KASSEL. Die MT Melsungen hat ihren Heimauftakt in die Bundesliga-Saison 2020/21 gegen den TBV Lemgo Lippe mit 27:21 (13:8) gewonnen und damit den Auftaktsieg in Balingen direkt veredelt.
Vor 1.546 Zuschauern in der Kasseler Rothenbach-Halle diktierten die Nordhessen fast über die komplette Spielzeit das Geschehen, leisteten sich aber direkt nach der Pause einen kleinen Einbruch. Der jedoch folgenlos blieb, weil mit Nebojsa Simic der Mann des Tages im Melsunger Tor stand. Im Feld glänzten Julius Kühn mit acht Toren sowie Domagoj Pavlovic als umsichtiger Spielmacher, der selbst noch sechs Tore beisteuerte. Beste Schützen auf Lemgoer Seite waren Jonathan Carlsbogard und Bjarki Mar Elisson, die ebenfalls sechsmal erfolgreich waren.
Eine nicht zur Hälfte gefüllte Halle. Früher ein Indiz für zumeist weniger gute Performance der Mannschaft, heute dagegen imponierender Nachweis sehr gut erledigter Arbeit in Sachen Hygienekonzept und pandemiegerechter Vorbereitung der neuen Saison – und damit die Grundlage für glänzende Handballstimmung von der ersten Minute an. Die leider erst einmal insofern verpuffte, dass Gideon Guardiola Kai Häfners ersten Wurfversuch blockte, Peter Johannesson den sofort gestarteten Bjarki Mar Elisson bediente und damit die Vorlage zum 0:1 lieferte (1.). Fehlstart also für die MT? Mitnichten, denn Timo Kastening und zweimal Julius Kühn drehten den Rückstand sofort in eine 3:1-Führung (5.).
Lemgo blieb aber noch in Reichweite. Glich nicht nur durch Isaias Guardiola wieder aus, sondern konterten auch Kühns bereits dritten Treffer. Eine Glanzparade von Nebojsa Simic gab das Signal zum nächsten rot-weißen Zwischenspurt. Wieder mit zwei Kühn-Toren zum 6:4 (11.). Keine Frage, die Anfangsphase gehörte nun doch recht eindeutig den Hausherren, die mit einer konzentrierten Deckungsarbeit jeweils den Grundstein für folgende eigene Angriffe legten. Immer wieder unterstützt von Simic, der gegen Bobby Schagen schon seinen vierten Ball parierte, was diesmal jedoch ausnahmsweise nicht im nächsten Torerfolg endete. Ganze sechs Minuten passierte gar nichts mehr, dann traf Jonathan Carlsbogards zum 6:5, unmittelbar gefolgt von Kai Häfners Wiederherstellung des alten Abstandes (7:5 (18.).
Die Stärke der MT lag in der Breite. War es zu Beginn eher Timo Kastening über links, auf den sich die Lemgoer Deckung dann auch konzentrierte, wurde nun auch Yves Kunkel auf links gesucht – und gefunden. Mustergültig freigespielt gelang ihm das 10:6 (23.). Auch das 11:7 ging per Tempogegenstoß auf ihn. Lemgo biss sich ein ums andere Mal die Zähne aus am Melsunger Abwehrriegel, geriet in nahezu jedem Angriff ins passive Spiel und leistete sich dann, unter Druck, Ballverluste. Nutznießer waren Domagoj Pavlovic und Julius Kühn, die bei einem der selten gewordenen Gegentreffer durch Kreisläufer Marcel Timm bis zur Pause auf fünf Tore Differenz erhöhten.
In unveränderter Besetzung kam die MT nach der Halbzeit zurück aufs Feld. Eigentlich mit der gleichen Bissigkeit in der Deckung sowie einem Nebojsa Simic im Tor, der sein persönliches Paraden-Konto sofort weiter aufstockte. Dann aber dennoch nicht verhindern konnte, das Jonathan Carlsbogard als erster Torschütze des zweiten Durchgangs in der Statistik landete. Bjarki Mar Elisson schloss sich per Siebenmeter an. Arnar Freyr Arnarsson musste für zwei Minuten runter und Carlsbogard nutzte den nächsten gewonnenen Ball zum 13:11 über das gesamte Feld ins verlassene MT-Tor. Direkt danach fast die gleiche Situation, die der zurückeilende Simic gerade noch entschärfen konnte, gegen den Nachwurf von Elisson war er machtlos – 13:12 (36.) und der Fehlstart der Rot-Weißen in die zweite Hälfte war perfekt.
