Neuer Haushalt und neuer Stadtverordnetenvorsteher für Baunatal (Aktualisiert um 11:13 Uhr)
BAUNATAL. Mit 27 Anträgen zur Haushaltssatzung 2020 war die Grundlage für reichlich Diskussionen in der aktuellen Stadtverordnetenversammlung gelegt. nh24 hat live aus der Stadtverordnetenversammlung berichtet.
Henry Richter (parteilos) überraschend neuer Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung
Vor der anstehenden Verabschiedung des Haushaltes und anderen Themen, stand zunächst die Wahl einer Stadtverordnetenvorsteherin/eines Stadtverordnetenvorstehers auf der Tagesordnung. Dieser Schritt war nötig, weil der bisherige Vorsitzende, Peter Lutze, nach 13 Jahren sein Amt aus Altersgründen niedergelegt hatte.
Überraschender „Gegenkandidat“ – nicht erwartete Wahl
Nicht gewählt wurde Anette Milas (SPD), die nur 17 Stimmen aus der SPD-Mehrheits-Fraktion erhielt, die sie auch vorgeschlagen hatte. 3 Enthaltungen und 2 ungültige Stimmen sorgten dafür, dass der parteilose „Gegenkandidat“ Henry Richter (Mitglied der Fraktion BÜNDNIS 90/GRÜNE), vorgeschlagen von der CDU-Fraktion, mit 19 Ja-Stimmen von CDU, FDP und B90/GRÜNE die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erhielt. Henry Richter war früher SPD-Mitglied.
Normal ist es üblich, dass der größten Fraktion – noch dazu mit absoluter Mehrheit – auch der Vorsitz der Stadtverordnetenversammlung zusteht. Insofern war die Gegenkandidatur für ein Amt, das ohnehin neutral ausgeübt werden muss, ein sehr deutliches Signal für die kommenden Diskussionen und die Zukunft. Wenn jemand eine Selbstverständlichkeit betont, wie Edmund Borschel das tat, als er Frau Milas aufforderte, sie möge möge trennen zwischen ihrer beruflichen Tätigkeit im Landkreis und als Stadtverordnetenvorsteherin, dann zweifelt er genau das an. Christian Strube (SPD) wunderte sich, dass die Kandidatur erst fünf Minuten vor der Versammlung bekannt wurde.
Sebastian Stüssel (CDU) kritisierte, dass die SPD die anderen Fraktionen nicht in der Vorbereitung gefragt habe, obwohl Anette Milas dann allen Fraktionen ein Gespräch angeboten hatte, das nur die FDP angenommen hatte. Auch passte es ihm nicht, dass die Medien bereits über die – bis dahin einzige Kandidatin – berichtet hatten. Dass Frau Milas nicht alle Stimmen der eigenen Fraktion hinter sich versammeln konnte, war in der Tat eine Überraschung – selbst für die Oppositionsfraktionen und den schließlich gewählten Henry Richter – und ließ die anschließend beginnende Haushaltsdiskussion umso spannender werden.
Vermutlich war allerdings niemand überraschter als der gewählte Henry Richter selbst, der sich redlich bemühte, die anstehende lebhafte Diskussion ohne jegliche Vorbereitung auf die Feinheiten der Tagesordnung und in Unkenntnis über alle Ausschuss-Beschlüsse, souverän zu leiten.
Christian Strube: Stadt kann auf- aber nicht durchatmen
Christian Strube (SPD) blickte zurück auf die Einschnitte im Haushaltsplan 2019 und stellte fest, dass Baunatal nach dem vorgelegten Haushaltsplan, selbst nach der Gewerbesteuererhöhung erst auf Rang 3 im Landkreis steht. Auch die Kindergartengebühren sind, so Strube, mit Kosten für die Nachmittagsstunde für 1,00 Euro (bisher 0,50 Euro) und 2,00 Euro für die Hortbetreuung (bisher 1,00 Euro), immer noch die niedrigsten im Landkreis. Den letzten Haushalt der Stadtwerke – vor der Rückführung in den städtischen Haushalt – sieht die SPD-Fraktion „im Plan“ und erkennt erste Einsparungen, zum Beispiel durch den Wegfall einer A12-Stelle.
