Auszeichnung durch NABU
RAINROD. 19 verschiedene Fledermausarten gibt es in Hessen, eine der verbreitetsten ist die Zwergfledermaus. Wie ihre Artverwandten benötigt sie im Jahreslauf wechselnde Quartiere, unter anderem eine „Fledermaus-Wochenstube“, in der die Wochenstubengesellschaften, bestehend aus 50 bis 180 Weibchen, im Frühling ihre Jungen zur Welt bringen, säugen und bis zum Ausschwärmen betreuen.
Eine solche Wochenstube hatten die Zwergfledermäuse in diesem Jahr in der Schmuckschule in Rainrod gefunden. Das alte Schulgebäude bot mit einem Spalt im Mauerwerk eine offene Stelle zu einem Hohlraum, in dem die Weibchen sich niederlassen konnten. Bewohnerin Victoria Wittek wurde das tierische Treiben erst gewahr, als die ersten jungen Fledermäuse vor ihrem Fenster mit ihren Flugübungen begannen. „Als ich merkte, was in meinem Haus los ist, habe ich mich direkt an Thomas Steinke gewandt“, berichtet die Goldschmiedin. Der Leiter der Vogelsberger NABU-AG Fledermausschutz konnte die Gesellschaft zwar nicht mehr zählen, aber dafür sichere Anzeigen für ein Wochenstubenquartiere feststellen. Nun überreichte er Wittek im Beisein der Rainröder Ortsvorsteherin Tanja Georg die NABU-Plakette „Fledermausfreundliches Haus“ und die dazugehörige Urkunde. Zu diesem Termin hatte Steinke auch jede Menge Infos rund um die geheimnisvollen Säugetiere mitgebracht, die sich an Ultraschall orientieren und ausschließlich von Insekten und Spinnen ernähren.
Die Aktion „Fledermausfreundliches Haus“ hat der NABU gemeinsam mit dem Land Hessen und der Stiftung Hessischer Naturschutz ins Leben gerufen, da die Zahl der Fledermäuse insgesamt seit vielen Jahrzehnten zurückgeht. Manche Arten, beispielsweise die Hufeisennase, sind in Hessen bereits ganz ausgestorben, andere, beispielsweise die Bechsteinfledermaus, sind nur noch selten zu finden. „Fledermäuse sind daher auch per Gesetz zu den besonders geschützten Tierarten erklärt worden, Fledermausschutz also gesetzlich verankert“, führt Thomas Steinke aus. Dabei machen es die Menschen den Tieren zunehmend schwer, Quartiere zu finden. Zum einen durch die Zerstörung des natürlichen Lebensraums, zum anderen durch die Bebauung und das Verschließen von Spalten und Unterschlüpfen. Doch das wäre gar nicht nötig, denn, so der Experte: „Fledermäuse richten entgegen anderer Vermutungen keinen Schaden an. Sie nutzen bereits vorhandene Hohlräume im Mauerwerk, zerstören es jedoch nicht. Einzig ihr Kot kann störend wirken, aber der ist ja auch schnell wieder weg.“
Schnell wieder weg sind nämlich auch die Jungtiere und ihre Mütter: In der Regel beziehen diese im April ihre Wochenstubenquartiere. Die ganze Gesellschaft bringt dort innerhalb einer Woche ihren Nachwuchs zur Welt. In der Regel sind dies ein Fledermausbaby pro Mutter, selten zwei. Sechs Wochen lang werden sie dort gesäugt und in der Regel kann man in dieser Zeit schon viele Fledermausbewegungen beobachten: „Die Mütter müssen ja nachts ausfliegen, um zu fressen und bei Kräften zu bleiben, da sie ihre Jungen ja säugen“, so Steinke weiter. Sechs Wochen nach der Geburt starten die Jungen mit ihren Flugübungen – erstmals, denn in ihren engen Quartieren können sie kaum die Flügel spreizen. Die eigentlich gar keine Flügel sind, wie der Fledermausbeauftragte des NABU Vogelsberg dem interessierten kleinen Rainröder Publikum erklärte: „Wenn man sich die Anatomie des Flügels ansieht, entspricht sie Arm- und Handknochen. Die Fledermäuse fliegen also mit ihren Händen und darin sammeln sie auch Insekten.“ Übrigens auch solche, die dem Menschen durchaus lästig sind, wie Stechmücken. „Ein Grund mehr, ihren Lebensraum zu schützen und auszubauen“, findet Steinke.
Er appelliert daher an Hausbesitzer, die Fledermausbewegungen feststellen, keine Gegenmaßnahmen zu treffen, sondern sich direkt an ihn zu wenden. Mit vielen Tipps kann er helfen, ein fledermausfreundliches Haus zu erhalten oder zu erschaffen. Die Fledermäuse in dem alten Schulgebäude in Rainrod haben sich ihr Quartier zwar selbst ausgesucht, aber man kann auch Voraussetzungen dafür schaffen und Fledermäuse anlocken. Die Schmuckschule in Rainrod ist nun das erste Haus im Dorf, das als „fledermausfreundlich“ ausgezeichnet wurde. Ortsvorsteherin Tanja Georg, die schon einige Fledermausstraßen in und um Rainrod ausgemacht hat, hofft, dass sich von Victoria Witteks Beispiel noch andere Hausbesitzer im Dorf inspirieren lassen. Auch Thomas Steinke weiß von einige Häusern, in denen Fledermäuse Quartiere haben – und das nicht nur für Wochenstuben.
Während Wittek, Georg und Nachbar Walter Wölfel noch fasziniert den Ausführungen des Experten lauschten und sich über die mitgebrachten Exponate beugten, waren die Fledermäuse schon längst weitergezogen. Die Jungen ziehen ihre Kreise in und um Rainrod, die Weibchen suchen nun bereits wieder die Balzquartiere der Männchen auf, die in diesen Tagen ihre einzige Daseinsberechtigung haben. Dann befruchten die männlichen Fledermäuse in den Quartieren die Weibchen, die im Übrigen gerne auch noch ein, zwei andere Balzquartiere aufsuchen, um den Rest des Jahres „unnütze Fresser“ zu sein, wie Steinke mit einem Schmunzeln erklärte. Die Weibchen speichern den Samen; erst nach der Winterruhe im Februar nächsten Jahres werden die Eier damit befruchtet. Und dann suchen die Weibchen wieder ihre Wochenstubenquartiere auf. „Wenn sie einmal ein Quartier hatten, kommen sie in der Regel wieder dorthin zurück“, so Steinke. Victoria Wittek freut sich schon auf ihre Gäste im kommenden Frühling. „Eine alte Schule ist für eine Wochenstube doch ein ganz wunderbarer Ort.“
Informationen zum Fledermausschutz findet man unter www.nabu-vogelsberg.de oder direkt bei Thomas Steinke (0176-76700460). (pm)
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