Als Domagoj Pavlovic mit dem 14:12 der nächste Melsunger Treffer gelang, waren schon mehr als sieben Minuten wieder gespielt. Die nächste Zeitstrafe, diesmal gegen Tobias Reichmann, verkraftete die MT wesentlich besser. Julius Kühn und Timo Kastening sorgten für Entlastung, so dass Bobby Schagens Tor über Rechtsaußen wenig ins Gewicht fiel. Zumal sich Marino Maric mit einem Zaubertor unter härtester Bedrängnis in die Liste eintrug. Gefolgt von Pavlovic, der bereits zum vierten Mal netzte: 18:14 (43.). Zwischen all diesen Erfolgserlebnissen in der Offensive wusste sich einer defensiv besonders in Szene zu setzen: Nebojsa Simic hielt seine Quote konstant bei über 40% gehaltenen Bällen: Weltklasse!
Aber nicht nur aus dem Feld heraus und mit Unterstützung der Mannschaftskollegen wusste der Montenegriner zu glänzen. Zweimal hatte er zuvor das Nachsehen gegen Bjarki Mar Elisson von der Siebenmeterlinie, den dritten Versuch fischte er ihm weg (47.). Mit der weiteren positiven Ausgestaltung des Ergebnisses allerdings haperte es ein wenig, weil für kurze Zeit mit Fin Lemke und Arnar Freyr Arnarsson der Innenblock durch Strafen aus der Partie genommen war und vorn mit zwei Mann weniger die Ballsicherheit im Vordergrund stand. Wieder vollzählig, baute Kai Häfner auf 22:16 aus (51.).
Lemgo hatte längst alles auf eine Karte gesetzt und zeitweise auf eine offensive 5:1-Deckung umgestellt. Mit dem Erfolg, dass Lukas Zerbe einen abgefangenen Ball per Gegenstoß zum 22:18 verwertete (52.). Die zweite verzweifelte Maßnahme, der Tausch eines siebten Feldspielers für Keeper Peter Johannesson, ging indes nach hinten los. Zweimal führten Ballgewinne durch bedachtes Vorwärtsspiel zum Erfolg, einmal traf Julius Kühn aus der eigenen Hälfte ins verlassene Lemgoer Tor (25:18, 54.). Als dann noch Simic sensationell gegen Isaias Guardiola parierte, war es um die ostwestfälische Gegenwehr geschehen. Der Rest der Partie geriet trotz abschließender Resultats-Kosmetik der Gäste zum Schaulaufen der MT unter „Simo, Simo“-Sprechchören des begeisterten Publikums, das glücklich war – über das klare Ergebnis ebenso wie über die vorangegangene Arbeit der gesamten MT-Familie, die den angesichts der Umstände so zahlreichen Besuch dieser Partie überhaupt erst möglich gemacht hatte.
Stimmen zum Spiel
Das war nicht einfach. Aber wir haben von Anfang an eine gute Abwehr gespielt und dahinter war mit Nebojsa Simic ein überragender Torhüter. Deshalb haben wir in der ersten Halbzeit auch nur acht Tore kassiert. Allerdings fand ich, dass auch Lemgo hinten gut gespielt hat. In der zweiten Hälfte gab es dann eine Phase, in der wir nicht gut waren. Das war ein 0:4 und Lemgo war plötzlich wieder dran. Dann aber haben wir unsere Linie wieder gefunden. Eigentlich bin ich richtig zufrieden, denn gegen Lemgo müssen wir immer aufpassen. Ganz dankbar bin ich für die Zuschauer und deren Unterstützung. Da hat unser Verein sehr gute Arbeit gemacht.
Gudmundur Gudmundsson
Glückwunsch an die MT und an Gudmi. Melsungen hat das Spiel über die Abwehr gewonnen und über ihre individuelle Qualität. Bis zum 6:5 konnten wir noch dagegen halten, dann haben wir uns ein paar technische Fehler geleistet und mussten sie wegziehen lassen. In die zweite Halbzeit kamen wir gut rein und waren auch bis zum 14:13 voll dabei. Dann muss ich mir selbst ankreiden, vielleicht etwas zu spät auf die Variante 7 gegen 6 gegangen zu sein. Wir wussten, dass das ein Mittel gegen Melsungen sein kann. Positiv ist anzumerken, dass sich die Mannschaft selbst bei minus neun nicht aufgegeben und weiter um jedes Tor gekämpft hat. Aber wir sind vorher nicht gut genug mit unseren Chancen umgegangen und sonst kann ich der Mannschaft keinen großen Vorwurf machen. Gefreut habe ich mich, dass hier so viele Zuschauer in die Halle durften.
Florian Kehrmann
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie viele Bälle ich heute gehalten habe. Ich zähle nicht mit. Wir haben das Spiel genau so erwartet, wie es gelaufen ist. Nach der Partie war ich überrascht, dass nur knapp 1.600 Zuschauer da waren. Da kam so viel Energie zu uns rüber, als wären es viel mehr. Ich hatte einen guten Tag und bin mit meiner Leistung richtig zufrieden. Jetzt hoffe ich, wir bleiben auf diesem Weg nach vorn. (pm)
Nebojsa Simic