Baunatal könne auf- aber nicht durchatmen. Baunatal bekomme zum zweiten Mal hintereinander Schlüsselzuweisungen vom Land. Gleichzeitig müsse man 3,5 Millionen Euro „Solidaritätszulage an das Land zahlen. Manfred Schaub habe dazu immer gesagt, man nehme der Stadt ein ganzes Schwein weg und gebe ein Gehacktes-Wecke zurück. Das Volkwagenwerk bleibe wichtigster Wirtschaftsfaktor in der Stadt und hier verwurzelt.
Stellenabbau und Aufgabenkritik, wie vorgesehen, sind kein Ausdruck mangelnder Wertschätzung. Es wird mit der SPD-Fraktion keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Von den 27 eingebrachten Anträgen wurden, so Strube bereits einige zurückgezogen und die SPD möchte viele davon an den zu gründenden, gemeinsamen interfraktionellen Arbeitskreis überweisen. Zu einigen Anträgen wurden gemeinsame Alternativen formuliert und einige wird die SPD ablehnen.
Sebastian Stüssel: Geldnöte waren vorhersehbar, Steuererhöhungen sind falsch
Sebastian Stüssel (CDU) schilderte die Beratungen der 14 CDU-Anträge. Haushaltspläne seien für viele ein Buch mit sieben Siegeln und vielen Zahlen, in fürchterlicher Anordnung, die viele nicht verstehen. Die Reorganisation und Rückführung der Stadtwerke hält er für einen fundamentalen Fehler. Die CDU wird daher den Haushalt der Stadtwerke ablehnen.
Die Zeichen in der Stadt hätte man vorhersehen können. Dass kein Geld mehr da sei, hätte man 2015 mitbekommen und auch, dass sich das auf die Haushalte auswirkt. Die Stadt habe sich darauf unzureichend eingestellt. Auch Rudolph-Logistik, als drittgrößter Steuerzahler sei weggefallen, indem er seinen Hauptsitz nach Gudensberg verlegt hat.
Die Stadt schiebe seit längerem ein strukturelles Defizit von 30 Millionen Euro vor sich her. Der Infekt sei 2016 gekommen und jetzt komme Benommenheit und steigende Temperatur. Die CDU möchte ein Haushaltssicherungskonzept, bevor das Land ein solches erzwingt. Dennoch findet die CDU es falsch, die Gewerbesteuer, die Grundsteuer und die Kindergartengebühren zu erhöhen. Trotz der niedrigsten Gebühren im Kreis, sieht er die Baunataler Eltern jetzt an der Belastungsgrenze.
Zum Haushalt fehlen im wichtige Detail- und Beteiligungsberichte, die er als Pflicht bezeichnet. Auch fehle im der letzte Haushaltsabschluss, der aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht Pflicht sei. Die Hand möchte er dennoch reichen und den Bürgern reinen Wein über die Lage einschenken. Auch wenn sich Politiker vors Schienenbein treten, müsse man gemeinsame Entscheidungen treffen. Das sei Sache der Parteien und nicht der Verwaltung. Auch die Mehrheitsfraktion SPD müsse auf die Verwaltung mehr Druck ausüben.
Große Investitionen würden hinter den Finanzplanungshorizont verschoben und auch das Rathaus müsse dringend saniert werden. Die vorbereiteten Anträge zur Rücknahme der Gebührenerhöhungen in den Kindergärten und zur Rücknahme der Grundsteuer- und Gewerbesteuererhöhung sollen an den zukünftigen Interfraktionellen Arbeitskreis überwiesen werden.
Ein bisschen Rundumschlag
Die CDU möchte aber die Hundesteuer für die ausgebildeten Begleithunde abschaffen. Stüssel habe sowie den Eindruck als einziger in Baunatal Hundesteuer zu zahlen. Berge von Unrat von LKW-Fahren müssen beseitigt werden und der Versicherungsschutz der Stadt müsse überprüft werden. Die Stadt müsse E-Mobilität fördern, aber die EAM behandle die Stadt schlecht, indem sie das Netz nicht angemessen ausbaut. Mit der Polizei müsse man auch anders reden, um Videoüberwachung einzurichten und die Ordnungspolizei müsse im Rathaus sitzen.
