Landrat Winfried Becker bringt Haushalt vor „Geisterkulisse“ ein
HOMBERG (EFZE). Von einer sehr historischen Sitzung sprach Landrat Winfried Becker, als er am Montag seine verkürzte Haushaltsrede hielt. Zuvor hatte der Kreistagsvorsitzende Michael Kreutzmann die Vertreter der Fraktionen begrüßt. In einer Telefonkonferenz habe man sich darauf geeinigt, dass jeweils nur eine Person – in der Regel der oder die Fraktionsvorsitzende – an der Sitzung teilnimmt und alle sich kurzfassen.
Auf der Tagesordnung stand die Einbringung des Doppel-Haushaltes 2020/2021 und mit ihm zusammen das Investitionsprogramm, der Wirtschaftsplan des Eigenbetriebes Jugend- und Freizeiteinrichtungen sowie der Beteiligungsbericht des Kreises. Getagt wurde mit viel Abstand zwischen den Kreistagsabgeordneten und nur gut eine Stunde lang. Ein Haushalt wird beim Einbringen lediglich zur Kenntnis genommen, Entscheidungen standen also nicht an.
Alle Fraktionen hatten dem Verfahren zugestimmt
Landrat Winfried Becker dankte der Stadt Homberg dafür, dass sie kurzfristig den Saal herrichten konnte und betonte, dass ohne Zustimmung aller Fraktionen diese Vorgehensweise nicht möglich gewesen wäre. Am 17. Februar bereits wurde der Doppelhaushalt im Kreisausschuss beschlossen. Wann er letztlich beschlossen wird, muss aktuell entschieden werden. „Wir wissen nicht, wie sich die Pandemie fortsetzen wird“, so der Landrat, „die Beschränkungen gelten bis Ende der Osterferien. Eine Beratung im Haupt- und Finanzausschuss könnte in einer Telefonkonferenz stattfinden.“ Die Haushaltsrede wird an alle Abgeordnete verschickt. Ein bisher einmaliger Vorgang.
Winfried Becker: Corona wird das Land verändern
Der Landrat betonte, dass der Haushalt vor der Krise aufgestellt wurde und Corona das Land verändern wird: „Niemand weiß, wie die kommunale Familie danach aufgestellt ist.“ Schon bei der Aufstellung habe sich eine Eintrübung der Konjunktur abgezeichnet, so das für 2020 zwar noch mit einem Überschuss von 2,2 Millionen Euro, für 2021 aber nur noch in Höhe von 300.000 Euro zu rechnen sei. Er gehe davon aus, dass auch ohne die zusätzlichen Kosten und Einnahmeverluste für Corona, dann der Finanzhaushalt nicht mehr ausgeglichen werden kann. Weil 2020 der Überschuss insgesamt – verglichen mit den Vorjahren – „moderat“ ausfällt, die Überschüsse im Finanzhaushalt nur noch 100.000 Euro betragen aber der Finanzmittelbedarf bei 2,3 Millionen Euro liegt, muss ein Haushaltssicherungskonzept aufgestellt werden. „Wir sind unabhängig von der Corona-Krise an einem Punkt angelangt, der keine Spielräume mehr lässt“, so Winfried Becker.
Stabile Kreisumlage für die Kommune – hohe Kosten für Bundesteilhabegesetz
Die die 27 Kommunen im Landkreis können sich auf eine stabile Kreisumlage verlassen. Die Schulumlage muss allerdings zwingend kostendeckend kalkuliert werden, daher erfordern die vielfältigen Sanierungs- und Baumaßnahmen eine Anhebung des Hebesatzes für 2020 um 1,5 Prozent auf 18 Prozent. Gleichzeitig soll die Kreisumlage aber mit dem gleichen Umfang auf 28,9 Prozent gesenkt werden, sodass der Gesamthebesatz 46,9 Prozent beträgt. Auch 2021 wird sich daran nichts ändern, lediglich eine weitere Verschiebung zugunsten des Schulumlage-Hebesatzes auf dann 18,32 Prozent sind eingeplant. Ein Teil der originären Haushaltsmittel, nämlich 1,4 Millionen Euro stehen wieder im Kreisausgleichsstock zur Verfügung.
