Baunatal unterzeichnet Hessisches Plädoyer
BAUNATAL. In der Stadtverordnetenversammlung wurde zuletzt noch heftig darüber debattiert: Das „Hessische Plädoyer für ein solidarisches Zusammenleben“. Am Donnerstagabend wurde es im Stadtverordnetensaal des Baunataler Rathauses feierlich unterzeichnet.
Das Plädoyer beginnt mit einem Satz von Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker: „Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren.“ Im Text heißt es unter anderem: „Gegenwärtig findet eine dramatische politische Verschiebung statt. Rassismus und Menschenfeindlichkeit sind in erschreckendem Maße gesellschaftsfähig geworden. Was gestern noch undenkbar war und als unsagbar galt, wird derzeit Realität.“
Erstunterzeichner für offene, demokratische und solidarische Gesellschaft
Die 50 Erstunterzeichner aus Landes- und Kommunalpolitik, Gewerkschaften, Ausländerbeiräten, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Unternehmen oder Bildungsinstitutionen, beziehen sich auf Paragraf 1 des Grundgesetzes, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist und erklären: „Wir treten für eine offene, demokratische und solidarische Gesellschaft ein und wollen den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf der Grundlage von Menschenwürde, Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit fördern. Wir treten jeder Form von Demokratiefeindlichkeit, Hass, Hetze, Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus und Erniedrigung entgegen.“
Bürgermeisterin Silke Engler erinnerte an die Hintergründe der Resolution, die unter dem Eindruck der Ereignisse von Halle und Hanau entstanden ist und ging auch auf die „nordhessische Wirklichkeit“ ein, zu der der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gehört. Wenn Politiker, Kabarettisten und Journalisten Drohmails erhalten, „ist es mitten unter uns“ und in Kassel gebe es mehr als eine Einzeltäterschaft. Die Resolution, so Silke Engler, ist auch ein Auftrag an die Gesellschaft und „die Gesellschaft sind wir alle!“ Dass es Streit unter den Stadtverordneten darüber gab, verpflichte nach emotionaler Debatte dazu, aufeinander zuzugehen, denn „es gibt immer eine Schnittmenge!“ Schließlich gehe es nicht darum, wer am lautesten schreit und eine Resolution will gelebt werden, es reicht nicht, sie nur zu unterschreiben, so die Bürgermeisterin.
Ausländerbeirat möchte den ersten Schritt tun
Pehlül Karahan, der Vorsitzende des Baunataler Ausländerbeirates, möchte den ersten Schritt tun und hat mit Gesprächen im kleinen Rahmen bereits ausgelotet, dass Gesprächsbedarf bestehe und der Ausländerbeirat Baunatal möchte mit allen Fraktionen ein Gespräch führen. Stadtverordnetenvorsteher Henry Richter würde sich freuen, wenn nach der hitzigen Debatte vom 29. Juni alle zusammenkämen. Die Würde der Menschen zu unterstützen, sei der Sinn der Demokratie: „Alle Menschen werden mit der gleichen Würde geboren!“ Als Polizist betonte er, dass auch die aktuellen Vorkommnisse unter hessischen Polizisten nicht übertragbar seien auf die gesamte Polizei.
Silke Engler, Pehlül Karahan und Henry Richter unterzeichneten eine Fassung der Erklärung und die Fraktionsvertreter von Grünen und FDP unterzeichneten ebenfalls auf einem Ergänzungsblatt. Die SPD-Fraktion wird dies im Rathaus in den nächsten Tagen nachholen. (rs)