MELSUNGEN. Das 30 Hessenderby in der Handball-Bundesliga zwischen der MT Melsungen und der HSG Wetzlar ging hochverdient mit 28:26 (13:14) an die Nordhessen. Vor 4.300 Zuschauern in der seit Wochen restlos ausverkauften Kasseler Rothenbach-Halle lagen die Hausherren nach einer Viertelstunde bereits mit sechs Toren hinten und sahen überhaupt nicht wie kommende Sieger aus.
Über die sich stetig steigernde Deckung mit einem wieder einmal überragenden Nebojsa Simic dahinter, der dem anfangs ebenfalls starken Till Klimpke den Rang ablief, kämpfte sich die MT wieder heran. Um Mitte der zweiten Hälfte unwiderstehlich auf die Siegesstrasse einzubiegen. Dabei stach Kai Häfner als neunfacher Torschütze heraus. Wetzlars erfolgreichster Schütze, Maximilian Holst, erzielte alle seine fünf Treffer von der Siebenmeterlinie.
Die ersten beiden Aktionen der Partie verbuchten die Torhüter für sich: Nebojsa Simic blieb Sieger gegen Olle Forsell Schefvert, Till Klimke parierte Julius Kühns ersten Versuch. Erst der dritte Wurf saß, allerdings zu Gunsten der Gäste. Schefverts zweite Chance, die er sich mit einem Wackler gegen Tobias Reichmann selbst erarbeitete, saß. Weil Klimpke auch Kühns zweite Aktion entschärfte und Melsungen insgesamt im Angriff fahrig agierte, sorgten Kristian Björnsen und Lenny Rubin mit Tempogegenstößen für ein schnelles 0:3 (4.). Doch erst nach Klimpkes nächster Glanztat, diesmal gegen Michael Allendorf vollkommen frei aus der Nahwurfzone, fand die MT zumindest kurzzeitig ins Spiel. Zweimal Kai Häfner und dazwischen Marino Maric schlossen zum 3:4 auf (7).
Von Dauer war das Zwischenhoch allerdings nicht. Im Gegenteil gingen im Spiel nach vorn einige Bälle verloren. Was Wetzlar eiskalt nutzte, wenngleich mehrfach ungeahndet mit einem Schritt zu viel. Doch das focht sie nicht an, der Ball landete ein ums andere Mal im Netz hinter Simic, obwohl der noch sein Möglichstes tat, um Gegentreffer zu verhindern. Weil vorn weiterhin nur wenig zusammenlief, waren die Gäste trotz einer Auszeit von Gudmundur Gudmundsson nach einer Viertelstunde bereits auf 4:10 enteilt.
Danach ging dann endlich der berühmte Ruck durch das Team. Aufbauend auf eine stärker werdende Defensive, die den Gast immer wieder ins passive Spiel drängte und damit prima Vorarbeit für Simic leistete, der die teils unzureichend vorbereiteten Würfe auf seinen Kasten parieren konnte. In die Karten spielte der MT auch die erste Zeitstrafe gegen Schefvert, der Kühn am Hals erwischte. Fünf Tore in Folge, darunter eins von Allendorf über das gesamte Feld ins verlassene HSG-Gehäuse, sorgten für den rot-weißen Anschluss bis zu Kai Wandschneiders Auszeit nach etwas mehr als 22 Minuten.
Den Ausgleich durch Tobias Reichmann mussten sie noch hinnehmen, dann traf nach zehn Minuten totaler Flaute Alexander Feld zum 10:11, auf das Viggo Kristjansson sogar das 10:12 folgen ließ, als Timm Schneider verletzt auf dem Boden lag, die Partie aber dennoch weiterlief (26.). Kai Häfner antwortete aus dem Feld, Lasse Mikkelsen von der Siebenmeterlinie – wieder Ausgleich. Weil aber nach abermaligem Gleichstand durch Roman Sidorowicz Lenny Rubin praktisch mit dem Pausenpfiff nach Freiwurf das Leder über den zentral stehenden Finn Lemke hinweg ins Toreck beförderte, rettete die HSG noch einen kleinen Vorsprung in die Kabine.
