Baunatal: Finissage der Kunstausstellung Systemrelevant!
BAUNATAL. Klatschen um 19:00 Uhr für Pflegekräfte und „Hausfrauen“, ein Leben gänzlich ohne Kunst und Kultur, das war die Normalität als der Lockdown begann. Inzwischen ist – natürlich auch dank einer Kunstausstellung, die gestern in Baunatal zu Ende ging -, wie Silke Engler beim Finissage-Rundgang durch Baunatals Geschäftswelt feststellte, ein wenig Normalität zurückgekehrt.
Aus Balkonkonzerten wurden inzwischen Garten- und Klappstuhlkonzerte und die Bürgermeisterin ist stolz darauf, dass auch in Zeiten von Corona die Sportstadt kulturell etwas zu bieten hat. Aber das Frauen wieder in den traditionellen Mustern verhaftet sind, weil Corona viele Bilder verstärkt, war für beide Frauen aus dem Rathaus in der Volkswagen Stadt ein guter Grund, die Ausstellung zu initiieren. Die neue Frauenbeauftragte Stefanie Teuteberg hatte die Idee und Bürgermeisterin Silke Engler war sofort einverstanden.
Kunst in Geschäften, Cafés und öffentlichen Gebäuden
21 Kunstwerke von fast genauso viel Künstlerinnen und Künstlern waren an mehr als 15 Standorten sechs Wochen lang zu besichtigen. Sie waren in Schaufenstern von Baunataler Geschäften, Cafés und öffentlichen Gebäuden ausgestellt, die auf diese Weise zusätzlich Aufmerksamkeit erfuhren. Ein schöner Nebeneffekt, wenn sich Kunst und Handel, die im normalen Leben so wenig miteinander zu tun haben, ergänzen.
Ist Corona (ein) weiblich (es Problem)? So hat die Ausstellung gefragt. Was ist systemrelevant? Auf weibliche Vorstände in Banken kann die Gesellschaft offensichtlich eher verzichten, als auf die Halbtagsstellen in der Pflege, im Homeoffice und mit Mund-Nasenschutz an den Supermarktkassen. Und genau diese Frauen rutschen an den Rand der Gesellschaft, wenn ihre Sozialversicherung wackelt. Dass häusliche Gewalt zugenommen hat, ist inzwischen statistisch nachweisbar, erwähnt Frau Teuteberg, die Frauenhäuser gelangen an ihre Grenzen.
Corona ist ein weibliches Problem…
Die Ausstellung hat sechs Wochen lang zum Nachdenken angeregt und die Menschen in Baunatal mit der Kunst konfrontiert. Bei einem Rundgang mit fast allen Künstlerinnen und Künstlern wurden alle Werke noch einmal erklärt. So konnte Gabriele Fischer-Zwick ihren „gefällten Lebensbaum“ erklären, der – wie alle Kunstwerke – die Phase der ersten Einschränkungen symbolisiert. Mit einem Mantra des Dalai Lama in der Mitte und der liegenden 8, die für die Unendlichkeit steht, hat der Schnitt durch den Baum – vor allem dank der Lotus-Knospen, die gerade aufgehen und für das Leben stehen – viele hoffnungsvolle Elemente.
Die „einsame Mutter“ von Marion Becker, ausgestellt Buchladen am Markt, steht für die Nachdenklichkeit betroffener Frauen in dieser Zeit. „Die Frau und die Sonne“ von Galina Angersbach zeigt, wie eine Frau Kraft aus den Elementen schöpft. So vielseitig und vielschichtig waren die Werke, deren Präsentation dank des Baunataler Kunstvereins möglich wurde. Online sind sie immer noch zu bewundern unter diesem: LINK. Die Bilder, die die Ausbildung gezeigt und in den Köpfen ihrer zahlreichen Betrachter gezeichnet hat wirken nach. Das Ende der Ausstellung ist – so oder so – nicht das Ende. (Rainer Sander)