinatoren unterstützen. Doch das Spannende an solchen Netzen ist, dass es von jedem Knoten aus geknüpft werden kann. Wir müssen mit und nicht nur für die Menschen Sorgenetze knüpfen.“
Ein Aspekt, den Carsten Tag, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen, aufgriff: 44.000 Hauptamtliche und über 50.000 Ehrenamtliche seien für die Diakonie Hessen tätig. Kirche und Diakonie seien zivilgesellschaftliche Akteure, die den Staat unterstützen müssten.„Wir wollen nicht nur als Akteur im sozialpolitischen Raum agieren, um Menschen für uns zu gewinnen, sondern um Vertrauen zu übernehmen. Wir wollen miteinander ein Netz knüpfen, um füreinander einzustehen.“
Tag nannte als ein gutes Beispiel das im Januar gestartete Projekt „Dörfer mit Zukunft“. Die Diakonie Deutschland hat das Projekt gemeinsam mit der Nachbarschaftsplattform nebenan.de im ländlichen Raum initiiert (https://www.diakonie-kennenlernen.de/doerfer-mit-zukunft/). Ziel des Projektes ist es, einen digitalen Dorfplatz zu schaffen, die persönliche Begegnungen, Nachbarschaftshilfe und ehrenamtliches Engagement fördert. Carsten Tag: „Es gibt noch freie Mittel, Sie müssten nur bis zum 15. November Interesse signalisieren.“
Karl-Christian Schelzke, ehemaliger geschäftsführender Direktor des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, stellte den Bürgermeister einer Kommune als wichtigen Akteur eines Sorgenetzes heraus: „Er wird nicht abgelehnt. Im Rathaus gibt es immer die Möglichkeit, Gespräche zu beginnen.“ Er schlug beispielsweise Runde Tische oder Stammtische unter Regie des Bürgermeisters vor. Schelzke betonte die Wichtigkeit von Wertschätzung, die Ehrenamtlichen zuteilwerden müsste, auch in Form eines Dankeschöns der Politik. Er regte aber auch an: „Ehrenamtliche sollten ihre Hilfe nicht als Pflicht verstehen, sondern auch als Chance für sich selbst.“
Hephata-Vorstand Pfarrer Maik Dietrich-Gibhardt fasste das Forum in seinem Schlusswort so zusammen: „Gehen wir aufeinander zu, um das Gemeinwesen gemeinsam zu gestalten. Bleiben Sie engagiert, bleiben Sie gesund, bleiben Sie zuversichtlich.“