Haupt- und Finanzausschuss statt Stadtverordnetenversammlung
BAUNATAL. In Krisenzeiten ändert sich sehr viel. Dass plötzlich ein Haupt- und Finanzausschuss in den Fokus rückt und ein Vorsitzender, wie Heinz Bachmann in Rollen schlüpfen muss, die sonst Stadtverordnetenvorsteher Henry Richter einnimmt, ist ungewohnt. Die Änderung der hessischen Gemeindeordnung (HGO) macht es möglich.
Mit dem ausdrücklichen Hinweis auf besondere Situationen im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie hat das Land Hessen die Übertragbarkeit von Beschlüssen auf Ausschüsse einer Kommune ermöglicht, auch in den Fällen, in denen das bisher so nicht möglich war. Für diese Ausnahmeregelung gilt die Befristung von einem Jahr und wichtige Entscheidungen, wie Satzungsbeschlüsse, bedürfen einer Bestätigung der Gemeindevertretung oder der Stadtverordnetenversammlung.
Neue Rolle für den Ausschuss
So tagte in Baunatal zum ersten Mal der Haupt- und Finanzausschuss in seiner neuen Funktion. Ist dieses Gremium in vielen Kommunen so etwas wie der Trainingsplatz für spätere echte Entscheidungen im Parlament, auf dem man mal eine neue Taktik ausprobieren, sich noch zurücknehmen oder andersherum erst mal was heraushauen kann, das später dann doch anders entschieden wird, so ist an dieser Stelle nun plötzlich Entscheidungsgewalt angesiedelt.
Mit erstaunlicher Disziplin – nicht nur was die Abstands- und Hygieneregeln betraf – tagten alle zehn stimmberechtigten Mitglieder des Ausschusses. Etwa drei Viertel der Fläche der – wirklich großen – Baunataler Stadthalle standen zur Verfügung. Es gab auch reichlich Platz für die Öffentlichkeit, obwohl diese – in Krisenzeiten werden demokratische Grundrechte auch hier vernachlässigt – nach der neuen Regelung nicht unbedingt zugelassen sein muss. Schutz geht über alles!
Anpassung der Abfallgebühren
Ein Thema war die Verabschiedung einer Neufassung der Abfall- und Gebührensatzung der Stadt Baunatal (nh24 hat berichtet). Die Erhöhung der Abfallgebühren zum 01.01.2020 wurde bereits am 09.12.2019 von der Stadtverordnetenversammlung durch einen Ankündigungsbeschluss beschlossen. Der Kreistag des Landkreises Kassel hat am 09.12.2019 seinerseits eine neue Abfall- und Gebührensatzung mit erhöhten Gebührensätzen verabschiedet, welche zum 01.01.2020 in Kraft getreten ist.
Bei den letzten Satzungsänderungen zum 01.01.2012 und 01.01.2017 konnten die Abfallgebühren um durchschnittlich 13,7 % beziehungsweise 3,3 % gesenkt werden. Aufgrund von Kostensteigerungen bei der Entsorgung sowie niedrigerer Verkaufserträge bei Papier, Metall et cetera müssen die Gebühren nun um bis zu 7,47 % angehoben werden. Das Eilverfahren erlaubt, dass die Satzung in Kraft treten kann.
Sebastian Stüssel (CDU) erklärte, der Stadt würde ein Schaden entstehen, wenn jetzt nicht verabschiedet würde. Der CDU-Fraktionsvorsitzende kritisierte, dass beim Restmüll nicht immer alle Tonnen geleert werden, obwohl sie an der richtigen Stelle standen. Engler bat um Feststellung von Ort und Tag, um das Problem – wenn es denn eines ist – beim Kreis vortragen zu können. Mit allen 10 Stimmen des Haupt- und Finanzausschusses wurde die Satzung einstimmig verabschiedet.
