nh24-Sonntagsspaziergang durch Baunatal
BAUNATAL. Wer durch Baunatal spazieren geht, sollte sich darauf einstellen, dass die Eindrücke anders sind, als in Wolfhagen, Hofgeismar oder Bad Karlshafen. Eine mittelalterliche Fachwerk-Innenstadt sucht man vergeblich. In dieser Zeit hat die Stadt schon deshalb keine Rolle gespielt, weil es sie noch gar nicht gab.
54 Jahre Baunatal
54 Jahre alt wird Baunatal 2020 und in ihrer jungen Geschichte haben sich bebaute Flächen und Einwohnerzahlen vervielfacht. Das Neue hat in der jungen Stadt also das Alte deutlich verdrängt. Viel moderner geht kaum. Dennoch spielen Geschichte und Geschichten in der Volkswagenstadt eine wichtige Rolle, wenn man genau hinschaut.
Es gibt zwei Punkte im städtischen Gemarkungsbereich, die erhabene Blicke über die Stadt ermöglichen. Beide sind von den Wohngebieten leicht zu erreichen und beide sind mehr als geschichtsträchtig. Wer seinen Spaziergang auf dem Baunsberg beginnt, sieht durch den dichten Wald zwar wenig in der Ferne – einen Aussichtsturm gibt es nicht -, steht aber auf historischem Grund. Reste einer Ringwallanlage und uralte Siedlungsspuren liefern Artefakte aus der Eisenzeit, noch vor Christi Geburt. Den Baunsberg hinab führen Wege nach Altenritte und Altenbauna.
Altes und Neues dicht beieinander
Wer sich für Altenritte entscheidet, findet dort einen historischen Ortskern und eine wunderbare Kirche. Erzbischof Lullus übertrug mit einer Urkunde aus dem Jahr 775 die Besitzungen des Klosters Hersfeld an Karl den Großen. Dazu gehörte auch „Rittahe“, das spätere “Ritte”, Die Reste eines Taufsteins aus dem Jahr 1787 zeugen in der Heilandkirche von der jahrhundertealten Geschichte. Wer von dort weitergeht nach Großenritte, trifft hier auf noch ältere Siedlungsspuren. Aus der Jungsteinzeit stammt der Hünstein von Großenritte. Wer Fantasie hat, erkennt die Fingerabdrücke eines Riesen, der ihn einst vom Hirzstein Richtung Kirchbauna geschleudert haben soll. Darüber informiert eine Hinweistafel, denn er ist Teil eines von drei ECO-Pfaden in Baunatal.
Wer fit ist, kann den Hirzstein erklimmen und von einer bronzezeitlichen Ringwallanlage eine andere Perspektive einnehmen. Von Großenritte aus lohnt ein Spaziergang durch den Stadtpark. Der ist anders, als jeder andere Stadtpark in Nordhessen. Hier gibt es alles, was ein urbaner Park haben sollte: Also einen Teich, eine Fontäne, Wege, Bänke, Wiesen und eine Minigolfanlage. Aber hinzu kommen jede Menge Sportanlagen und Bewegungsmöglichkeiten. Manches öffentlich, manches für die Sportler in Vereinen. An den Stadtpark grenzen das Parkstadion, Tennisanlage, Ballsportplätze, Frei- und Hallenbäder, die Rundsporthalle und die Max-Riegel-Halle. In Corona-Zeiten gehört das Autokino neben dem Parkstadion zu den besonderen Attraktionen in der Volkswagenstadt.
Vom Sportpark in die Innenstadt
Vorbei an der modernen Musikschule, der Polizei und dem neuen Kino geht es in die Innenstadt. Überall hier standen vor 50 Jahren noch Kühe auf der Weide, heute befindet sich hier das Stadtzentrum von Nordhessens drittgrößter Stadt. Viele Ladenzeilen rund um den Marktplatz sind inzwischen überdacht und ein Weg durch das Zentrum erfüllt durchaus die Kriterien für einen vielseitigen Einkaufsbummel. Seit einigen Jahren werden Straßen und Plätze neugestaltet und tauschen den Betoncharme der 70er und 80er gegen ein modernes Outfit mit Alleen und zunehmend blühenden Streifen. Die Baunataler Blühmischung sorgt seit einigen Jahren schon sichtbar für mehr Artenschutz im Stadtgebiet.
Vorbei am Volkswagenwerk, das mit seiner Gründung vor 61 Jahren für das Entstehen der Stadt verantwortlich zeichnet, gelangt man nach Rengershausen und an die Knallhütte.
Märchen und Käfer
Baunatal ist eine der wenigen Städte in der Region, die nicht mit einem bestimmten Märchen der Brüder Grimm in Verbindung gebracht werden. Dafür hat in der Knallhütte die Märchensammlung der berühmten Nordhessen ihren Ursprung. Schließlich hat Dorothea Viehmann Jacob und Wilhelm Grimm hier die meisten Märchen erzählt. Überall im Stadtgebiet und in allen Stadtteilen begegnen den Besuchern nicht nur lauter kleine VW-Käfer, sondern auch Plastiken mit Märchenfiguren. Die bekannteste ist eine Szene mit Grimms und der „Viehmännin“. Die Märchenfrau besucht in der Knallhütte noch regelmäßig ihre Nachfahren der Familie Bettenhäuser und erzählt den Besuchern mitunter Märchen. Ein Besuch bei einem handwerklich gebrauten kühlen Bier lohnt sich hier. Wer noch mehr Bewegung sucht, dem Seien die ECO-Pfade durch Kirchbauna oder Hertingshausen und Guntershausen empfohlen. (rs)