Die Rillen-Platten für Blinde seinen größtenteils falsch verlegt, so, wie sie gerade mal gepasst haben und führen Sehbehinderte in gefährliche Situationen. Das müsse überprüft werden.
Edmund Borschel: Noch kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen – Talsohle noch nicht erreicht?
Edmund Borschel (B90/GRÜNE) sieht in gemeinsamen Anträgen ein gutes Zeichen. Die Vorgespräche mit Bürgermeisterin Silke Engler und dem Kämmerer Klaus Peter Metz lobte er ausdrücklich. Kritik an Zahlen wolle er nicht wiederholen. Sein Motto: Noch kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen! Die beiden größten Baumaßnahme von zusammen 18 Millionen Euro in Kulturhalle und Max-Riegel-Halle seien zurückgestellt. Schlüsselzuweisungen freuen, zeigen aber den Ernst der Lage, die sinkende Kreisumlage erfolgt aber ein Jahr rückwirkend. Der Rückgriff auf Rücklagen sei kein Griff ins Sparbuch sondern gefährlich. Silke Engler werde in der Zeitung mit den Worten zitiert man wisse nicht, wann es besser werde. Er fragt sich, ob die Talsohle überhaupt schon erreicht ist. Gegen VW stünden weitere Verbraucher-Klagen im Raum.
Der Zwang zum Sparen und der notwendige Abschied vom Gewohnten spiegele sich noch nicht im vorgelegten Haushaltsentwurf wieder. Er sei vordergründig saniert, damit genehmigungsfähig, aber die Gebührenerhöhungen führen zu Abmeldungen von Kindern im Kindergarten. Er vermisst die Nachhaltigkeit im Haushalt.
Schlimmeres zu befürchten?
Die Beseitigung von Brandschutzmängeln in den beiden genannten Hallen koste 700.000 Euro, aber wer garantiere, dass sich nicht weitere Folgekosten ergeben, fragte Borschel. Im Schwimmbad sei auch ein Schaden von 2,3 Millionen erst später aufgefallen.
Die SPD-Anträge zur Vergleichsberechnungen und für eine Ladesäule von E-Bikes trägt die GRÜNE-Fraktion mit. Auch er wundert sich, ob alle in Baunatal Hundesteuer zahlen und ob das kontrolliert wird. Die GRÜNEN selbst wollen mit einem Antrag belegen, dass das Rechnungsprüfungsamt effektiver arbeitet, als der Kreis das kann. Am Stadtpark sollen die Straßen so schnell wie im Weißen Feld ausgebaut werden. Ein unbebautes Grundstück solle nicht an der Planung hindern. Dass die Effizienzuntersuchung des Baubetriebshofes ein gemeinsamer Antrag wird, freut die GRÜNEN. Ein Controlling bei der Schwimmbadsanierung sei wichtig. Am Baunsberg erwarte die GRÜNEN ein Sanierungsmanagement.
Die Bildungskette sei wichtig und werde bundesweit beachtet, das Vereinsleben sei führend in Nordhessen und beim Ehrenamt gebe es viele Aktive vom Sport über die Feuerwehr bis zur Flüchtlingsbetreuung. Nach Verlust des Herbstpalastes suche die Stadt noch nach einer neuen Struktur. Ein kultureller Leuchtturm wie in Vellmar und Wolfhagen fehle.
Klima, Verkehr und Finanzen bereiten den GRÜNEN die größten Kopfschmerzen. Wohnen in Baunatal, so Borschel sei zweischneidig zu bewerten. Zunächst profitierten die Investoren, Mieten würden nicht gedeckelt. Man sei bei 10 Euro pro Quadratmeter angekommen. Sicherheit ist für ihn ein ambivalentes Thema. Die polizeiliche Statistik sage etwas anderes als die Wahrnehmung.