Kein Corona — Abstrichzentrum
Ebenfalls als dringlich angesehen wurde ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/die Grünen. Das Thema: Einrichtung eines „Corona — Abstrichzentrums“. Edmund Borschel (B90/GRÜNE) erklärte für den Antragsteller, dass sich nur ein COVID-Zentrum am Klinikum Kassel befindet. Am Anfang habe es nur drei Teststationen gegeben. In ganz Hessen gebe es nur 35 Schwerpunktpraxen, keine einzige davon im Landkreis Kassel. Baunatal wäre prädestiniert, weil viele Anfragen aus der Bevölkerung kommen. Darüber hinaus hört man nichts über Fallzahlen in Baunatal. Bis zu den Fällen in der Gemeinschaftsunterkunft war nichts darüber bekannt, ob Baunatal ein Hotspot ist. Jetzt beginnt VW wieder zu arbeiten und dann verändert sich die Situation grundlegend, so Borschel.
Dr. Rainer Oswald (FDP) erwiderte, dass Baunatal gar kein Vorschlagsrecht habe und es könne auch niemand selbst entscheiden, ob er getestet wird, Daher habe der Antrag Schaufenstercharakter.
Christian Strube (SPD) hat es als Positiv empfunden, nur 15 Minuten mit dem Auto und 45 Minuten mit der Straßenbahn bis zum Testzentrum zu benötigen. Einen Schaufensterantrag würde er es dennoch nicht nennen. Sebastian Stüssel (CDU) bestätigte, es läge nicht in Baunataler Zuständigkeit. Man bräuchte auch genug Patienten, aber man hoffe, dass die gar nicht da sind.
Bei nur einer Ja-Stimme lehnte der Ausschuss den Antrag ab.
Weniger Gewerbesteuer
Silke Engler nutzte die Gelegenheit, auch Informationen aus dem Rathaus zu geben. So äußerte sie sich vorsichtig zu den erwarteten Änderungen bei den Gewerbesteuereinnahmen: Über 100 Anträge seien bereits eingegangen, entweder festgesetzte Forderungen zu stunden oder die Gewerbesteuer auf null zu setzen. Von 35 Millionen Euro Gewerbesteuer werden nur 1/3 eingehen, so die vorsichtige Schätzung der Stadt. Auch 2021 dürften die Einnahmen noch niedriger ausfallen. Beim Hauptzahler Volkswagen Arbeiten von 17.000 Mitarbeitern nach ersten Informationen nur 1.700. Die übrigen sind in Kurzarbeit, diese Erlöse sind nicht einkommensteuerpflichtig.
Öffnung bei den Trauerfeiern
Anfangs durften Trauerfeiern nur unter freiem Himmel mit 5 Personen stattfinden. Die beiden größten Trauerhallen in Altenbauna (35 Personen) und Großenritte (25 Personen) werden jetzt wieder geöffnet. Mit den genannten Zahlen lassen sich die Vorsichtsmaßnahmen einhalten, so Silke Engler
Kindergarten: mehr Notbetreuungen
In den Kindergärten der Stadt Baunatal werden jetzt weitere Berufsgruppen zu den berechtigten für die Notbetreuung gezählt. Wenn sich die epidemiologischen Daten verändern, gibt es entweder Verschärfungen oder Lockerungen. In Baunatal werden lieber mehr Einrichtungen geöffnet, als eine vollzupacken. Bei 5 Kindern in einer Gruppe werden jetzt sicher 8 bis 9 Kindertagesstätten geöffnet. Erst wenn alle belegt sind, werden in den Häusern zweite Gruppen geöffnet.
Sebastian Stüssel (CDU) dankte für die positiven Aspekte. Er gab eine Anregung: Die Deponie Großenritte sei ein Problem, es sollten Arbeitsmöglichkeiten für die Mitarbeiter geschaffen werden. Engler erklärte, dass die Verwaltung prüft, wie teilweise wieder geöffnet werden kann
Und was ist mit Sport in der Sportstadt?
Emund Borschel (B90/GRÜNE) kann die positive Bewertung von Stüssel bezüglich der Kindergärten unterstützen. „Aber was ist mit dem Sport im Freien? Boule wäre möglich.“ Engler dazu: Es sei in der Verordnung des Landes Hessen und Sport ausdrücklich verboten. Bisher steht das nirgends auf der Agenda. Bibliotheken hingegen standen ausdrücklich auf der Liste. (rs)