Frauenbüro Baunatal hatte für Sonntag eingeladen
BAUNATAL. Der Weltfrauentag wird jedes Jahr am 8. März gefeiert. Die neue Baunataler Frauenbeauftragte, Stefanie Teuteberg, erinnerte im Vereinshaus „Am Erlenbach“ – passend zum Beginn der neuen Zwanzigerjahre – mit einem Blick zurück auf das Leben der Frauen in den goldenen zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auch an die Geschichte des Gedenktages.
Er entstand in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg aus dem Kampf um die Gleichberechtigung heraus. Das Wahlrecht für Frauen sowie die Emanzipation waren in dieser Zeit ein Thema. Der Frauentag fand erstmals am 19. März 1911 statt. Bürgermeisterin Silke Engler begrüßte die zahlreichen Besucherinnen und einige wenige männliche Besucher im vollbesetzten Vereinshaus. Sie erinnerte daran, dass es immer noch keine Einkommensgleichheit zwischen Männern und Frauen gebe und wünschte sich, dass – parteiübergreifend – mehr Frauen bei der kommenden Kommunalwahl auch in Baunatal für das Stadtparlament kandidieren. „Paritätisch besetzte Parlamente wären schön“, so die Bürgermeisterin.
Als Bürgermeisterin verkleidet
Sie erinnerte an eine Begegnung aus dem letzten Karneval, in der ein Mann nach der Vorstellung als Bürgermeisterin halb scherzhaft meinte, sie habe sich doch nur als Bürgermeisterin verkleidet. Situationen dieser Art erleben Frauen noch immer und ebenfalls noch immer, sagte Frau Engler, seien Frauen durch Kindererziehung vom Einkommen und der Rente des Mannes abhängig. Und solange Frauenhäuser nach wie vor Finanzierungsprobleme haben, „sind noch nicht alle Probleme gelöst“.
Frau Teuteberg, Mutter von 3 Töchtern und 51 Jahre alt, hat gerade in Baunatal als Frauenbeauftragte begonnen. Zuvor war sie im Jobcenter Kassel für die Gleichstellung aktiv. Sie ist begeistert von den Möglichkeiten in Baunatal, dort werde das Thema in der Stadtverwaltung „mitgedacht“. In ihrem Vortrag schilderte sie die Situation nach dem Ersten Weltkrieg, als Bubikopf und Zigarettenspitze plötzlich weibliche Markenzeichen wurden. Einerseits lebten alle Menschen – also auch die Frauen – nach dem Ersten Weltkrieg eine große Verkündigungssucht aus, als Flucht vor der Realität und voller Unsicherheit. Andererseits war die damalige Gesellschaft auf mitarbeitende Frauen angewiesen, weil viele Männer im Krieg geblieben waren. Die Berufsbilder der Sekretärin und Stenotypistin entstanden in diesen Jahren.
Frauenbiografien aus den Zwanziger Jahren
Sie erzählte über die Biografien bekannter Frauen aus dieser Zeit, wie die Künstlerin Josephine Baker, die AWO-Gründerin Marie Juchacz oder die Kasseler Juristen Elisabeth Selbert, die mit Unterstützung der Medien, was damals ein Novum gewesen ist, geschafft hat, den Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, als Mitglied der Verfassungsgebenden Versammlung, ins Grundgesetz aufnehmen zu lassen.
Die Zwanzigerjahre gelten als goldenes Jahrzehnt. Die kurze, aber heftige Moderne zwischen den Weltkriegen war geprägt von reicher Kunst und Kultur und eben der Emanzipation von Frauen. Nach dem spannenden Vortrag gab es reichlich Kostproben aus Liedern des goldenen Jahrzehnts.
Liedern des Goldenen Jahrzehnts
Eigentlich wollte Merle Clasen mit Gesang und begleitet von Christine Weghoff am Klavier, einen Auszug aus dem gemeinsamen Programm „Vom Nowak und der Höllen-Lili“ präsentieren. Berliner und Wiener Chansons der vier Diseusen Blandine Ebinger, Lotte Lenya, Topsy Küppers und Cissy Kraner, ihnen auf den Leib geschrieben von Friedrich Hollaender, Georg Kreisler, Hugo Wiener und Kurt Weill machen dieses Programm aus. Leider musste Frau Weghoff – bedingt durch einen Schlüsselbeinbruch – passen und so sprang Thomas Krug am Piano kurzfristig ein. Bitter und süß, heiter und nachdenklich, so lässt sich das Liedprogramm beschreiben, in dem Frauen ihre Geschichten erzählen, kokettieren und Gefühle zeigen: „ich möchte so gern mal etwas Gemeines sagen und Seidenwäsche tragen…“. Einsatz, der die Zerrissenheit der Zeit und die Situation der Frauen widerspiegelt. Denn den Männern entlockte die plötzliche Freizügigkeit der Frauen setze wie „nach ihre Beene ist ja ganz Berlin verrückt“.
Fotografien der Großmütter oder Urgroßmütter zusammengetragen
Das Frauenbüro hatte die Teilnehmerinnen darum gebeten, Fotografien der Großmütter oder Urgroßmütter mit ein paar Zeilen zu deren Leben mitzubringen. In einer Tischcollage wurde das zusammentragen, um einen Eindruck über das Leben der Frauen in den Zwanziger Jahren gewinnen zu können. Tatsächlich kamen einige Bilder aus den Baunataler Dörfern in den Zwanziger Jahren zusammen. (rs)