Wenn der Johannismann die Putzfrau vom Bundestag trifft…
SCHWALMSTADT-TREYSA. Der Schlüssel ist übergeben, das Rathaus von Schwalmstadt-Treysa ist seit gestern Abend in Narrenhand. Und damit wandert die Schlüsselgewalt in den Nachbarort Willingshausen, wo das Prinzenpaar Lisa I. und Christian III. von der Malerkolonie zu Hause ist.
Dass zugleich Bürgermeister Heinrich Vesper beim Treeser Karneval anwesend war, könnte ein schlechtes Omen sein für Bürgermeister Stefan Pinhard, dem die Karnevalisten das Aussitzen von Problemen ins Stammbuch schrieben. Eine feindliche Übernahme gar? Und geht sogar noch mehr? Im Elferrat wurde der Prinz schließlich schon zum Präsidenten gekürt. Ein sympathischer Versprecher.
Träume erfüllt für das Traumpaar
Die Prinzessin indes war früher Gardistin und ist auch heute noch bei den Kolibris dabei. Es war ihr Kindheitstraum, einmal selbst Karnevalsprinzessin zu sein. Überhaupt ist das Prinzenpaar ein Traumpaar: der Karnevalsprinz hält ihr seit dem 11.11. zuhause den Rücken frei.
Naturgemäß kritisch mit Bürgermeister und Magistrat geht der Johannismann um. Apotheker Bernd Adam begann mit einer Anspielung an Star Wars und Laserschwert, suchte nach der Area49 und blickte auf die politischen Entscheidungen des vergangenen Jahres zurück: „Von den Bauern in der Schwalm krichste alles – aber kein Land!“ Und den Planungen fürs neue tegut: „Drei Supermärkte da unten – wer soll das alles essen?“ Wenn man vom Einkauf dann zurückkommt, muss man zum Schwalm-Speed, weil der TÜV dann abgelaufen ist…“
Ironie und Selbstironie – nur eine Stadt, nur eine Mutti
Natürlich lebt beim Karneval der alte Wettstreit zwischen Treysa und Ziegenhain, aber: „Sagt nichts gegen Ziegenhainer, denn der Johannismann ist selber einer. Dann sind sie gekommen und haben mich fortgenommen!“ „Herr Pinhard“, weiß der Johannismann genau, „braucht für alles Zeit, denn er hasst Geschwindigkeit!“ Der parteilose Bürgermeister selbst kontert auf seine Kritiker mit Selbstironie und reagiert auf die aktuellen Angriffe mit falschen Zahlen vom Rechnungsprüfungsamt: „Will noch mal eine Fraktion aufmucken, sollen sie mal vorher in den Haushalt reingucken…“
Mit 66 Jahren schlüpfte Karnevals-Urgestein Udo Lohr zum ersten Mal in eine weibliche Rolle. Als Putzfrau vom Bundestag. Die trinkt zwischendurch einen über den Durst, das nennt man dann „Vollbeschäftigung“. „Ein kleines sauberes Handy hat Frau von der Leyen. Ein kleiner Tipp: sie wickelt es nachts immer in Löschpapier ein!“ Und er weiß es aus erster Hand: „die Lindenstraße wird gestrichen, das war Frau Merkels alleiniges Anliegen: Mutter Beimer muss weg, es kann nur eine Mutti geben!“
Debüt von Kathrin Lohr
Während Papa Udo für 40 Jahre Bühnenjubiläum beim Karneval mit Gutscheinen für vier Tage Kabarett-Fest in Melsungen geehrt wurde, feierte Tochter Kathrin ihr Debüt in der Bütt. Mit dem Tagebuch einer jungen Mutter sprach sie vielen in der ausverkauften Festhalle aus der Seele. „Man fühlt sich nach der Entbindung wie eine frisch geöffnete Dose Knack- und Backbrötchen“, schildert sie ihre Erinnerung und zur Arbeitsteilung daheim weiß sie zu berichten: „Als ich gesagt habe, hoffentlich schläft unser kleiner Racker bald mal durch, meinte ich das Baby und nicht den Vater…!“ Und schließlich: „Pfarrer Wagner freut sich, man fängt in dieser Zeit wieder an, zu beten… Bitte, schlaf doch, oder werde wenigstens heiser…!“
Die Mixed Pickles versammelten sich – wie jedes Jahr – vor ihrem Zeichen, dem überdimensionalen Fernseher. In der diesjährigen TV-Show ging es zum Beispiel um die Gesundheit: „Der Arzt hat gesagt, ich habe einen Traumbusen (Thrombose)“ oder: „Ein Männerschnupfen bricht sogar den stärksten Mann!“ Aber auch die aktuellen Verhältnisse in der Schwalm sind Teil des Fernsehprogramms: „Wenn hier in Treysa eine Mülltonne brennt, dann geht man daran grillen“ und: „Die Nachbarn in der Schwalm wissen besser über einen Bescheid als man selbst!“
Gegen SUV, das schaffst Du nie…
Für die musikalische Variante der Büttenrede sorgen jedes Jahr die Die „Jecken vom Rückstaubecken“. Diesmal mit einer Zeitreise ins Jahr 2020. Mit dem Lied von Pippi Langstrumpf ging es um Greta Thunberg. „Du hast ein Ziel, dafür kämpfst Du so viel… Hey Greta Thunberg, Du machst, was uns gefällt… Gegen SUV, das schaffst Du nie…“ Und aus der Erinnerung von BAP „Verdamp lang her“, „Es ist lang her, doch die Erinnerung fällt nicht schwer… KkdLT ich will mehr… Kinderkarneval…“
Beeindruckend waren wieder die Tänze der Garden, also der Prinzengarde sowie der Kinder- und Jugendgarde. Aber auch Funkenmariechen Theresa Knoche vermochte das Publikum zu begeistern. Aber was wäre der Treeser Karneval ohne die Kolibris, die auf Olympia in Tokio vorausblickten und die Egadis, die ehemaligen Gardisten, die den Fluch und Segen der Online-Welt tänzerisch darstellten. Höhepunkt und Schluss natürlich das Männerballett „Die Gazellen“, die das Publikum ins Dschungelcamp einluden. Nach dem großen Finale mit allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf der Bühne gab es Tanz bis in den Morgen (Karin George | rs)