Den Haushaltsplänen wollen die GRÜNEN nicht zustimmen. Wenn Anträge des politischen Mitbewerbers als Bereicherung des Diskurses und nicht als Bedrohung eigener Machtpositionen gesehen werden, sei man auf gutem Wege zum Wohle des Gemeinwesens.
Rainer Oswald: E-Mobilität ist eine ideologische Frage und nicht mittragbar
Dr. Rainer Oswald (FDP) stimmt der CDU zu, dass die Stadtwerke eigenständig bleiben. Stellenkürzungen reichen beispielsweise nicht aus. Einsparungen müssen mit Fingerspitzengefühl vorgenommen werden und am Ende müssen Dinge gemeinsam getragen werden. Die E-Mobilität wird die FDP nicht mittragen. Electric City sei kein Thema, Ladesäulen E-Mobilität nutzen den Bürgern nichts, sie wollen sie nichts und es sei eine ideologische Frage.
Wenn es in Baunatal besser geht, dass liegt das an den Bürgern, formulierte Oswald. So dürfe man den Ausbau von Straßen nicht blockieren. Die FDP wird den Haushalt ablehnen.
Anträge und Beschlüsse
21:21 Uhr – Der Wirtschaftsplan für Stadtwerke wurde mit den Stimmen der SPD angenommen. Der Magistrat wird beauftragt, im Umfeld des Rathauses oder der Stadthalle im Stadtteil Altenbauna eine E-Bike-Ladestation zu errichten. Dabei sind Fördermöglichkeiten zu prüfen.
Der Sportentwicklungsplan wurde gemeinsam auf den Weg gebracht. Das Controlling für das Schwimmbad wird angelehnt, ebenso das Management für den Baunsberg. Angenommen wurde der Antrag der GRÜNEN zum Intracting und für Electric-City Baunatal.
Haushaltssicherungskonzept kommt fraktionsübergreifend
21:35 Uhr – Dem Antrag für einen gemeinsamen, fraktionsübergreifenden Ausschuss für ein Haushaltssicherungskonzept wurde von allen Fraktionen zugestimmt. Er wird sich mit den Anträgen der CDU zu den kommunalen Steuern und Gebühren beschäftigen.
21:37 Uhr – Aus dem Antrag der CDU zu stationären Blitzern wurde ein gemeinsamer Beschluss zur Einbeziehung differenzierterer Maßnahmen. Die Begrünung der Innenstadt wurde hingegen abgelehnt, ob Laubbäume gepflanzt werden, soll erst nach einem Magistratsbericht entschieden werden.
21:45 Uhr – Für Videoüberwachung stimmen nur CDU und vier GRÜNE, dagegen SPD, FDP und ein GRÜNER. Keine Mehrheit fand der Antrag zum Schulwegekonzept der SPD für Großenritte, wohl aber ein solcher der SPD für alle Schulwege in Baunatal.
21:47 Uhr – Hinsichtlich der verlegten Platten für Sehbehinderte wird eine Untersuchung zusammen mit dem Behindertenbereich eingeleitet.
Haushalt wird mit SPD-Mehrheit angenommen
Bei der abschließenden Abstimmung des Haushaltes gab es 22 Stimmen der SPD gegen alle Stimmen der anderen Fraktionen.
Mehr Gewerbe in der Huhnsecke
Pünktlich um 22:00 Uhr gab es noch einmal schwere Kost für Verwaltungslaien. In der Huhnsecke sollen nur Gewerbebetriebe angesiedelt werden. Dazu reicht eine gewerbliche Solaranlage nicht aus. Der Bebauungsplan wurde konkretisiert und insolvenzsicher gestaltet. Gebaut werden darf dort mit dem erneuerten Aufstellungsbeschluss zur 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 41 D „In der Huhnsecke“, im Stadtteil Großenritte und dem Außer-Kraft-Setzen der Satzung über die Veränderungssperre nach § 14 BauGB zur ursprünglichen 1. Änderung des gleichen Bebauungsplans sowie einer neuen Satzung der Stadt Baunatal über eine Veränderungssperre. Das muss man nach vier Stunden Sitzung erst einmal verstehen können. (rs)