NEUSTADT. 1985 erklärten die Vereinten Nationen den 5. Dezember zum Tag des Internationalen Ehrenamtes. Ziel war es, das ehrenamtliche Engagement regelmäßig anzuerkennen und zu fördern. Diesen Gedanken griff die Stadt Neustadt (Hessen) auf und lud am 5. Dezember 2019 zum Tag oder besser Abend des Ehrenamtes in das Historische Rathaus ein.
Neben rund neunzig Gästen, die meisten von ihnen in vielfältiger Weise in Vereinen, Hilfsorganisationen, Kirchengemeinden oder Kommunalpolitik aktiv, konnte Bürgermeister Thomas Groll Kunstturnlegende Eberhard Gienger als Ehrengast begrüßen.
Der beste Turner der „alten“ Bundesrepublik gewann an seinem Paradegerät, dem Reck, Bronze bei den Olympischen Spielen 1976. Zudem war er Welt- und Vizeweltmeister, errang dreimal Gold bei Europameisterschaften und stand 36 Mal bei Deutschen Meisterschaften auf dem Treppchen mit der „1“. Nach ihm wurde der „Gienger-Salto“ benannt und die deutschen Sportjournalisten wählten ihn zweimal zum Sportler des Jahres.
Nach einer an Höhepunkten reichen Sportlerkarriere war und ist Eberhard Gienger vielfach ehrenamtlich aktiv: im Deutschen Turnerbund, bei der Sporthilfe oder dem Nationalen Olympischen Komitee brachte bzw. bringt er sich aktiv ein.
Seit 2002 gehört Gienger als stets direkt gewählter Abgeordneter dem Deutschen Bundestag an und ist Sprecher der CDU/CSU-Fraktion für Sport und Ehrenamt.
Die musikalische Umrahmung des Abends übernahmen wieder Michael Dippel, Karl-Joseph Lemmer und Willfred Sohn vom „Trio Semplice“. Mit dem selbstgetexteten Lied „Das Ehrenamt lebt“ zur Melodie von „Es lebe der Sport“ hießen die drei Musiker die Gäste willkommen und hatten auch einen Vers über Eberhard Gienger parat.
Bürgermeister Thomas Groll hob in seinen Eingangsworten hervor, dass eine Kommune zwingend auf ehrenamtliches Engagement angewiesen sei. „Oftmals können wir nur für die Pflicht sorgen, die Kür müssen andere übernehmen. Ehrenamtler sind unverzichtbarer Bestandteil für eine aktive Bürgergesellschaft. Im Rahmen des uns Möglichen unterstützen wir die kultur- und sporttreibenden Vereine und fördern dabei insbesondere die Kinder- und Jugendarbeit“, betonte Groll.
Sympathisch, unterhaltsam und kompetent – mit diesen Adjektiven lässt sich die Ansprache von Eberhard Gienger beschreiben. Er streute in seine Rede immer wieder Zitate, Gedichte und selbst ein Gebet ein und verlor dabei nie den roten Faden.
Naturgemäß befasste sich der Träger des Silbernen Lorbeerblattes, der höchsten deutschen Auszeichnung für Sportler, zunächst mit dem Sport. Er leiste einen wichtigen Betrag zur Gesundheit und zur sinnvollen Freizeitgestaltung. Sport könne man unabhängig vom Alter
ausüben und erfahre dabei Gemeinschaft. Sein Dank, so Gienger, gelte heute noch seinen ersten Trainern, die ihn an das Kunstturnen und den Leistungssport herangeführt hätten.
90.000 Vereine, davon 20.000 Sportvereine, gibt es nach den Worten des Abgeordneten in Deutschland. Wenn man jede dort geleistete Stunde ehrenamtlicher Arbeit mit 10 Euro entlohnen würde, käme im Jahr die unvorstellbare Summe von 50 Milliarden Euro zustande.
Die Vereine und damit die Ehrenamtler könnten sich auf die Unterstützung der Politik verlassen, betonte der erfolgreiche Turner, und nannte Beispiele aus dem aktuellen Koalitionsvertrag. Zugleich beklagte er unter Zustimmung der Anwesenden die überbordende Bürokratie.
Sein Dank galt allen, die sich ehrenamtlich für die Gemeinschaft einbringen. „Dank ist eine verschärfte Form der Bitte: Bitte machen sie weiter“, schloss Gienger unter dem Beifall der Anwesenden seine Ansprache.
Im Anschluss an die Ausführungen Giengers wurden stellvertretend für viele andere vier Frauen und Männer aus Neustadt, Mengsberg, Momberg und Speckswinkel für ihr ehrenamtliches Engagement mit einem von Andreas Dippel aus Holz angefertigten individuellen Kugelschreiber ausgezeichnet.
Michael Ringleb ist seit über zehn Jahren Vorsitzender des Fördervereins für die Kindertagesstätte „Regenbogen“. Der Verein konnte der Einrichtung seit seiner Gründung rund 30.000 Euro zur Verfügung stellen. Michael Ringleb, dessen Kinder schon lange nicht mehr die KiTa besuchen, bringt sich bei allen Veranstaltungen aktiv als Helfer ein.
Rüdiger Mensdorf pflegt seit 12 Jahren eine größere kommunale Grünfläche in Mengsberg ehrenamtlich. Für die Arbeiten nutzt er seine Geräte und kümmert sich auch um das Biotop im Pfarrgarten.
Kunibert Schmitt – der nicht anwesend sein konnte – kann als Momberger Dorfchronist bezeichnet werden. Er sammelt alte Fotos, hat sie schon in einer Ausstellung präsentiert, hat Abhandlungen zu Schule und Kindergarten und anderen lokalen Themen verfasst und sich um eine Chronik der Momberger Gebäude gekümmert.
Karin Balzer gehörte 30 Jahre dem Kirchenvorstand der evangelischen Kirchengemeinde Speckswinkel an. Sie bringt sich noch heute in der Seniorenarbeit ein und gestaltete über Jahre hinweg den Kindergottesdienst mit. Beim Gemischten Chor war sie Schriftführerin.
Die diesmal Geehrten, so der Bürgermeister, zeigten durch ihre Leistungen auf, wie vielfältig ehrenamtliches Engagement in und für eine Kommune sein könne. Zukünftig soll der Abend des Ehrenamtes zu einer Tradition werden.(pm)
Eberhard Gienger zu Gast in Neustadt ©Foto: Stadt Neustadt/nh