Die Netto-Neuverschuldung wird im laufenden Jahr 2020 bereits 27.836.432 Euro und 2021 noch einmal 7.855.587 Euro betragen. Bis zum Jahr 2023 plant der Schwalm-Eder-Kreis, insbesondere für den Straßenbau, Investitionen in Höhe von insgesamt 16 Millionen Euro ein. Das Bundesteilhabegesetz wird Mehrbelastungen von 5 Millionen Euro zur Folge haben, die nur zum Teil über eine Verringerung der LWV-Umlage (1,8 Millionen Euro) aufgefangen werden. Winfried Becker dazu: „Das ist eine Größenordnung, die auch ein gut aufgestellter Landkreis nicht ohne Einschränkungen aufbringen kann.“
Der Kreis stehe insbesondere zu den bestehenden Hallenbadverträgen. Die Bäder in Treysa, Borken und Gudensberg sind zu sanieren. Im Behördenzentrum muss ein neues Gebäude für 13 Millionen errichtet werden.
241,6 Millionen Euro Aufwendungen
Transferaufwendungen in Höhe von 117,1 Millionen Euro (davon 86 Millionen Euro Sozialtransfer), 54,1 Millionen Euro Personal- und Versorgungsaufwendungen und 40,6 Millionen Euro Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen sind die höchsten Positionen in einem Haushalt, der von 245.406.473 Euro an ordentlichen Erträgen ausgeht. Dem stehen 2020 ordentliche Aufwendungen in Höhe von 241.601.202 Euro gegenüber. Die Erträge setzen sich in der Hauptsache zusammen aus etwa 121 Millionen Euro an Steuereinnahmen und etwa 79 Millionen Euro an Zuweisungen und Zuschüssen. Im Jahr 2021 sind Steigerungen in allen Kostenpositionen zu erwarten.
In 2020 sind Auszahlungen für Investitionen in Höhe von 62,3 Millionen Euro eingeplant, im Jahr 2021 immer noch in Höhe von 37,9 Millionen Euro. Damit ist der Schwalm-Eder-Kreis auch ein wichtiger Faktor für die Wirtschaft in der Region.
Freude über Breitband-Ausbau
Mit Genugtuung blickt der Kreis auf die letzten vier Jahre zurück, in denen viel in den Breitband-Ausbau investiert wurde. „Wir waren 2019 Gott sei Dank fertig“, formulierte ein erfreuter Landrat im Hinblick auf die gerade verstärkt stattfindenden Video- und Telefonkonferenzen. Auch für die Schulen sei das Breitbandnetz derzeit besonders bedeutungsvoll. Jetzt sei es sehr wichtig, auch die Glasfaseranschlüsse noch herzustellen. Für die direkt-Anschlüsse von Schulen und Krankenhäusern wurden über die Breitband Nordhessen GmbH Anträge nach dem Breitbandförderprogramm des Bundes gestellt.
Aktuelle Informationen über Corona
Nach Einbringung des Haushaltes konnte der Landrat auf die aktuelle Situation durch die Corona-Pandemie im Landkreis eingehen. Dass das Tagesgeschäft, wie die Maßnahmen zur Dorferneuerung und Sicherung der Ortskerne, aktuell unter erschwerten Bedingungen erledigt wird, kennzeichne die derzeitige Situation in der Kreisverwaltung. Alle personellen Kapazitäten werden derzeit in die Bewältigung der Corona-Krise gesteckt.
Die Statistik zu Corona, die täglich veröffentlicht wird, soll zukünftig auch die Zahl der Genesenen berücksichtigen. „Was wir nicht machen, ist Details über Todesfälle an die Öffentlichkeit zu geben, um Familien und Angehörige zu schützen,“ erklärte Winfried Becker.
