NEUSTADT/HESSEN. „Schweren Herzens“, so Neustadts Bürgermeister Thomas Groll am Freitag in einer Mitteilung, „habe der Magistrat sich einstimmig dafür ausgesprochen, die Neustädter Trinitatis-Kirmes 2020 abzusagen.“
„Gegenwärtig sind die Restriktionen des öffentlichen Lebens aufgrund des Coronavirus zumindest bis zum 19. April 2020 terminiert, eine Verlängerung erscheint nicht ausgeschlossen. Wir müssen aber momentan davon ausgehen, dass es selbst bei schrittweiser Rückkehr zur Normalität Anfang Juni noch Einschränkungen geben wird. Unter solchen Voraussetzungen kann man einfach kein fröhliches Volksfest feiern. Daher haben wir uns nach reiflicher Überlegung zu dieser Entscheidung durchgerungen“, erläutert Groll den Beschluss.
Vom 4.-8. Juni hätte man in Erinnerung an die Weihe der Stadtpfarrkirche im Jahr 1504 die 516. Trinitatis-Kirmes in der „Lehmkaute“ feiern wollen. Darüber, ob am Dreifaltigkeitssonntag zumindest ein Gottesdienst gefeiert werden kann, will der Bürgermeister gegenwärtig nicht spekulieren, denn die Lage sei hierfür momentan einfach noch zu unklar.
Ein Blick in die von Hans-Richard Krapp zur 500. Trinitatis-Kirmes 2004 verfasste Chronik verrät übrigens, dass das Neustädter Traditionsfest während des I. Weltkrieges wohl nicht als weltliches Fest stattgefunden hat und die Kirmes zur Zeit des II. Weltkrieges nur in sehr bescheidenem Rahmen gefeiert wurde.
Mit der Absage folgt der Neustädter Magistrat zahlreichen anderen Kommunen, die bereits ebenfalls Volksfeste in der ersten Jahreshälfte 2020 abgesagt haben und auch der Hessentag wird Anfang Juni nicht in Bad Vilbel stattfinden.
Eine Verschiebung in das III. Quartal kommt für Thomas Groll nicht in Betracht. „2010 haben wir die Kirmes einmal wegen des Hessentages in Stadtallendorf verschoben. Das war ein Reinfall. Traditionsfeste muss man an ihrem angestammten Datum feiern und daher eben zur Not auch einmal ausfallen lassen.“
Der Bürgermeister appelliert an die örtlichen Vereine, dem Beispiel der Kommune zu folgen und ihre geplanten Veranstaltungen bis Ende Juni ebenfalls abzusagen. „Ich weiß, dass dies keine leichten Entscheidungen sind und dass man gerade in Vereinsjubiläen schon erhebliche Vorbereitungsarbeiten gesteckt hat. Gleichwohl sind die Vorstände gebeten, verantwortbare Entscheidungen zu treffen. Nach allem, was man hört und liest, wird uns Corona leider auch in den kommenden Wochen und Monaten noch beschäftigen“, so Thomas Groll. Er verweist darauf, dass bei Jubiläen gerade ältere Vereinsmitglieder geehrt würden, die zur Risikogruppe gehören.
Namens des Magistrates kündigt der Bürgermeister Unterstützung für die Vereine an, die bereits Werbematerialien erstellt hätten und diese ggf. nicht nutzen können. In Einzelfallentscheidungen werde man hier sicher Lösungen finden.
Die Kommune beabsichtige zudem für den Fall, dass das Land kein Unterstützungsprogramm für Vereine auflege, jenen Sportvereinen ein wenig zu helfen, die den Spielbetrieb einstellen mussten, aber fortlaufende Kosten hätten. Über Einzelheiten wolle man nach Ostern mit den Betroffenen beraten.
Zurückkommend auf die Trinitatis-Kirmes stellt Thomas Groll fest, dass er natürlich Verständnis für Schausteller und Festwirte hätte, die Entscheidungen über Absagen möglichst lange hinauszögern möchten, schließlich lebten sie von den Einnahmen. Die Sachlage gebiete aber aus Sicht des Magistrates ein frühzeitiges Handeln, da ja auch seitens der Kommune Vorbereitungen zu treffen seien.
Der Magistrat habe sich dafür ausgesprochen, den Schaustellern und dem Festwirt 2021 die Hälfte der Standgelder zu erlassen, um auf diese Weise ein kleines Zeichen der Solidarität zu setzen.
Aber nicht nur die Schausteller liegen dem bekennenden Circus-Freund Thomas Groll am Herzen. Er fürchtet, dass nach Corona ein großes Circus-Sterben einsetzen wird. „Dieses alte Kulturgut, das sonst nie staatliche Unterstützung erfährt, braucht jetzt auch Hilfe von Bund und Land. Ich mag mir nicht vorstellen, dass unsere Kinder keine Artisten, Clowns und artgerechte Tiervorführungen mehr erleben sollen.“ Folgerichtig hofft Neustadts Bürgermeister, dass im Oktober 2020 der Mitmach-Circus und das Artistenfestival um den „Goldenen Biber“ wie geplant stattfinden kann. (pm)