Der nach Anwurf zur zweiten Halbzeit durch die erste Aktion von Kai Häfner schon wieder dahin war. Auch das 15:15 besorgte der Linkshänder und nachdem Nebojsa Simic mit einer Glanzparade gegen den frei vor ihm auftauchenden Kristian Björnsen organisierte, tankte sich vorn Domagoj Pavlovic durch, um mit dem 16:15 die erste MT-Führung des Tages zu erzielen (34.). Auch Timm Schneider brachte Rot-Weiß mit kraftvollem Einsatz am Kreis noch einmal nach vorn, dann schlug zweimal Kristian Björnsen über die erste Welle zu – 17:18 (39.). Das anfangs ohne große Emotionen fast dahinplätschernde Spielchen hatte sich längst zum packenden Derby mit mächtig Druck von den Tribünen entwickelt. Erst recht, als Yves Kunkel das 18:18 im Tempogegenstoß erzielte (41.).
Melsunger Unzulänglichkeiten im Abschluss hielten Wetzlar im Spiel. Ob das Kühn war, der wie kurz darauf Maric am jeweils glänzend reagierenden Till Klimpke scheiterte, oder Finn Lemke, der die Kugel im Tempogegenstoß an die Latte setzte statt ins Tor – die MT stand sich selbst im Weg. Nur gut, dass hinten Simic auf der Linie stand und mehr als einmal rettete. So drehten erst Roman Sidorowicz und Kai Häfner ein weiteres Mal die Partie und den nächsten Ballgewinn in der Abwehr veredelten Finn Lemke, Kai Häfner und der letztlich abschließende Tobias Reichmann zum 23:21. Die nächste Simic-Glanztat war die Vorarbeit zu Yves Kunkels 24:21 (52.).
Diesmal waren es „nur“ sechs torlose Minuten Wetzlars, ehe Lenny Rubin zum 24:22 netzte. Aber das bügelte Marino Maric mit dem 25:22 umgehend wieder aus (53.). Schon sieben Minuten vor dem Ende saß in der ausverkauften Halle nur noch der Fanblock der Gäste, alles andere stand, klatschte und jubelte frenetisch. Derart angetrieben funktionierte auch die Melsunger Deckung prächtig. Wetzlar beendete kaum noch einen Spielzug ohne Vorwarnzeichen der Passivität und scheiterte letztlich oft bereits am Block. Die ersten Anzeichen einer offenen Deckung der HSG bremste Gudmundur Gudmundsson sofort mit seiner letzten Grünen Karte aus und als Marino Maric auf klasse Zuspiel von Roman Sidorowicz das 27:23 machte, war die Partie im Grunde durch. Âuch wenn zwei strittige Entscheidungen Wetzlar noch einmal auf zwei Tore heran brachten, aber Kai Häfners neunter Treffer des Abends machte dann endgültig den Deckel drauf.
Stimmen zum Spiel
Gudmundur Gudmundsson: Ich finde, das war von unserer Seite auch ein etwas wechselhaftes spiel. Wir sind gar nicht gut gestartet, haben uns viele Fehler erlaubt und Wetzlar hat das mit Gegenstößen bestraft. Die Abwehr war auch erst nicht die beste. Wir haben sie dann aber umgestellt und ich muss sagen, danach war sie fast sensationell. Vorn waren die ersten zehn Minuten nicht gut genug, erst danach haben wir mit mehr Disziplin und Konzentration gespielt. Die Stimmung in der Halle war Weltklasse! Wir sind sehr dankbar dafür, denn das hilft uns sehr. Es war wichtig, heute zu gewinnen. Damit haben wir uns Luft geschaffen auch für mich, um mit der Mannschaft jetzt arbeiten zu können, denn bisher hatten wir ja fast nur Spiele.
