Eine Zwischenbilanz des Arbeitskreis „Füreinander-Miteinander“
NIEDENSTEIN. Sich ohne Kenntnisse der Sprache und ohne Bezugsperson in einer fremden Stadt, zum Beispiel im Urlaub, zurecht zu finden, ist nicht immer leicht. Anders, als für viele Urlauber, ist dies für Flüchtlinge aus aller Welt Realität: Von jetzt auf gleich alles hinter sich lassen, aus einer Gefahr oder Bedrohung flüchten und Anschluss in einem neuen, fremden Land finden.
So ging es auch den zahlreichen Menschen, die seit Ende November 2014 nach Niedenstein gekommen sind. Um diesen Menschen ein Ansprechpartner und Unterstützer in der neuen Umgebung zu sein, haben sich engagierte Bürgerinnen und Bürger zusammengefunden, um gemeinsam mit der Integrationsarbeit in Niedenstein zu beginnen. Schnell wurde auf städtischer Seite mit der ehemaligen Kollegin Julia Grunewald-Discher eine Unterstützung für das Vorhaben gefunden.
Arbeitskreis „Füreinander-Miteinander“ gegründet
Um die Arbeitsinhalte zu strukturieren und zu bündeln, gründeten die Ev. Kirchengemeinde Niedenstein-Wichdorf, die Stadtverwaltung und ehrenamtlich Aktive den Arbeitskreis „Füreinander-Miteinander“. Dieser übernimmt seither gemeinsam mit der Integrationsbeauftragten der Stadt Niedenstein und einer Vielzahl an ehrenamtlichen Helfern verschiedene Aufgaben in der Integrationsarbeit. Die Schwerpunkte der Arbeit liegen in dem Initiieren von Projekten sowie der Koordination und Vernetzung von unterstützenden Hilfsangeboten. Zu diesen Hilfsangeboten gehört auch die „Kleidertüte“, die Anfang 2015 zunächst in den Räumen der Schule, später im ehemaligen Landschulheim und heute in neuen Räumen in Ermetheis weitgehend ehrenamtlich unter dem Dach der Ev. Kirchengemeinde geführt wird. Hintergrund zur Einrichtung der Kleidertüte war, dass die Geflüchteten ohne Kleidung nach Niedenstein kamen und eingekleidet werden sollten. Nahmen zu Beginn überwiegend viele Geflüchteten das Angebot in Anspruch, hat sich der Kundenkreis kontinuierlich um Bedürftige erweitert.
Während zu Beginn der Integrationsarbeit die Aufgaben hauptsächlich in der Unterstützung bei Behördengängen, der Organisation von Einrichtungsgegenständen oder dem Heranführen an die deutsche Kultur beziehungsweise die rechtlichen Rahmenbedingungen lag, haben sich die Arbeitsinhalte mittlerweile verändert. Heute werden Angebote für die Integration in die Gemeinschaft Niedensteins, in den Kindergarten- und Schulalltag oder für das alltägliche Leben nachgefragt.
Von der Willkommenskultur zur Bleibekultur
Die Integrationsarbeit hat sich verändert, aus einer Willkommenskultur ist eine Bleibekultur geworden. „Es ist wichtig, Menschen eine Perspektive zu bieten und Ihnen zu helfen, in Deutschland anzukommen. In erster Linie funktioniert dies über die Sprache.“ So stand es in einem Artikel des Chattengau Kuriers über die Integrationsangebote in Niedenstein. Die besondere Bedeutung der Sprache für eine erfolgreiche Integration zeigt sich in den verschiedenen Deutschkursen, die vom Schwalm-Eder-Kreis bzw. Jobcenter für anerkannte Flüchtlinge angeboten werden.
Damit auch die Menschen, die keinen Zugang zu regional angebotenen Deutschkursen haben, die Möglichkeit erhalten, sich in der ihnen fremden Sprache verständigen zu können, bietet die Stadt Niedenstein vor Ort eigene Deutschkurse an. An aktuell zwei Tagen in der Woche lernen Migranten einfache Grundregeln der deutschen Sprache und sammeln erste Erfahrungen im Sprachgebrauch. Darüber hinaus wird einmal pro Woche ein Deutschkurs speziell für Mütter mit Kindern im Alter von wenigen Monaten bis zwei Jahren angeboten. Dieser Kurs soll einerseits Sprachbarrieren abbauen und andererseits soziale Bindungen zwischen den Müttern und ihren Kindern stärken.
