ERFURT. Für viele ist Erfurt nur eine Raufaser und Thüringer sind einfach die besten Bratwürste. Gut schmecken und gut aussehen tun sie wenigstens, jenseits der Werra, wegen deren Salz sich einst sich Hermunduren (einstige Bewohner Thüringens zur Römerzeit) und die Chatten (einstige Bewohner Hessens) die Schädel eingeschlagen haben.
Die Werra war einst und ist heute der Grenzfluss. Bis ins Mittelalter blieben Hessen und Thüringen in Frieden und Unfrieden verbunden.
Thüringen ist das Land, in dem die Bibel übersetzt wurde, das Land mit dem besten „Durchblick“ dank Jenoptik, Carl Zeiss und Schott, das Land, das die Heilige Elisabeth verjagt hat, das Land in dem Goethe, Schiller, Bach, Herder und andere die Basis für eine „Deutsche Leitkultur“ oder abendländische Kultur legten, das Land mit den besten Autos „Made in GDR“ (was immer das Wert war), in dem der Sängerkrieg auf der Wartburg das Verhältnis zwischen Literatur und Obrigkeit auf besondere Weise skizzierte und zuletzt das Land, in dem die Nazis in Buchenwald Juden ermordeten und später – im nahen Merkers – ihren gigantischen Schatz aus Reichsbank und Museen in einem Salzbergwerk versteckten, bevor 1000 Jahre ziemlich unrühmlich zu Ende gingen und 40 Jahre sozialistischer Experimente begannen.
Heute ist ein weiteres Experiment hinzugekommen. Thomas Kemmerich (Hä, wer?) ist Ministerpäsident im östlichen Nachbarland. Das bedeutet eine FDP-Minderheitsregierung mit dem wirklich geringstmöglichen eigenen Stimmenanteil, der nach der Fünf-Prozent-Hürde überhaupt möglich ist. Wow! Erst eine Nachzählung bestätigte den Einzug in den Landtag. Noch haben sich nicht alle sortiert, noch nicht alle verstanden, was da heute im Erfurter Landtag passiert ist. Die Fakten sind klar. Die AfD hatte keinen eigenen Kandidaten, sondern ist dem „Zauber“ eines parteilosen Karrieristen erlegen, der es nach Interpretation seiner eigenen Worte mit jedem gemacht hätte. „No!?“ Die LINKE hatte auch einen Kandidaten. Bodo Ramelow war immerhin eine Legislaturperiode lang Ministerpräsident in dem Land, das unmittelbar nach der Wende mit Wessis wie Bernhard Vogel und Lothar Späth so stabil seine Verwaltung, Regierung und seine Wirtschaft aufgebaut hat.
Die CDU – in Thüringen seitdem immer noch in der Fantasie, dass eigentlich sie die wichtigste Partei ist – fühlt sich in der Schlüsselrolle und wird immer wieder von der Bundespartei zurückgepfiffen, egal, ob sie mit der LINKEN oder der AfD flirtet. Man erkennt, der thüringische Humor ist speziell, trocken und provozierend! „No!?“
Mal im Ernst: Glaubt jemand, dass die AfD einen „externen“, „vom Himmel gefallenen“ Kandidaten sofort geschlossen wählt, um ihm dann im Dritten Wahlgang gar keine Stimme mehr zu geben, weil in der FDP – in einem Anflug unüberlegter Spontaneität – ganz plötzlich auch jemand Ministerpräsident werden will? Selbst wenn es diese stille, stillschweigende Absprache oder einfach diesen „Gleichklang der Gefühle“, diese „Vibrations“ zwischen den „Drei Gleichen“ nicht gegeben hat: Glaubt denn jemand, dass das Ganze seitens CDU und FDP nicht mit dem Liebäugeln der Stimmen aus der AfD geschehen ist? Ge!? Die Partei, die das Taktieren der etablierten Parteien am lautesten anprangert versteht diese Taktik selbst besser als alle Altparteien zusammen, hatte tatsächlich niemand im Verdacht, eine Kehrtwende zu vollziehen, wenn sie auch nur den Hauch einer Chance sieht, den etablierten Parteien eins überzuziehen? Was für eine beeindruckende Naivität im Sog politischen Machthungers… No?!
Genau dieses „Überziehen“ passiert jetzt gerade: Die AfD kann sich dabei sogar genüsslich zurücklehnen und beobachten, wie alle anderen Parteien genau das machen, was die AfD so stark macht: Sich selbst erst aus purer Machtgier maximal dämlich verhalten und anschließend in Streit, Wehklagen und Schuldzuweisungen verfallen, ohne auch nur den Hauch einer annehmbaren Lösung oder eines Kompromisses parat zu haben, weil die „Neins“ schon alle in Beton gegossen sind. No!? Und jetzt sollen die Parteien, die Ramelow unterstützt haben mit denen kooperieren, die gerade den Spaßvogel gegeben haben? Ach Du lieber Himmel, denkt da überhaupt niemand mehr logisch? Wie sagte Tacitus, der Römer, Mit Blick auf die Zeit nach Varus und Arminius über Cherusker, Chatten, Hermunduren und andere Germanen sinngemäß: Man könne sich darauf verlassen, dass sie mit sich selbst im Streit und Kriegen beschäftigt seinen und Rom besser zuschauen und abwarten solle. Im Moment schaut aber nicht Rom, sondern die Wähler und Steuerzahler, und wer nach den „Drei Gleichen“ googelt findet vielleicht ein paar schöne Analogien… No?!
Ihr
Rainer Sander