Kai Wandschneider: Herzlichen Glückwunsch Gudmi, Axel und der MT zum Erfolg. Wir haben heute ein Spiel gesehen, das eines Derbys würdig war! Wir hatten einen super Anfang und haben gut gestanden. Nach unserer hohen Führung war es klar, dass Melsungen noch kommt. In der zweiten Halbzeit hat man spätestens ab der 45. Minute gesehen, dass uns die Kraft ausgegangen ist. Wir haben auch keine oder kaum noch Tore aus der ersten oder zweiten Welle heraus gemacht. Das waren vielleicht noch eins oder zwei gegenüber sechs oder sieben in der ersten Halbzeit. Das hat uns hinten raus gefehlt. Vielleicht hätte ich zum Schluss die 3:3-Deckung etwas früher bringen sollen, denn damit haben wir Melsungen noch zu ein paar Fehlern gezwungen. Ich möchte mich auch bei den Fans bedanken. Ich muss sagen, dass das Melsunger Publikum fantastisch war.
Axel Geerken: Ich glaube, dieser sieg hat für uns einen hohen Stellenwert. Nicht unbedingt weil es ein Derbysieg war, sondern weil wir gekämpft haben, sehr gut aufgetreten sind und Herz gezeigt haben. Ich glaube das kam dem, was Gudmi von der Mannschaft künftig sehen will, schon sehr nahe. Danke auch von mir an das Publikum in der Halle, das ganze Spiel war heute Werbung für den Handball. So stellen wir alle uns Spiele in unserer Liga vor.
Björn Seipp: Glückwunsch auch von mir an die MT zum Sieg. Wenn wir mit unserer bisherigen Leistung in dieser Saison nicht zufrieden wären, müssten wir uns selbst infrage stellen. Wir spielen eine fantastische Saison bisher! Ich bin stolz, wie die Mannschaft auch heute wieder aufgetreten ist, Herz und Moral gezeigt hat. Sonst war es fast wie beim Hinspiel: erst eine große Führung für uns und dann hat sich der breitere Kader der Melsunger doch noch durchgesetzt. Wir haben heute ein tolles Spiel gesehen und wir können jetzt trotz der Niederlage erhobenen Hauptes nach Hause fahren.
Statistik
MT Melsungen: Simic (21 Paraden / 25 Gegentore), Sjöstrand (bei einem Siebenmeter, 0 P. / 1 G.); Maric 4, Kühn 1, Lemke, Reichmann 2, Ignatow, Kunkel 2, Mikkelsen 1/1, Schneider 1, Allendorf 2, Sidorowicz 3, Häfner 9, Salger, Pavlovic 3 – Trainer Gudmundur Gudmundsson.
HSG Wetzlar: Klimpke (10 P. / 28 G.), Ivanisevic (n. e.); Feld 1, Björnsen 4, Mirkulovski 1, Torbrügge, Weißgerber, Öfors 4, Holst 5/5, Schefvert 2, Rubin 4, Lindskog 2, Kristjansson 2, Cavor 1 – Trainer Kai Wandschneider.
Schiedsrichter: Colin Hartmann (Magdeburg) / Stefan Schneider (Irxleben)
Zeitstrafen: 2 – 4 (Maric 29:56 – Schefvert 17:15, Björnsen 26:44)
Strafwürfe: 2/1 – 5/5 (Allendorf scheitert an Klimpke 10:18)
Zuschauer: 4.300 in der Rothenbach-Halle, Kassel (ausverkauft).
Die nächsten Spiele:
Do., 19.03.20, 19:00 Uhr, FA Göppingen – MT Melsungen, EWS Arena, Göppingen
So., 22.03.20, 19:00 Uhr, KPR Gwardia Opole – MT Melsungen, Stegu Arena, Opole
Do., 26.03.20, 19:00 Uhr, MT Melsungen – HSG Nordhorn-Lingen, Rothenbach-Halle, Kassel
Nebojsa Simic © Foto: Heinz Hartung|nh