Unversöhnlichkeit in der Sportstadt Baunatal?
BAUNATAL. Ein wahrhaft himmlischer Streit tobt – schwer versöhnlich – in der Sportstadt Baunatal um einen Freizeit-Basketballplatz. Es ist kein richtiger Sportplatz und auch kein ausgewiesenes Partygelände, jedenfalls entspricht kein kaum ein eingezeichnetes Spielfeld – auch nicht das Basketballfeld –, der Norm- oder Regel-Größe für irgendeine Sportart.
Von der „Sport-Shisha“ bis zum „Sport-Grill“ ist alles möglich
Es ist also einfach ein Freizeit-Sportfeld, auf dem alle aus der Nachbarschaft, (theoretisch) vom Kinderwagen bis zum Rollator spielen, Sporttreiben, sogar Yoga machen oder im Sonnenaufgang meditieren können und manche finden es auch schön, dort die „Sport-Wasserpfeife“ zu rauchen oder den „Sport-Grill“ anzuwerfen und dazu den „Sport-Ghetto-Blaster“ dröhnen zu lassen. Nicht alles, was geht, ist auch erlaubt und nicht alles was erlaubt ist, kommt bei allen gleichermaßen gut an.
Diese Erfahrung mussten einige junge Männer, teils Vereins-Sportler, teils Freizeitsportler machen, als ihre Basketballkörbe plötzlich weg waren. Die hat der Bauhof der Stadt Baunatal abgeschraubt. Nicht etwa zum Spaß – mit dem „Sport-Akku-Schrauber“ – die Körbe sind in den Sportgeräte-Himmel gekommen, um dort zu bleiben. So kehrt alles dorthin zurück wo es herkam – denn am 8. Tag schuf Gott den Basketballplatz – oder? Der Diskussion nach jedenfalls hat es den Platz neben der KSV-Sportwelt schon immer gegeben und ist er in seiner Zweckbindung (mindestens) bis zum Weltuntergang festgeschrieben – oder?
Zur Chronologie:
Bei Stadtgründung und das liegt erst eine Generation zurück, weideten auf dieser Fläche genauso Kühe (oder wuchsen Kartoffeln), wie dort, wo jetzt das Rathaus, die Rundsporthalle oder das Parkstadion stehen. Keine Stadt ist so jung und so wenig mit Traditionen belastet, wie Baunatal. Mit Entstehen des Sportparks in Baunatal wurde unweit der Max-Riegel-Halle und der alten Theodor-Heuss-Schule ein Basketballfeld errichtet.
Als vor fast zehn Jahren der KSV Baunatal seine Sportwelt, das vereinseigenen Fitnesszentrum errichtete, standen auf diesem Platz die Baumaschinen. Er war längst komplett verschwunden und hätte das auch bleiben können. Ein Parkplatz wäre eine Alternative gewesen. Weil das Gelände städtisch ist, erinnerte der Magistrat den Verein nach Abschluss der Bauarbeiten daran, den Basketballplatz wiederherzustellen und beide schlossen darüber einen Vertrag. Im Bebauungsplan ist allerdings lediglich ein Ballsportplatz festgeschrieben. Das könnte nun juristisch wichtig werden…
Kleiner, aber feiner? Vom Sportgelände zum Wohngebiet
Für ein Wiederherstellen in ursprünglicher Größe reichte die Fläche allerdings nicht mehr. So entstand der Freizeitplatz. Richtiger Basketball verlangt 28 Meter Länge, da sind die „Korbballer“ ziemlich „linientreu“, deshalb wird im Streetball nur auf einen Korb, 3 gegen 3 gespielt, aber so richtig festgeschriebene Regeln gibt es nicht.
Irgendwann verschwand die Theodor-Heuss-Schule und an ihrer Stelle entwickelte Baunatal ein Baugebiet, in dem laut Bauleitplanung ein hoher Anteil an barrierefreien und behindertengerecht Wohnungen realisiert wurde. Nachdem die Koexistenz ein paar Jahre funktioniert hat, kam es jetzt vermehrt zu Anfragen und Beschwerden seitens der Anwohner gegenüber der Stadt, weil auf dem Platz inzwischen auch Shisha-Partys stattfanden, Grillfeten gefeiert wurden und eine vermehrte Nutzung mit Basketballspielen bis Sonnenuntergang beobachtet wurde.
(K)eine Alternative am Second Home (Jugendzentrum)?