Weitere Angebote zur Integration in Niedenstein
Neben den Deutschkursen haben sich weitere Angebote zur Integration in Niedenstein etabliert. So ist ein weiteres beliebtes Angebot, das unter den Integrationsbeauftragten Ute Kollmann entstanden ist, das Gartenprojekt „Heimat gestalten, Heimat schmecken“. Insgesamt sechs Gartenparzellen wurden auf einem städtischen Grundstück angelegt, die von Geflüchteten und Niedensteinern bewirtschaftet werden. Mehrere Familien nutzen das Angebot, ihr eigenes Gemüse anzubauen und zu ernten. Unterstützt werden sie durch Ehrenamtliche des Arbeitskreises Füreinander-Miteinander.
Genauso, wie das Schwimmen lernen aller Niedensteiner Kinder durch die Verwaltung unterstützt wird, gibt es auch dazu ein Integrationsprojekt. Neben dem sicheren Aufenthalt im Wasser bietet der Kurs die Möglichkeit, Spaß am Schwimmsport zu bekommen und im Verein das Erlernte zu vertiefen.
In örtliche Sportvereine integriert
Da Integration am besten über gemeinsame Aktivitäten erfolgen kann, ist es ein großes Anliegen, die Menschen auch für unterschiedliche Sportarten zu begeistern. In den letzten Jahren konnten zahlreiche Menschen in die örtlichen Sportvereine integriert werden, sei es beim Fußball, Schwimmen, Laufen oder Judo. Besonders beliebt sind auch die Kinderturn- und Leichtathletikangebote.
Da sich sehr viele Niedensteiner und auch Geflüchtete für Fußball interessieren, ohne zwingend in einer Vereinsmannschaft spielen zu wollen, und die Mannschaftssportart ein direktes Miteinander fördert und fordert, entstand auf ehrenamtlicher Ebene der Wunsch, eine internationale Hobbyfußball-Mannschaft ins Leben zu rufen. Unter dem Namen „FC Miteinander“ trainieren seit April 2018 Niedensteiner mit und ohne Migrationshintergrund und unter der Leitung von Danny Neumann. Wie gut Integration über den Sport Fußball funktioniert, konnte die Mannschaft beim Internationalen Sport- & Spaßtag an der Grillhütte Wichdorf im September 2018 erstmals beweisen.
Begegnungscafé und Weihnachten
Als eines der ersten integrativen Projekte wurde in regelmäßigen Abständen das „Begegnungscafé“ initiiert. Später fanden auch zu großen Veranstaltungen Cafés im Außenbereich, wie zum Beispiel zum Teichfest mit den Franzosen anlässlich des Jubiläums 40 Jahre Partnerschaft zwischen Niedenstein und St. Germer-de-Fly statt. Ziel dieses Angebots war es, über ein gemütliches Beisammensein in ungezwungener Atmosphäre Hemmungen ab- und Vertrauen aufzubauen sowie sich gegenseitig kennen zu lernen. Gemütlich geht es auch zum Ende eines jeden Jahres in der Weihnachtszeit zu. Ganz der deutschen Tradition der Weihnachtsfeiern folgend, werden Angebote rund um Weihnachtsmarkt und Co. geboten.
Ein neues zu Hause in Niedenstein
In den letzten fünf Jahren seit Beginn der Integrationsarbeit in Niedenstein hat sich viel getan. Die Sachgebietsleiterin Christina Gebauer und Bürgermeister Frank Grunewald blicken gemeinsam mit Ute Kollmann, der Integrationsbeauftragten der Stadt Niedenstein, stolz auf das Geleistete und die ehrenamtlichen Helfer zurück und wissen zu berichten, dass Integration zwar nicht immer einfach ist, aber funktioniert. Der Eine oder Andere hat bereits ein neues zu Hause in Niedenstein gefunden. Andere Geflüchtete, die in Niedenstein untergekommen waren, haben hingegen die Stadt wieder verlassen.
Der große Ansturm an Flüchtlingen ist mittlerweile abgeebbt und es kommen deutlich weniger Menschen nach Niedenstein. Für die Integrationsarbeit bedeutet dies, dass die Arbeitsschwerpunkte in der weiteren Einbindung der hier lebenden Geflüchteten in das alltägliche Leben und die Gemeinschaft Niedensteins (pm | rs)