Bürgerinformation in Baunataler Wohngebiet
BAUNATAL. Wer vor 50 Jahren im Trineweg in Baunatal Großenritte gebaut oder dort bereits gewohnt hat, konnte ein ruhiges Leben genießen. Westlich des Holzweges war viel weites Feld: das „Weiße Feld“. Da gab es noch keine Querstraßen. Jenseits der heutigen Chattenstraße stand noch gar nichts, diesseits sehr wenig. Das Gertrudenstift lag wie eine Insel in diesem Jenseits.
Sachsenstraße, Bayernstraße oder Frankenstraße waren zu dieser Zeit noch nicht einmal als Idee vorhanden. Allein der Wander-Parkplatz am Ende des Trinewegs verursachte – als Einstieg für Spaziergänge in die Langenberge – etwas zusätzlichen Verkehr. Dann kam eine Siedlung nach der anderen, selbst das Gertrudenstift ist heute mit der Zivilisation verbunden.
Displays, kleine und große E-Busse, Kübel, Halteverbote und Kissen?
Inzwischen ist aus der Anliegerstraße am äußersten Rand der Besiedlung eine Durchgangsstraße in verschiedene Wohngebiete geworden, genauso, wie viele, viele andere Straßen in Baunatal oder anderswo auch. Das Leben hat sich verändert, die freie Sicht ist weg, der Lärm nimmt zu, die Straße nimmt Schaden und die Sorglosigkeit schwindet. Die Anwohner kritisieren auch, dass Gülle-Traktoren mit Riesen-Fässern (Herbert Götz) von hier aufs Feld fahren und auch der Schulbus ist zu laut. Geräuschlose Elektro-Busse wären aus Sicht von Martina Klein sinnvoll oder vormittags große Busse für die Schüler und nachmittags kleine Busse für den wenig genutzten Stadtverkehr.
Tempo 30 hat die Stadt vor vielen Jahren schon angeordnet, um den Charakter der Straße zu erhalten. Das ist den Anwohnern zu wenig, denn gefühlt fahren alle Autos zu schnell und werden es immer mehr. Vorgestern, am Donnerstagabend, stellte sich Bürgermeisterin Silke Engler (SPD) bei einem Bürgergespräch vor Ort auf dem Spielplatz den Anwohnern, erklärte Sichtweisen sowie Fakten und beantwortete Fragen. Die Stadt hat gezählt – mehrmals seit 2014. Bei dieser ersten Zählung waren es 4.000 Autos pro Tag, 2017 noch 3.500 Fahrzeuge und im September 2019 immerhin noch 3.000 täglich. Geschwindigkeitsmessungen hat die Stadt ebenfalls durchgeführt, auch zur Hauptzeit, wenn Kinder zur Schule und zum Kindergarten gefahren werden. 875 Fahrzeuge wurden beim letzten Mal gemessen, 126 davon waren zu schnell, die meisten im Bereich von 45 Stundenkilometern.
Natürlich gibt es auch solche Autofahrer, die das Erlaubte um mehr als das Doppelte in der Spitze überschreiten. Das kritisiert zum Beispiel Herbert Götz. Er gehört zu denen, die anhand der Hausnummer noch die alte Situation kennen, als es freien Blick bis Elgershausen gegeben hat. Er wünscht sich dauerhafte Geschwindigkeitshinweise (Display), wie in Schauenburg. Weitere Vorschläge sind die Aufhebung des einseitigen Halteverbotes, um „natürliche Hindernisse“ entstehen zu lassen. Martina Klein hätte gerne Kübel, wie man sie sogar im Bauhof kaufen könnte, die als Hindernisse wirken. Auch Parkflächen abwechselnd auf beiden Seiten der Straße könnten auf „natürliche Weise“ aus Sicht der Bewohner für Beruhigung sorgen.
Erst prüfen, dann handeln
Silke Engler möchte – auch um die Anmerkung aufzunehmen, dass beim letzten Mal vielleicht während der Herbstferien gezählt wurde – noch einmal zählen und messen und vor allem Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen. Die Stadt muss auch darauf achten, dass die NVV-Busse pünktlich durch das Wohngebiet und vor allem morgens zur Schule kommen und sieht aufgrund der unterschiedlichen Einbahnstraßen-Regelungen der Seitenstraßen Probleme mit einem wechselseitigen Halteverbot. Irgendwelche Kübel, die den gesetzlichen Vorgaben nicht entsprechen, wären auch keine Lösung. Aber das alles sei noch nicht überprüft, jetzt ginge es darum, Ideen zu sammeln und Lösungen zu entwickeln.
Stadtverordnetenvorsteher Henry Richter (B90/GRÜNE) brachte indes die Lösung mit „Berliner Kissen“ ins Gespräch, die am Ende, so Engler, aber oft den Effekt haben, dass durch das erneute Beschleunigen am Ende des Kissens und die Rollgeräusche beim Überfahren sogar noch mehr Lärm entstehen kann. Die Straße sei auch sehr lang und gerade, so dass dazwischen ordentlich Fahrt aufgenommen werden kann. Es müssten also mehrere solcher Hindernisse verbaut werden.
Vergleichbare Straßen auch gleich behandeln
Nach dem Gespräch gehen alle besprochenen Varianten in die Prüfung und dann muss die Stadt erneut abwägen. Schließlich gibt es in Baunatal sehr viele vergleichbare Straßen, mit ähnlicher Belastung, in allen Stadtteilen. Für die betroffenen Anlieger zählt natürlich nur die eigene Situation. Das wird im Gespräch auch bei einigen Äußerungen deutlich. Man könne sich schließlich „jedes Jahr treffen und nichts passiert“, sagte eine Anwohnerin verärgert.
Gleichzeitig fand eine weitere Bürgerinformation im westlichsten Teil des Weißen Feldes statt, bei der durch den Ersten Stadtrat Daniel Jung über den Endausbau in der Keltenstraße berichtet wurde, der in den nächsten Tagen beginnen soll. Dort fühlen sich die Anwohner im oberen Teil des Trinewegs benachteiligt, weil ihr Straßenabschnitt nicht zuerst fertiggestellt wird. Es gibt in einer Stadt eben immer unterschiedliche Interessen, so auch im Trineweg und in der Tat ist das letzte Wort bei beiden Themen mit Sicherheit noch nicht gesprochen, zumal schon jetzt deutlich wird, dass hier auch die politischen Parteien Positionen beziehen für die anstehende Kommunalwahl in einem halben Jahr. (rs)