Open Stage auf der Märchenbühne war letzte Veranstaltung 2020
GUDENSBERG. Alles hat ein Ende, aber jedes Ende ist auch ein Anfang. Alles seine Zeit und man kann die Gegenwart nur so nehmen und nutzen, wie sie ist. In genau drei Monaten – vom 12.6.2020 bis 12.9.2020 – auf der Märchenbühne war genau das zu erfahren.
Neustart dank Melanie Röder, Thomas Hof und Andreas Olbrich
Vieles hat die Corona-Pandemie verändert, kaum etwas so anhaltend und existenziell wie die Kunst- und Musikszene. Der Schauspieler und Pädagoge Thomas Hof (Schmeckefuchs) und Melanie Röder, Mitarbeiterin der Gudensberger Kultur-Abteilung, haben unmittelbar nach den ersten Lockerungen die Initiative ergriffen und für die Märchenbühne in Gudensberg begonnen ein Corona-Konzept zu stricken. Unterstützt wurden sie von den Ehrenamtlern Andrea Seil, Erika Mlitzge, Regina Betzing, sowie Hans und Ursula Voigt. Bürgermeister Frank Börner hat von Anfang an unterstützt und war auch gestern Abend an der Bühne.
Den Faden haben viele aufgegriffen und eine Menge Programm hat sich entwickelt. Selbstverständlich gehört dazu auch das veränderte Setting für die Open Stage, ein Dauerbrenner im Gudensberger Kulturprogramm. Hier treffen ehemalige und aktuelle Vollprofis mit talentierten (noch) Amateuren, stehen zusammen auf einer Bühne, wechseln sich ab und schaffen jedes Mal eine andere Atmosphäre, ein neues Programm und für die vielen Freunde der Veranstaltung schöne und unvergessliche Momente. Oft sind es die Überraschungen, wie unerwartete Künstler, die für das I-Tüpfelchen sorgen und Momente einmalig machen.
Überraschung aus der Hauptstadt: Leya Valentina
Auch wenn Corona noch nicht vorüber ist, so geht doch der Sommer zu Ende und die Abende werden kühler. So findet die Saison im Stadtpark ihr natürliches Ende, aber Organisator Andreas Olbrich (Oli) ist sicher, dass es auch 2021 weitergeht. Das kann auch gar nicht anders sein. In der zweiten und letzten Ausgabe für 2020 standen (fast) nur Wiederholungstäter auf der Bühne. Mit einer spannenden Ausnahme: „Leya Valentina“. Die 22-jährige Berlinerin, Songwriterin, Sängerin, Gitarristin, hatte auf der Suche nach Auftrittsmöglichkeiten einfach mal den Begriff „Open Stage“ gegoogelt und war auf Gudensberg gestoßen. Ein Beweis für das funktionierende Online-Marketing der Stadt Gudensberg, aber auch dafür, dass die Bühne und vielleicht genau diese Veranstaltung eine besondere Strahlkraft entwickelt haben.
„Wenn Du wüsstest, wie oft ich an Dich denke … wie sehr ich viel zu oft an dich denke … wie oft ich nach dir suche … eine Nachricht reicht und mein Tag ist schön … wenn ich Dich einmal sehe, bleibt nicht nur mein Herz, sondern die Zeit kurz stehen …“ In ihren Liedern versteckt sich viel Gefühl, singt authentisch und mit Charme, versteht es mit dem Publikum zu spielen und liefert für ihre 22 Jahre eine erstaunliche Menge an Lebensweisheiten: „Aber wem musst Du das eigentlich beweisen?“ Fragt sie in einem ihrer Texte. Ein bisschen passt die Botschaft auf die Zeit, auf die Veranstaltung und die gesellschaftliche Herausforderung: „Vielleicht musst Du es niemandem beweisen, wenn Du Dich selber hältst…
Tragende Wände in oder statt Ruinen
Mit 22 Jahren erstaunt sie nicht nur als Künstlerin, sondern ist auch (haupt-) beruflich schon erfolgreich und versteht es, sich selbst zu halten. Mit abgeschlossenem Ingenieur-Studium ist sie als Projektleitern im Bau für Millionen-Investitionen verantwortlich.
Eines ihrer wichtigsten Lieder: „Enttäuscht“. Die Maske hält, ich hab mich selbst schon lang nicht mehr gesehen“, erzählt sie von einer „tragenden Wand“ in einer Ruine, „die uns hält“. „Sag mir, dass ich Dich enttäuschen darf … dann weiß ich, dass nicht mehr lügen muss!“ Dieses Jahr hat sie sich getraut eine CD zu veröffentlichen und bereits Lob von der Bezirksbürgermeisterin erhalten. Alles andere als eine Enttäuschung! Wo sie ihre Botschaften herholt? Vielleicht die gute Beobachtungsgabe für meine Umfeldkonflikte, sagt sie im Gespräch nach dem Auftritt.
Lieder, Gedichte und Tribute
Für den schwungvollen Start sorgten Gastgeber Olli zusammen mit Frank und Markus unter dem „Moonshadow“ oder als „Englishman in New York“.
Philip Althof begeisterte einmal mehr Piano und mit Gesang. Den Film Rocket Man hatte er gerade gesehen, sich von Elton John inspirieren lassen und sich spontan für ein Tribute des großen Meisters angemeldet.
Allhard Bischof, Altmeister der nordhessischen Musikszene war zum zweiten Mal mit Musik, vor allem aber Gedichten auf der Bühne und erzählte vom Eheleben, vom Hering, der schwimmt und nicht gegessen werden soll, von Schrauben, Sägen und Dübeln für ein Hochbeet, welches er der Ehefrau live im hr Fernsehen gebastelt hat. Dort ist es in der kommenden Woche zu sehen.
Die Happy Ukuleles, Babs und Mike Brundig glänzten zum zweiten Mal mit Ukulele und Bass-Ukulele, verstärkt mit Percussion. Es war reichlich Bewegung in der Musik und in den Songs: „Get Up, Stand Up“, „Boots Are Made For Walking“, oder „Ich will keine Schokolade“.
Es gibt schon Spekulatius, aber ich bin eigentlich schon bei Ostern…
Weit über die Region hinaus bekannt als Liedermacher ist Thomas Frankfurth. Er versteht es nicht nur in Texten offene und versteckte Botschaften zu erzählen, sondern mit virtuosem Gitarrenspiel kleine Kunstwerke zu schaffen, die den Gedanken und Emotionen im Publikum Flügel verleihen. Selbst wenn die künstlerische Fantasie mal Kaninchen und Flamenco aus dem Lostopf zieht und musikalisch zusammenführt. Erstaunlich, über was man so nachdenken kann, wenn man Thomas Frankfurth heißt: Die Arche hat ein Amateur gebaut, die Titanic Profis. Ein Anachronismus gefällig? „Es gibt schon Spekulatius, aber ich bin eigentlich schon bei Ostern…“ Und genauso um diese Zeit wird es weitergehen auf der Märchenbühne und vielleicht mit der Open Stage. (Rainer Sander)