MELSUNGEN. Gerade in Teamsportarten neigen Verantwortliche ja gern dazu, ihren Verein, ihre Mannschaft und alle in irgendeiner Form daran Beteiligte als “Familie” zu bezeichnen. Der nachvollziehbare Grund:
Das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken und sich gleichzeitig von Wettbewerbern abgrenzen. Doch nicht immer wird diese Familie auch von Außenstehenden als authentisch wahrgenommen, der Begriff wirkt dann eher als Floskel. Welchen Stellenwert er hingegen bei Handball-Bundesligist MT Melsungen hat, zeigt sich sehr deutlich in der Corona-Krise.
Von der “MT-Familie“ wurde bei der MT Melsungen schon gesprochen, als der Verein noch meilenweit davon entfernt war, mit einer Handballmannschaft in der höchsten deutschen Spielklasse vertreten zu sein. Der Begriff spiegelt eine Grundhaltung beim nordhessischen Aushängeschild wider, die der Club auch mit zunehmender Professionalisierung im Management und der Weiterentwicklung im Sport stets beibehalten hat. “Jetzt, in der Corona-Krise, in der idealerweise alle ihren Beitrag leisten, um sie zu überstehen, wird noch sehr viel deutlicher, was Zusammengehörigkeitsgefühl bei uns heißt. MT-Familie, das ist alles andere als eine Floskel”, sagt MT-Vorstand Axel Geerken.
Die Vereinsführung ist beeindruckt davon, welche solidarischen Reaktionen es in den letzten Tagen gegeben hat und welche Beiträge von denen geleistet werden, die sich im Sinne einer Familie der MT zugehörig fühlen. Schließlich geht es vor allem darum, dass der Club die bislang noch gar nicht im Detail zu beziffernden wirtschaftlichen Verluste so gut wie möglich kompensiert, um auch in Zukunft Handballsport auf dem erreichten Niveau anbieten zu können. Das gilt für den Profisport genauso wie für die exzellente Jugendarbeit.
Ein starkes Signal setzt jetzt das Bundesligateam selbst. Die Profis werden zunächst auf jeweils 25 Prozent ihres Gehalts verzichten. “Für uns Spieler ist es selbstverständlich, dass auch wir in dieser Krisensituation einen Beitrag leisten müssen. Da gab es in der gesamten Mannschaft keine Diskussionen, den Verzicht haben wir einstimmig beschlossen. Es gibt sicher viele Menschen und Einrichtungen, die von dieser Krise noch viel stärker betroffen sind als wir derzeit. Aber uns alle eint die Ungewissheit, wie und vor allem wann es wieder normal weitergeht. Als Profisportler macht man sich deshalb jetzt schon einige Gedanken, nicht nur um die eigene berufliche Zukunft, sondern auch um unsere Sportart allgemein – ohne allerdings gleich von Existenzangst zu sprechen”, erklärt Michael Allendorf, Mitglied des Mannschaftsrates.
“Das Besondere bei uns ist, dass sich nicht nur das Bundesligateam einbringt, sondern dass auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend ihrer Möglichkeiten auf Teile ihres Gehalts verzichten. Zudem haben sich auch schon einige unserer Dienstleister bereit erklärt, ihre Leistungen in vollem Umfang aufrechtzuerhalten, aber die Rechnungsbeträge in ähnlicher Weise zu reduzieren wie die Spieler ihre Gehälter. Selbst Spieler unserer zweiten Mannschaft, die keine Gehälter beziehen, sondern lediglich Aufwandsentschädigungen erhalten, sind zu Reduzierungen bereit. Diese Beispiele sind umso bemerkenswerter, da ja wirklich alle von den Folgen der Corona-Krise betroffen sind”, sagt Axel Geerken und fügt an: “wir würden uns sehr freuen, wenn diese Beispiele zum Nachdenken anregen, wie man im Rahmen seiner Möglichkeiten seinen Lieblingsverein unterstützen kann”. – Das wäre dann ganz so, wie es für eine Familie typisch ist. Apropos: Schon seit Jahren lässt der Verein seine Grundhaltung auch verstärkt in der Außendarstellung einfließen: “Wir sind MT” lautet der Hashtag in den sozialen Medien. (pm)