Projekt „HaLT“ zur Vorsorge von hohem Alkoholkonsum bei Jugendlichen
MARBURG. Das Programm „HaLT“ (Hart am Limit) zur Prävention und Frühintervention bei exzessivem Alkoholkonsum Jugendlicher kann auf zehn Jahre erfolgreiche Arbeit zurückblicken.
Seit 2009 setzen sich die Sucht- und Drogenberatung des Diakonischen Werkes Marburg-Biedenkopf zusammen mit der Kinderklinik des Universitätsklinikums Gießen-Marburg und mit finanzieller Unterstützung des Landkreises Marburg-Biedenkopf und der Universitätsstadt Marburg gemeinsam für Suchthilfe und verantwortungsbewussten Alkoholkonsum ein.
„Aufklärung und frühe Intervention bei übermäßig starkem Alkoholkonsum sind, insbesondere bei Jugendlichen, wichtig, um schwerwiegende Folgen von Alkoholmissbrauch entgegenzuwirken. Deshalb bin ich sehr dankbar für die tolle Arbeit, die alle beteiligten Partner seit zehn Jahren leisten“, betonte Landrätin Kirsten Fründt.
„Exzessiver Alkoholkonsum kann zu einer schwerwiegenden Sucht führen, die sowohl den Körper, als auch den Geist in hohem Maße schädigt. Es ist wichtig, dass wir uns als Gesellschaft weiter für Aufklärung und hochwertige Hilfeangebote stark machen und diese anbieten. Dafür verdienen das Diakonische Werk Marburg-Biedenkopf und das Universitätsklinikum Gießen-Marburg unseren Dank“, machte die Marburger Stadträtin Kirsten Dinnebier deutlich.
Landrätin und Stadträtin betonten die tragenden Säulen kommunaler Präventionsarten: Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für riskanten Alkoholkonsum im Jugendalter, Aufklärung über Gefahren von übermäßig starkem Alkoholkonsum, Beratung von Jugendlichen und Familien die Hilfe suchen sowie die Schulung von Lehrenden, sozialpädagogischen Fachkräften und Vereinen.
Zwei Bausteine für die Vorgehensweise des Projekts sind dabei elementar: Das Programm besteht zum einen aus einem reaktiven Baustein, in dem während des Klinikaufenthaltes nach einer Alkoholvergiftung Gespräche mit dem betroffenen Kind oder Jugendlichen und den Eltern oder Bezugspersonen geführt werden. Der zweite, proaktive Baustein beinhaltet vernetzte Maßnahmen zur Alkoholprävention auf kommunaler Ebene, die sich an die Bevölkerung richten, um einen verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol zu fördern. Das Angebot umfasst dabei Schulungen und Workshops zum Thema Jugendschutz sowie die Bereitstellung von Informationsmaterial.
Dank der guten Kooperation zwischen der Sucht- und Drogenberatung und der Kinderklinik des UKGM ist der „HaLT“-Standort Marburg-Biedenkopf im hessenweiten Vergleich auf Platz drei, was die Anzahl der jährlich durchgeführten Brückengespräche angeht. Dies liegt vor allem daran, dass das Diakonische Werk über jeden Fall einer Alkoholvergiftung bei eingelieferten Jugendlichen durch die Kinderklink informiert wird und dementsprechend auch einen Großteil dieser Jugendlichen über ein Brückengespräch im Klinikum erreichen kann. Ein weiterer wichtiger Grund hierfür ist außerdem der ganzjährige Bereitschaftsdienst, der auch an den Wochenenden ein Austausch mit dem Klinikum über mögliche Interventions-Fälle möglich macht. Dieser Bereitschaftsdienst ist durch die finanzielle Unterstützung des Landkreises Marburg-Biedenkopf sowie der Stadt möglich, die das „HaLT“-Projekt von Anfang an unterstützt und gefördert haben. Dabei stellen der Landkreis Marburg-Biedenkopf rund 35.000 Euro und die Universitätsstadt Marburg rund 18.000 Euro für Prävention- und Interventionsmaßnahmen zur Verfügung.