Schwalm-Eder-Kreis gehört zu den besonders betroffenen Regionen
Eine zusätzliche Herausforderung ist, dass der Schwalm-Eder-Kreis zusammen mit dem Odenwaldkreis und dem Landkreis Fulda – in Hessen – am stärksten betroffen ist. In Schwalm-Eder wiederum trifft es den Südkreis stärker. Das gleiche sich aber zunehmend aus. Eine besondere Problemlage sind zwei infizierte Alten- und Pflegeheime in Nord und Süd. Da sich auch das Personal ansteckt, wird es schwieriger, dem Problem zu begegnen. Es wird über Kreisgrenzen hinweg gedacht, mit Kassel und Werra-Meißner zusammen wird auch die Kasseler Klinik mit Maximalversorgung eingebunden. Momentan sei eine „sehr ordentliche Situation“ in den Kliniken anzutreffen. Von 46 Beatmungsplätze, die es im Landkreis gibt, sind noch hinreichend Plätze frei. Es gibt zudem freie Reha-Plätze, die umgerüstet und belegt werden können.
Schutzausrüstung ist Mangelware, weil die Pandemie weltweit um sich greift und die Produktion meist außerhalb Deutschlands erfolgt. Drei Hotlines arbeiten und die Mitarbeiter leisten an sieben Tagen jede Woche außergewöhnliches. Neben der Hotline im Gesundheitsamt arbeitet eine weitere im Jugendamt. Häusliche Gewalt werde verstärkt auftreten. Auch die Hotline der Wirtschaftsförderung für die Betriebe wird umfassend in Anspruch genommen.
Serverknotenpunkte gelangen an Grenzen aber in der Krise wachsen viele über sich hinaus. Natürlich, so Becker, gebe es auch Menschen, die abtauchen. Er freue sich über großes ehrenamtliches Engagement.
Fragen zur Soforthilfe, Pflegeheimen und ALG 2-Beziehern
Wiebke Knell (FDP) wollte wissen, wie viele Anträge beim Regierungspräsidium im Rahmen der hessischen Corona-Soforthilfe für Betriebe aus dem Schwalm-Eder-Kreis eingegangen sind. Der Landrat erklärte, dass dies statistisch nicht erfasst wird, weil die zügige Bearbeitung aktuell wichtiger sei.
Heidemarie Scheuch-Paschkewitz (LINKE) hat gehört, dass in Gudensberg das Altenheim Eben Ezer geschlossen werden soll. Winfried Becker Becker erklärte, dass ihn diese Nachricht überraschen würde. Das Problem sei, dass Mitarbeiter nicht permanent getestet werden. Hier müsse mehr möglich werden. Am liebsten würde er die Mitarbeiter in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Rettungsdiensten jeden Tag testen. In der Schweiz wurde gerade ein Gerät für bis zu 4.000 Tests täglich entwickelt, eines davon soll nach Kassel kommen. Das kostet die nordhessischen Gebietskörperschaften 0,5 Millionen Euro.
Weiterhin regte Heidemarie Scheuch-Paschkewitz (LINKE) einen Corona-Zuschlag für ALG2-Bezieher an. Die Tafeln haben geschlossen und Bedürftige müssten jetzt teurere Lebensmittel kaufen. Jugendherbergen melden schon Insolvenz an, wie es mit den kreiseigenen Schullandheimen aussehe, wollte sie zudem wissen. Landrat Becker dazu: Die Einrichtungen seien geschlossen, auch der Wildpark. Auf Sylt und Buchenau werden Mehrstunden abgebaut. Nicht-pädagogische Mitarbeiter könnten, wenn die Schulschließungen über 14 Tage hinaus andauern, auch von Kurzarbeit betroffen sein. Günter Rudolph (SPD) verwies in diesem Zusammenhang auf den Tarifvertrag TÖVD, der den öffentlichen Dienst vor Einkommensverlusten schützt. (rs)