Zum Tod von Schwalmstadts Altbürgermeister Wilhelm Kröll (75)
SCHWALMSTADT. Wenn jemand in der Stadt Schwalmstadt viele Jahre in sich geruht hat, dann war das Wilhelm Kröll…
… und es ist verdammt schwer in der Hauptstadt des Schwälmer Klüngels, dem Marktplatz des gelebten politischen Zwists, der institutionalisierten Eifersüchteleien, der Metropole einer stets gefeierten Autonomie im Kleinen bei gleichzeitiger Abhängigkeit von fremden Hilfen (Landes- und Bundesmittel) im Großen und des lebhaft zelebrierten Phantomschmerzes zwischen zwei historischen Städten sowie einer guten Handvoll Dörfern mit sehr unterschiedlichen Ambitionen, zu JEDERZEIT Ruhe zu bewahren…
Das hat wohl auch nicht immer geklappt! Zum Beispiel dann nicht, als er entschied, dass die von der Stadt finanzierte und an Tradition kaum zu überbietende Ziegenhainer Salatkirmes endlich die vendettagleiche Ablehnung des einzigen Schwälmer Bieres aufgibt und einem der wichtigen Steuerzahler der Stadt eine Chance gibt. Es gab auch keine Lebenden mehr, die hätten erklären können, warum man in Zeihäng kein Treeser Bier trinkt. Und sein Mahnen, mit einem Fußballverein in Schwalmstadt erfolgreich zu bleiben anstatt mit mehreren die Probleme zu verstetigen, hat viele Jahre bestens funktioniert. Endlich wusste man auch außerhalb der Schwalm, dass es eine Stadt namens Schwalmstadt gibt (und Ziegenhain + Treysa keine selbständigen Kommunen mehr sind). Mit dem Bahnhof hat immer hin der Zusatz zu Treysa inzwischen funktioniert.
Was ihm nicht gelungen ist, war den Schwälmern Weinkultur beizubringen. In meinem Buch „Das Beste vom Bast von der MAZ“ habe ich ihn vom Schwalmberg-Südhang und dem Transrapid in den Knüll träumen lassen. Der Hessentag 1995 war für den 1994 erstmals gewählten Bürgermeister die Feuerprobe und die hat er bestanden. Das Weindorf bis in die Gegenwart zu „retten“, war sicher mehr als ein persönliches Anliegen. Es war der Versuch, den „Schwälmer Sturköppen“ und den selbsternannten nordhessischen Humorverweigerern ein wenig Dolce Vita ins Nest zu legen. Und irgendwie ist das ja auch gelungen.
Mit den großen Visionen konnte man auch Wilhelm Kröll nicht kommen. Aber er hatte welche. Viele kleine davon! Die waren so eine Mischung aus Realitätsbewusstsein und der unbändigen Lust, etwas anders zu machen und einfach mal eine neue Entwicklung zu starten, um nicht stehen zu bleiben. Mit fast spitzbübischem Lächeln, getreu dem Alpha-Team-Leitspruch, „ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert“, konnte er andere mitnehmen, ohne sie zu überrumpeln. Und trotzdem fanden viele, dass er zu viel macht und genauso viele, dass Schwalmstadt gerade alle Chancen verpasst. Beides, so hat die Zeit inzwischen gezeigt, stimmt nicht.
Das ist auch immer relativ! Aber wenn eine Stadt, die gerade mal 18 Jahre zuvor, den Untergang ihrer kulturellen „Marken“ als beschlossen ansah, weil sich Günter Strack in schönstem südhessisch als nordhessischer Regent (Ein Winter, der ein Sommer war) um Kopf und Kragen babbelte, einen Bürgermeister, der seine südhessische Heimatstadt Büdingen gefühlt nie verlassen hat und genauso sprach, tatsächlich zum Stadtoberhaupt bestimmt, dann ist das weit mehr als ein glückliches Ereignis. Und wenn diese Stadt 18 Jahre lang offensichtlich keinen anderen will als einen, der anders spricht als die gesamte Stadt, und mit seiner fast boshaft wirkenden guten Laune, so völlig gegen das nordhessische und schwälmer Gemähre anregiert, dann muss das so etwas wie Liebe sein.
So ist es ihm scheinbar gelungen, dass viele in der Stadt zu bekennenden Optimisten und Zukunftsbefürwortern wurden. Das geht gerade wieder etwas verloren. Aber die Saat ist noch im Boden…
Wilhelm Kröll gehörte zu denen, in denen man sich immer verschätzt. Das schafft auch er nicht? Doch, schafft er! Wassermänner sind gelegentlich Überflieger und sie können im Falle einer Niederlage auch diese weglächeln. Ich weiß, wovon ich spreche. Der Vergleich mit Kaiser Wilhelm, nur weil er Wilhelm heißt und Souveränität zeigt, war immer etwas weit hergeholt. Den Einfluss auf die Stadtpolitik bis gestern kann man aber nicht leugnen. Von 1994 bis 2012 war er Bürgermeister der Stadt Schwalmstadt und danach gerne Berater in wichtigen Fragen für diejenigen, die einen Berater brauchten…
Ein sturer Sozi war der Wilhelm nicht, aber natürlich Sozialdemokrat. Doch einer, der sich unter allen Menschen seiner Stadt wohlgefühlt und dem man das angemerkt hat – kaiserlich eben. Bleiben wir also mal bei diesem Begriff. Kaiser sind wie Päpste. Die sind erst dann keine Herrscher mehr, wenn der einzige, der definitiv über ihnen steht, das letzte Machtwort gesprochen hat. Das hat heute Wilhelm Kröll getroffen und erst jetzt ist der Kaiser nicht mehr Kaiser. Es dürfte aber so sein, dass ein guter Rheinhesse oder Rheingauer auch bei Petrus nun beliebter werden dürfte, vielleicht aber auch die Ahle Worscht, die auch der Südhesse Kröll zu schätzen wusste. Und wenn wir alle nachkommen, werden wir dort mit guter Laune und Lebensfreude begrüßt. Auf Erden werden viele erst jetzt den Wegbereiter und gleichzeitig Bewahrer des Guten und Wichtigen erkennen, der gestern 75jährig verstorben ist. Das ist wohl immer erst so, wenn jemand geht…
„Isch mach weida“ – auf Wiedersehen Wilhelm Kröll!
Rainer Sander
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