Von 2012 bis 2016 wurden jährlich rund 60 Jugendliche mit einer Alkoholvergiftung in der Kinderklinik des Universitätsklinikums Gießen-Marburg am Standort Marburg behandelt. In den vergangenen zwei Jahren (2017 und 2018) ist die Zahl deutlich gesunken und lag bei rund 39 Jugendlichen pro Jahr. Deutschlandweit sind, nach einem landesweiten Hoch von 26.673 mit einer Alkoholvergiftung eingelieferten Jugendlichen in deutsche Krankenhäuser im Jahr 2012, die Zahlen in den vergangenen Jahren wieder rückläufig. In Hessen wurden im Jahr 2012 noch 360 Jugendliche mit einer Alkoholvergiftung eingeliefert, 2018 waren es noch 220.
Um das bewährte Projekt für die Zukunft abzusichern, können die Brücken-, Eltern- und Abschlussgespräche seit Juli 2019 im Auftrag des GKV (gesetzliche Krankenversicherung)-Bündnisses, einer gemeinsamen Initiative der Krankenkassen, über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) abgerechnet werden. Davor musste jedes Jahr erneut geprüft werden, ob die Krankenkassen die Gespräche im Rahmen des „HaLT“-Projektes auch für das Folgejahr finanzieren.
Das Projekt ist dabei auch zukunftsorientiert: Es gibt bereits Pläne, „HaLT“ auch auf den Bereich der Mischintoxikationen (Alkohol in Verbindung mit anderen Drogen) auszuweiten, eine Maßnahme, die auch Fachleute fordern.
„Auch mit dem veränderten Finanzierungsmodell stellen Landkreis und Stadt weiterhin die Basisfinanzierung und insbesondere die ganzjährige Bereitschaft von „HaLT“ sicher, um zuversichtlich in die nächste Dekade voranzuschreiten und das Projekt konzeptionell weiter zu entwickeln“, betonten Landrätin und Stadträtin. Im Zuge dieser konzeptionellen und qualitativen Weiterentwicklung soll es zukünftig auch möglich sein, Gespräche mit Jugendlichen zu führen, die zwar keine Alkoholvergiftung hatten, jedoch trotzdem problematischen Konsum aufweisen. Diesbezüglich gibt es aktuell Überlegungen, neben der Kinderklinik des UKGM noch weitere Kooperationspartner, wie beispielsweise die Jugendgerichtshilfe, Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen zu gewinnen.
Hintergrund:
- „HaLT“ ist ein kommunales und bundesweit erprobtes Alkoholpräventionsprogramm für Kinder und Jugendliche.
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Das Projekt ist ein Kooperationsangebot zwischen dem Diakonischen Werk Marburg-Biedenkopf, dem Landkreis Marburg-Biedenkopf, der Stadt Marburg und der Kinderklinik des Universitätsklinikums Gießen-Marburg.
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Ziel des Projektes ist es, die Öffentlichkeit für riskanten Alkoholkonsum Jugendlicher zu sensibilisieren, Hilfesuchende und Familien zu beraten sowie pädagogische Fachkräfte zu schulen.
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Die Arbeit von „HaLT“ zeigt auch im Kreis positive Effekte: 2016 waren 65 junge Menschen in Betreuung, 2018 waren es 40. Im Jahr 2009 lag die Zahl der Jugendlichen, die mit einem Promillewert von 2,1 bis 3,0 eingeliefert wurden, noch bei 25. Im Jahr 2019 war es ein Jugendlicher.
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Das Präventions- und Interventionsprojekt ist inzwischen an 152 Standorten, davon 18 in Hessen, im Einsatz.
Foto: Freuen sich gemeinsam über das erfolgreiche, zehnjährige Wirken von „HaLT“ (von links): Stefanie Grebe vom Gesundheitsamt Marburg (Landkreis Marburg-Biedenkopf), Landrätin Kirsten Fründt, Werner Meyer vom Fachdienst Kinder, Jugend und Familie (Stadt Marburg), Fachbereichsleiter Uwe Pöppler des Fachbereiches Familie, Jugend und Soziales (Landkreis Marburg-Biedenkopf), Diakoniepfarrer und Vorsitzender Ulrich Kling-Böhm (Diakonisches Werk Marburg-Biedenkopf), Jana Becker von der Suchtberatung (Diakonisches Werk Marburg-Biedenkopf), Fachbereichsleiter der Suchtberatung Dieter Schmitz (Diakonisches Werk Marburg-Biedenkopf), der Leiter der Kinderklinik Prof. Dr. Rolf Maier (Universitätsklinikum Gießen-Marburg) und Stadträtin Kirsten Dinnebier. ©Foto: Landkreis Marburg-Biedenkopf/nh