Leiter der Vollstreckungsstelle des Zolls in Bad Hersfeld in den Ruhestand verabschiedet
BAD HERSFELD / NIEDERAULA. Am letzten Donnerstag ging der Leiter der Vollstreckungsstelle des Zolls in Bad Hersfeld, Reiner Emmerich aus Neuenstein-Obergeis in den Ruhestand.
Nach fast 44 Dienstjahren entschied sich der 63-jährige Regierungsrat letztendlich doch für einen früheren Abschied, was jedoch ausschließlich seiner weiteren persönlichen Lebensplanung geschuldet sei, die er nun in den Vordergrund stellen wolle, so Emmerich.
Als er 1978 nach dem Abitur und der Bundeswehrzeit eine Werbebroschüre in der Hand hielt, auf der ein durch ein Fernglas spähender Zöllner mit seinem Zollhund und im Tiefschnee steckenden Skiern abgebildet war, entschied er sich Zollbeamter zu werden.
„Der Zoll hat als moderne Bundesbehörde ein breit gefächertes Aufgabenspektrum und ist im ganzen Land vertreten, sodass man weder von den Örtlichkeiten noch von den Aufgaben gebunden ist. Mir hat die Arbeit vom ersten bis zum letzten Tag große Freude gemacht; egal wo das war, es war immer interessant und zuweilen auch spannend. Den Beruf würde ich jederzeit wiederergreifen“, steht für Emmerich heute fest.
Nach einer 3-jährigen Ausbildung im gehobenen Dienst an der Zollschule im schwäbischen Sigmaringen wurde Emmerich zunächst beim Zollamt Osthafen /Großmarkthalle in Frankfurt am Main eingesetzt, bis er 1983 an die innerdeutsche Grenze ging.
Dort war er einige Jahre als stellvertretender Zoll-Kommissar in Heringen (Werra) und anschließend bis zu seiner Abberufung zum Grenzsachbearbeiter und Ausbildungsleiter im damaligen Hauptzollamt Fulda als Grenzzöllner tätig. Eine Zeit, die ihn besonders prägte und die ihn zu einem nachgefragten Berichterstatter über damalige Geschehnisse machte. “Grenzerfahrungen” waren es auch, die in das Buch “das Haus auf der Grenze” mit einflossen, das er mit einem Bekannten verfasste. So erinnert er sich heute gerne an einige Anekdoten aus der Zeit, in der er mit seiner Familie in einer Dienstwohnung über dem Zollkommissariat direkt an der Grenze wohnte. Beispielsweise, als nachts zwei Flüchtlingen bei Philippsthal die Flucht durch die Werra gelungen war. Nach einem heißen Bad und mit warmer Kleidung von Reiner Emmerich ausgestattet und verköstigt, folgte die vorgeschriebene Vernehmung durch den pflichtbewussten Zollbeamten im Büro unterhalb der Wohnung.
Die Öffnung der Grenze brachte auch für den Zoll in Osthessen weitreichende Veränderungen. Der Grenzzolldienst wurde überflüssig. Um sozialverträgliche Beschäftigungsmöglichkeiten in der Region zu schaffen, wurden mit der Unterstützung der Politik neue Perspektiven gesucht. So zentralisierte man in Bebra 1990 die Vollstreckungsarbeit aller Hauptzollämter in Hessen. Ein neues und innerhalb des Zolls nicht unumstrittenes Modell.
Reiner Emmerich war von Anbeginn mit dabei und maßgebend am Aufbau dieser Zentralstelle beteiligt. Die Herausforderungen und der Druck waren groß: das gesamte Personal hatte keinerlei Fachkenntnisse, die Umstellung von Karteikarten auf ein Computer-Verfahren musste erfolgen und die zu übernehmenden Dienststellen hatten schon geraume Zeit vorher das Personal abgezogen und die Bearbeitung eingestellt, erinnert er sich.