Die Verwaltung reagierte ordnungspolitisch, schraubte die Basketballkörbe nach dem Versuch alle Seiten zu hören, was während Corona nicht ganz leicht gewesen ist, ab und verwies auf einen weiteren Basketballplatz, der – tatsächlich – genau als Ersatzplatz für den verloren gegangenen Platz an der Sportwelt am Second Home, einst errichtet worden war. In Originalgröße! Die wollen einige Jugendliche aber gar nicht, andere schon und damit ist bereits innerhalb der Nutzerschaft ein Konflikt vorhanden. Die bisherigen Nutzer wollen keine Vertreibung dulden, die Partei Bündnis 90/Grüne fordert die sofortige Wiederherstellung des alten Zustandes und die Anwohner möchten das Plopp, Plopp, Plopp, Rassel, Plopp nicht mehr hören. Und schon wird es schwierig…
Auf einer vom Magistrat eingeladenen Versammlung mit Anwohnern und Nutzern des Platzes am gestrigen Abend, mit dem Ziel einer Lösungsfindung, wurde von den Anwohnern geschildert, dass nicht die Korbwürfe das Problem sind, sondern das Dribbeln auf dem Platz, vor allem dann, wenn mehrere Bälle gleichzeitig im Einsatz sind. Viele wollen ihren Namen nicht erwähnt wissen, es hat bereits ein Drohschreiben gegen die Bürgermeisterin gegeben. Deshalb nennt nh24 der Einfachheit halber gar keine Namen der beiden Konfliktparteien. Die Spieler oder Nutzer beklagen, dass der Platz am Second Home auch von anderen genutzt wird, vor allem aber der Zaun nicht am Spielfeldrand verläuft, sondern inzwischen Büsche drumherum gewachsen sind, der Platz Gefälle habe und die Körbe nicht gleich hoch sind.
Ein paar Fakten, die zum Handeln helfen
Bauamtsleiter Uwe Schenk erklärte gestern Abend das Problem. Der Boden ist auf beiden Plätzen – zumindest aus heutiger Sicht – nicht optimal. Ein weicherer Boden würde weniger Krach machen, wäre aber auch schwerer zu bespielen. Das Gefälle auf dem Alternativ-Platz beträgt ein Prozent und das sei bei Außenplätzen deshalb so, damit die Bildung von Pfützen vermieden wird. Sogar zwei Prozent wären nach dem Regelwerk des Basketball-Bundes erlaubt. Auch der Platz an der Sportwelt hat Gefälle, allerdings nach beiden Seiten und deshalb macht es sich optisch nicht bemerkbar. Ein neuer Belag würde knapp 70.000 € kosten, ein neuer Lärmschutz-Zaun 20.000 €. In der Summe also 90.000 €. Auch dann würde man aber in den oberen Etagen den Krach immer noch hören.
Ein paar Emotionen, die zum Verstehen helfen
Wer den Diskussionen um einen „Freizeit“-Basketballplatz in der Sportstadt Baunatal folgt, muss sich gerade die Augen reiben genauer gesagt die Ohren. Einmal, weil es um Lärm geht, zum anderen, der Argumente wegen: „Sie wussten genau, wo sie bauen und dass dort ein Basketballplatz war!“. „Wenn Sie Lärm im Wohnzimmer hören, dann sind das Baumängel am Haus!“ „Lärm von Sportstätten ist hinzunehmen (mit Zitat eines Gerichtsurteiles)“, „Basketballer machen keinen Lärm, ich habe selber Basketball gespielt“, „ich gehe da öfter vorbei, da spielt selten jemand“, „das Gebüsch am Alternativ-Platz ist eine Gefahrenquelle, wenn man Bälle herausholen muss!“
So lauten die Argumente der Nutzer des Platzes und der Fraktion der Grünen, die fast in Fraktionsstärke gestern Abend angetreten war. Der Fraktionsvorsitzende Edmund Borschel unterstellt den Anwohnern bei Zeit- und Stundenangaben zu lügen, „bitte nennen Sie eine realistische Zahl!“ Wer die parallel laufende Diskussion um den Lärmanstieg in Baunatal nach Endausbau der A 49 verfolgt, dürfte gespannt sein, ob die Argumentation seiner Partei zum Lärm so bleibt oder sich dann ändert.
Baunatal im Kommunalwahl-Modus
Das eine Problem tangiert aber vor der Kommunalwahl 2021, das andere erst nach der nächsten Landtagswahl. Was ist eigentlich das Thema? Es geht um ein paar Jugendliche, die Spaß haben wollen und sich bewegen möchten. Es gibt ein paar Anwohner, die sich gestört fühlen und keine dauerhafte untypische Lärmbelästigung erdulden möchten. Es gibt einen Platz, der gar kein Sportplatz ist, dafür 34 andere Sportplätze in Baunatal, die allerlei Möglichkeiten bieten, worauf Christian Strube (SPD) noch einmal hingewiesen hat. Die Alternative ist noch nicht fit, aber sie ließe sich mit günstigeren Mitteln ertüchtigen, als den bisherigen Platz umzubauen. Frank Eskuche (CDU) möchte gerne selbst hören, wie laut es ist.
Maße sind Maße…?
