nh24-Sonntagsspaziergang: Mittelalterliche Geschichte spüren
FRITZLAR. Wer das Auto stehen lässt, stattdessen durch Fritzlar spazieren geht, wird schnell bemerken, dass es in der Dom- und Kaiserstadt eine Menge Wege gibt, die mit dem Auto gar nicht möglich oder erreichbar sind. Fritzlar zählt zu den wenigen Städten, deren mittelalterliche Stadtmauer nahezu vollständig erhalten ist.
Wer die etwa 2,7 Kilometer lange, 7,5 bis 10 Meter hohe und am Fuß 3 Meter starke alte Befestigungsanlage erkunden will, muss das zu Fuß erledigen. Dabei begegnet den Stadtspaziergängern jede Menge Geschichte. Wer von der Allee kommend an der Stadtmauer entlang geht, kann die riesigen Mauertürme bewundern. Von den einst 23 Wehrtürmen stehen heute noch zehn. Der „Graue Turm“ aus dem Jahr 1274 ist mit 37 Metern Höhe der höchste noch stehende städtische Wachturm Deutschlands. In seinem Innern begegnen den Besuchern schaurige und schöne Situationen. An seinem Fuß ist ein kurzes Stück der ehemaligen Mauerkrone mit Wehrgang zu bewundern. Auf dem Weg dorthin begegnet man sogar Weinreben, die sich an der Mauer wohlfühlen.
Stadtgründer Bonifatius
Wer sich südlich entlang der Mauer weiterbewegt, genießt einen wunderbaren Blick über die Ederauen und kann auf der anderen Seite der Eder den Büraberg sehen, eine alte Befestigungs- und Klosteranlage, deren Geschichte bis in die Eisenzeit zurückgeht. Wer über Treppen und Wege Richtung Domplatz geht, schaut in schmale Gassen, in denen die Zeit seit dem Mittelalter scheinbar stehen geblieben ist. Viel Kleinod befindet sich an teilweise aufwändig restaurierten Fachwerkhäusern.
Irgendwann erscheinen dann die Türme des Doms, der untrennbar mit der Stadtgeschichte verbunden ist. Dort steht ein Denkmal zu Ehren von Bonifatius, der 723 in der Nähe von Geismar, heute ein Stadtteil von Fritzlar, die Donareiche fällte, die als wichtigstes germanisches Heiligtum galt. Aus dem Holz des Baumes ließ er ein St. Peter geweihtes Bethaus errichten. Dort soll heute der Dom stehen. Auch die Wege rund um den Dom sind Fußwege. Der Blick auf das alte Ursulinenkloster ist spektakulär. Wer zum Marktplatz herübergeht, kommt am Rathaus vorbei. Es wurde 1109 erstmals urkundlich erwähnt und ist das älteste Amtshaus Deutschlands.
Eine Stadt zwischen Bischöfen und Landgrafen
Man spürt auf dem Spaziergang mitunter regelrecht die Jahrhunderte lange Zerrissenheit zwischen Kurmainz und den Landgrafen von Thüringen und Hessen, zwischen Protestanten und Katholiken, der Rolle als Enklave nach der endgültigen Niederlage der Bischöfe, bis in die die Zeit des Augsburger Religionsfriedens. Ein paar Jahre war die Stadt in dieser Zeit sogar protestantisch. Wer die heutigen Einwohnerzahlen recherchiert, muss überrascht feststellen, dass 60 Prozent der Fritzlarer – einschließlich der Stadtteile – dem evangelischen Glauben angehören, 10 Prozent konfessionslos leben und nur 30 Prozent tatsächlich katholisch sind…
Wenn Sie heute spazieren gehen: Bitte Abstand wahren! (rs)
Feiertagsspaziergang durch Frielendorf
Sonntagsspaziergang durch Homberg
Sonntagsspaziergang durch Baunatal