Stadt Baunatal bereitet außergewöhnliche Kunstausstellung vor
BAUNATAL. Üblicherweise finden Kunstausstellungen in Museen, Galerien, großen Räumen, Foyers oder Fluren statt. An Stellwänden und hinter Glas präsentieren sich Gemälde, Fotografien oder Skulpturen. In Baunatal werden jetzt die Schaufenster der Innenstadt zu großen Glasvitrinen, hinter denen sich Kunstwerke ab 1. Juni an Dekorationswänden, Schaufensterpuppen und Warenträgern zeigen.
Kunst verändert sich und Kunst passt sich an. Kunst reflektiert die Realität und öffnet neue Perspektiven oder erschließt andere Sichtweisen auf die Wirklichkeit. Die Frauenbeauftragte der Stadt Baunatal, Stefanie Teuteberg, ist der Frage nachgegangen, die sehr die Corona-Krise noch bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern verstärken.
Systemrelevante Frauenberufe oder Stütze für systemrelevante Männerberufe
Unbezahlte Fürsorgearbeit, geringere Gehälter und weniger Aufstiegschancen für Frauen werden gerade jetzt offensichtlich. Corona wirkt wie ein Brennglas auf bestehende Probleme. Gerade jetzt, so die Pressemitteilung aus dem Frauenbüro, kommt zum Vorschein, wie wichtig die Jobs von Frauen sind, um die Gesellschaft am Laufen zu halten und dennoch werden diese Leistungen zu gering bewertet. Als Kassiererinnen, so der Text weiter, „halten Sie den Laden am Laufen“, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Krisenansprache betonte.
Als Erzieherinnen betreuen sie die Kinder derer, die ihrem systemrelevanten Job nicht fernbleiben können, weil Schulen und Kitas geschlossen wurden. Als Erziehende und Alleinerziehende jonglieren Frauen zwischen Homeoffice, Homeschooling, Haushalt und Kinderbetreuung. Gemeinsam, so Stefanie Teuteberg, haben diese „Frauenberufe“, dass sie in der Corona-Krise einerseits als unverzichtbar eingestuft werden, andererseits schlecht bezahlt sind.
Retraditionalisierung als Motivation für Kunstausstellung
Die Frauenbeauftragte sieht darin eine Folge gesellschaftlicher Geringschätzung von Sorgearbeit als typisch weibliche Tätigkeit. Was in der Familie kostenlos geleistet wird, erzielt auch auf dem Arbeitsmarkt keinen angemessenen ökonomischen Wert. Allerdings ist Fürsorgearbeit existenziell für den Wohlstand in der sozialen Marktwirtschaft. Erst jetzt werde deutlich, dass Arbeitsleistungen von Frauen nicht erst in der Krise das Rückgrat des Systems bilden.
Als frühere Mitarbeiterin Kasseler Jobcenter weiß sie, dass überproportional viele Frauen in Minijobs arbeiten, die jetzt vermehrt wegfallen. Dass gerade jetzt das Frauenbild stärker auf traditionelle Rollen zurückgeführt wird, hat Frau Teuteberg zu der Idee für eine Ausstellung motiviert.
Kunst kommt zu den Menschen – nicht die Menschen zur Kunst
Mit einer Kunstausstellung wollen das Frauenbüro und die Baunataler Stadtmarketing GmbH jetzt auf die Anforderungen an und die Leistungen von Frauen in der Corona-Krise aufmerksam machen. Dabei müssen die Besucher nicht – wie gewohnt – ins Rathausfoyer oder einen typischen Ausstellungsort gehen, die Kunst findet ihren Platz mitten im Alltag der Menschen und soll zudem dabei helfen, das Alltägliche in seiner neuen, veränderten Form anzunehmen und zu akzeptieren. Von „Neuer Normalität“ ist jetzt sehr häufig die Rede, mit dem anstehenden Projekt könnte sie sich ein Stück freundlicher zeigen.
Die Kunstwerke werden in den Schaufenstern der Baunataler Innenstadt präsentiert und sind damit für alle Menschen sichtbar zugänglich, die in Baunatal einkaufen, Spazierengehen, den Hund ausführen oder Behördengänge erledigen. Bürgermeisterin Silke Engler erklärte, dass zu Beginn der Planung noch nicht klar war, dass Ausstellungen in geschlossenen Räumen so bald wieder möglich sein würden. Aber das Rathaus sei noch nicht wieder DAS offene Haus und man wolle mit diesem Projekt viele Menschen erreichen, die nicht ins Rathaus kommen, aber dennoch keine Menschenansammlungen provozieren. Auch die Geschäftsleute, so die Bürgermeisterin, haben unter der Pandemie zu leiden. Vielleicht hilft die Kunst dabei, die Krise Richtung Normalität zu überwinden?
Bewerbung möglich bis zum 10. Juni – Ausstellungszeitraum vom 1. Juli bis 9. August
Die Ausstellung ist – dank ihrer Art sie zu präsentieren – nicht nur offen für alle Menschen, sondern auch für alle Künstlerinnen und Künstler. Auch Männer dürfen etwas zeigen, wenn sie sich damit Fragen nähern wie:
- Wird sich nach Corona an den Ungleichheiten etwas ändern?
- Werden die Bedingungen für Frauen nach Corona noch schlechter?
- Kann Corona als Chance gesehen werden, damit die Leistungen von Frauen höhere Anerkennung bekommen?
Auch andere Fragestellungen zu diesem Komplex sind erwünscht. Anmeldung und Registrierung sind online möglich, und zwar bis zum 10. Juni 2020. Zwischen dem 8. und 15. Juni 2020 können die angenommenen Arbeiten im Rathaus Foyer abgegeben werden. Am 1. Juli beginnt dann die Ausstellung. Sie ist dann bis zum 9. August 2020 zu sehen. Nach Lockerung der Corona-Schutzregeln soll – zu einem späteren Zeitpunkt – im feierlichen Rahmen, mit einem Rundgang und Empfang im Rathaus der Stadt Baunatal, eine Finissage stattfinden. Mehr zu lesen gibt es auf der Internetseite des Frauenbüros Baunatal oder direkt bei der Ausschreibung für die Kunstausstellung. (rs)