„Steh das durch, dann werden die Zeiten wieder besser!“
HOMBERG/EFZE. Es war ein würdiger Ausklang, sagte Michael Döring vom Veranstalterteam LohrBergWerk (Rock am Stück), als Kärbholz nach 23 Uhr die Zugaben im Autokino Homberg spielten. Zu Hause sitzen und weiterheulen können alle, die glauben, dass Deutschrock im Autokino uncool ist, sagte die Band zum Beginn des letzten Konzertes der apoCARlypse.
Die Alternative zum abgesagten Rock-am-Stück-Festival hatte mit dem letzten Event auch den Höhepunkt bei den Besucherzahlen erreicht. 200 Autos standen in der ehemaligen Hessentagsarena an der Ostpreußenkaserne in Homberg und in denen war der UKW-Kanal des Autokinos bis zum Anschlag aufgedreht. Das war diesmal auch nötig, denn – anders als die meisten anderen Künstler – spielten Kerbholz ausschließlich mit „In-Ear-Monitoring“, so dass es nicht nur keine PA, sondern auch keine Monitorboxen gab. Außer dem Schlagzeug war nichts zu hören. Zum ersten Mal war es wie im Kino, in dem man den Ton abgedreht hat. Autokino eben…
Überdosis Leben im Autokino
Immerhin war im weiten Rund deutlich auszumachen, wie textsicher die Kärbholz-Fans sind. Mit „Überdosis Leben“ und „Keiner befiehlt“ begannen Sänger Torben Höffgen, Gitarrist Adrian Kühn, Bassist Stefan Wirths und Schlagzeuger Henning Münch (mit Schottenrock) den Gig in Homberger Autokino: „Ich nimm ne Überdosis Leben, ich wüsste nicht dass daran jemals einer starb“. Besser können die vier aus Ruppichteroth – mit besonderer Bindung zu ihrem Heimatort in Rhein-Sieg-Kreis – ihre Philosophie kaum beschreiben. Und sofort waren rund 500 Background-Sängerinnen und Sänger zur Stelle. Man darf sich inzwischen neben dem Auto aufhalten, wenn der Abstand gewahrt ist. Die Veranstalter von Rock am Stück und Cine-Royal hatten nach zwei Reihen Autos immer eine Reihe als Fläche freigehalten, die auch als Fluchtweg diente.
„Wir werden dieses Konzert mit Sicherheit nicht vergessen“, resümierte Torben Höffgen nach 23 Titeln, reichlich Hupen und Lichthupe den schweißtreibenden Auftritt. Die Band arrangierte sich schnell der Situation, eroberte immer mal wieder die Autowracks vor der Bühne und hatte keine Probleme über die Distanz eine Verbindung zum Publikum zu halten. Dazu tragen auch Titel bei wie „Kind aus Hinterwald“ bei, das die Heimat- und Provinz-Verbundenheit verkörpert, die viele Menschen im Schwalm-Eder-Kreis ebenso verinnerlicht haben: „Ich kann nichts dafür, ich fühl‘ mich wohl hier zwischen Wiesen und Wäldern“, heißt es im Text.
Die Nacht zu erleuchten… …gegen den Wind
Titel wie „Mutmacher“ kennzeichnen eine Band, die pausenlos zwischen maximal hartem Rock und melodischen Balladen wechselt und dabei gnadenlos positive Energie verbreitet: „Du bist nicht so ein kleines Licht, das sich sagen lassen muss, dass es nicht hell genug ist, um die Nacht zu erleuchten“. Hell erleuchtet war nicht nur die Bühne, bei Kärbholz geht irgendwie auch das Herz auf. Und vielleicht verleiht die Musik den Gedanken auch ein paar Flügel: „Doch lass mich fliegen, lass mich fliegen, nur eine Weile, bis die Wogen glatter sind. Lass mich fliegen, ich will fliegen, nur eine Weile noch gegen den Wind!“ Auch das klingt, als wäre es für diese Zeit geschrieben.
Die Zeile „Steh das durch, dann werden die Zeiten wieder besser“ aus dem Titel „Stein & Sand“ ist ein bisschen symbolisch für die aktuelle Zeit von Abstandsgeboten und Freiheitsbeschränkungen. Oder wie heißt es so schön im Titel „Mein Weg“: „Endlich sehe ich ein Ziel“ … „der Freiheit entgegen…“ Und ganz sicher werden Kärbholz die treuen Fans ihren Weg nicht verlassen, denn: „Die Neugier ist zu groß…“ („Mein Weg“) (Rainer Sander)