„Damals hat dann bei uns niemand gefragt, wann ist Feierabend? Jede(r) Einzelne hat sich zu 100 % eingebracht und so dafür gesorgt, dass wir ein Jahr später als Erfolgsmodell gehandelt wurden“, beschreibt Emmerich die Situation und sieht die gelungene Einrichtung der Vollstreckungsstelle als eines der bedeutendsten Ereignisse in seiner Laufbahn.
Nach einigen Jahren wurde die Vollstreckungsstelle nach Bad Hersfeld verlegt, da durch die anwachsenden Aufgaben auch der Personalbedarf deutlich anstieg. Ihr Domizil fand sie in der ehemaligen US-Kaserne im Stadtteil Hohe Luft, wo sie heute seit fast 30 Jahren existiert. Emmerich, der auch in der lokalen Politik vernetzt war, legte damals schon Wert darauf, gemeinsam mit allen Verantwortlichen eine strukturpolitisch gute und zukunftsweisende Lösung zu erreichen, was dann mit der Dienststelle in Bad Hersfeld auch gelang. Und auch zukünftig war es Reiner Emmerich, der sich immer wieder dafür einsetzte und seine kommunalpolitische Tätigkeit dafür nutzte, den Zollstandort Bad Hersfeld zu sichern und zu erweitern. So war sein Engagement mitverantwortlich dafür, dass wichtige Arbeitsplätze in der Region erhalten blieben und viele Zöllnerinnen und Zöllner aus der Rhein-Main-Region, die Möglichkeit bekamen in die Heimat zurückzukehren.
Die Dienststelle Bad Hersfeld wuchs indes zur größten und erfolgreichsten Vollstreckungsstelle des Zolls bundesweit heran und bietet heute mehr als 200 Menschen einen sicheren Arbeitsplatz.
Der heutige Pensionär wurde im Laufe der drei Jahrzehnte seines Wirkens in der Zwangsvollstreckung zu einem Meister dieses Faches und ein gefragter Mann. So wirkte er immer wieder mit, wenn es um die Umsetzung des Vollstreckungsrechtes ging und wurde von Institutionen innerhalb sowie außerhalb des Zolls bis hin zum Bundesfinanzministerium eingebunden.
Beim Zoll, aber auch als Lehrbeauftragter für Vollstreckungsrecht an der Universität Kassel, war er auch immer wieder als Lehrender für „sein“ Fach tätig.
Auch die an seiner Dienststelle angesiedelte und deutschlandweit einmalige und viel beachtete Plattform „Zoll-Auktion“ brachte der „Macher“ Emmerich erfolgreich mit auf den Weg.
2018 stieg er schließlich in den Höheren Beamtendienst auf.
Vermissen wird er „die loyale und konstruktive Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen, mit der es möglich war, die vielfältigen Herausforderungen in den letzten Jahren zu meistern“. Der Abschied indes fiel leise aus. Eine geplante Abschiedsfeier musste angesichts der aktuellen, besonderen Situation verschoben werden, die Pensionierungsurkunde kam mit der Post.
Aber auch außerdienstlich war Reiner Emmerich ein aktiver Gestalter. So war er viele Jahre in seinem Heimatort und im Landkreis in vielen Ämtern in der Politik aktiv. Für sein ehrenamtliches Wirken für behinderte, kranke und sozial benachteiligte Menschen in verschiedenen Gremien des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen wurde er ausgezeichnet.
Reiner Emmerich hat zwei erwachsene Kinder, die beide beim Zoll arbeiten und zwei Enkelkinder. Familie war ihm immer wichtig. „Ich freue mich, jetzt mehr Zeit für meine Familie zu haben, insbesondere für meine beiden Enkel Eva (7) und Carl (4) und für meine Frau“.
Auch den bereits früher betriebenen Ausdauersport möchte er wieder intensivieren und hat schon Pläne dafür. So steht gemeinsam mit seinem langjährigen „Kumpel“ eine Alpenüberquerung mit dem Fahrrad bereits für die Zeit nach der Corona-Krise auf dem Programm. (pm)