Dass Männer und Frauen unterschiedliche Empfindungen bei Längenmaßen haben, ist hinlänglich humorvoll beschrieben. Für die Basketballspieler ist der Zaun zehn Meter vom Platz entfernt, für Bürgermeisterin Silke Engler vier Meter. Das Luftbild zeigt: es sind vermutlich vier Meter von der Platzbegrenzung aus, sehr wohl aber zehn Meter von der Basketball-Linie. An einer Seite gibt es gar keinen Zaun. Irgendwie haben beide recht. Das Problem ist die Schwierigkeit, sich in die „Gegenüber“ vollständig hineinzuversetzen. Fakt ist, dass inzwischen Büsche gewachsen sind, diese würde der Bauhof aber zurückschneiden.
Da gibt es keine Lösung? Silke Engler, versuchte als Bürgermeisterin die Moderationsrolle einzunehmen und verschiedene Varianten von den Konfliktparteien bewerten zu lassen.
KSV Baunatal soll jeden Tag Körbe an und abschrauben?
Vorschläge für Varianten gibt es viele:
- Es wird sofort der alte Zustand wiederhergestellt, die Körbe werden wieder angeschraubt
- Der Platz an der Sportwelt wird komplett umgebaut. Angesichts der Haushaltslage ist die Zustimmung in der Stadtverordnetenversammlung nicht sicher.
- Es gibt eine zeitliche Begrenzung für das Basketballspiel. Stadtverordnetenvorsteher Henry Richter schlägt vor, die Körbe zu verriegeln, das könne im Zweifel der KSV Baunatal jeden Tag übernehmen und die Streetworker nehmen sich des Themas an.
- Es bleibt bei der jetzigen Regelung, der alte Platz so wie er ist und der andere Platz wird als neuer Platz entsprechend verbessert
- Als zusätzliche Varianten wird ins Spiel gebracht, die zwei abgeschraubte Körbe zusätzlich am Second Home anzubringen, damit dort mehr Streetball-Sportler spielen können.
Ob die gut artikulierenden Jugendlichen ein Fall für die öffentliche Jugendhilfe (Streetwork) sind? Eine Lösung, die so oder so Personal verursacht, stellt Silke Engler infrage. Sie hofft auf eine Einigung unter den Konfliktparteien und weder auf eine politische noch eine juristische Lösung.
Streetball oder Streetfight?
Vielleicht sollte man einmal zurückschauen, wo der Begriff Streetball eigentlich herkommt. Ohne die Regeln des Vereinssports oder der bürgerlichen Ordnung, haben Kinder und Jugendliche aus dicht besiedelten amerikanischen Großstädten angefangen, Basketball zu spielen. Es wurden Plätze irgendwo auf der Straße, mitten in Wohngebieten eingezäunt und von Jugendlichen in Besitz genommen. Ganz bewusst ohne Wasserwaage, Zollstock und Regelwerk. In Baunatal wird mit Zollstock, Wasserwaage und Lärmschutzverordnung um einen Streetball-Platz gekämpft – Wow!
Unter den Konfliktparteien deutete sich nach Abfrage von Silke Engler beiderseitiges einlenken an, auch wenn zunächst alle auf ihren Positionen beharren. Wer möchte schon sein Gesicht verlieren? Darüber ein bis zweimal Schlafen hilft? Die Spieler wissen, dass auch der Alternativplatz nicht nur schlecht ist und durchaus hergerichtet werden kann, die Anwohner können sich mit bestimmten Uhrzeiten und Regeln auch anfreunden. Damit haben sie vor der plötzlichen Zunahme von Aktivitäten auch jahrelang gelebt.
Politische, juristische oder vernünftige Lösung?
Für Edmund Borschel (B90/GRÜNE) zählt zunächst nur die Wiederherstellung des alten Zustandes, er möchte prüfen, ob die Verwaltung überhaupt berechtigt war die Körbe abzuhängen und argumentiert unüberhörbar Richtung rechtlicher Überprüfung.
Wer schon einmal einen Streit über Schallschutz mitverfolgt hat, weiß, dass die Streitparteien selbst überhaupt keine Beweise liefern können. Ein gerichtsfestes Schallschutzgutachten wird nicht unbedingt mit Messungen untermauert, sondern in erster Linie berechnet, denn Schall ist eine sehr physikalische Angelegenheit und es gibt kein Gewohnheitsrecht auf Lärm. Dafür gibt es Fachbüros und am Ende entscheiden Gerichte. Das Ziel ist offensichtlich eine gerichtliche Auseinandersetzung mit Dienstaufsichtsbeschwerde für die Bürgermeisterin und damit ein Verfahren, das die nächste Kommunalwahl erreichen oder überleben wird. Ob die Betroffenen bis dahin noch Lust haben, Basketball zu spielen, weiß niemand… Aber dann sind alle vor Gericht wieder in Gottes Hand und vielleicht entscheidet sich Gott diesmal für einen Volleyballplatz. (Rainer Sander)
1 Kommentar
Es ist mehr als offensichtlich, das Borschel und Richter die beiden anwesenden Jugendlichen, wobei man fast schon von Erwachsenen sprechen kann, für Ihre Zwecke instrumentalisieren. An einer einvernehmlichen Lösung haben Sie gar kein Interesse.
Kommentare wurden geschlossen.