BAUNATAL. Wie geht man mit dem Andenken an einen Bürgermeister um, der sich irgendwie, unfassbar und völlig unpassend, einfach „aus dem Staub gemacht hat“, unerwartet und wie bei Franz Schubert mit lauter „Unvollendeten“…? Ganz plötzlich nicht mehr da und doch überall gegenwärtig?
Manfred Schaub ist jetzt posthum Ehrenbürgermeister und Ehrenbürger von Baunatal. Seine Präsenz zu Lebzeiten, setzt sich auch 18 Monate nach seinem Tod, für alle wie ein „Blitz aus heiterem Himmel“ gekommen, fort. Bei aller Auseinandersetzung, aller Taktik während seiner Amtszeit, sind sich nun alle Parlamentarier in Baunatal einig, dass Manfred Schaub sehr deutliche Spuren in „seiner“ Stadt hinterlassen hat. Dabei gibt keinerlei erkennbaren Tendenzen, dass er sich jemals selbst ein Denkmal setzen wollte.
Er kannte mehr Baunataler mit Namen als jeder andere in der Stadt – außer dem Computer im Einwohnermeldeamt – und das ist das beste Indiz dafür, dass ihm alle Baunataler gleichermaßen wichtig gewesen ist. Er hat alle, unabhängig seines gesellschaftlichen Standes, seines Berufes, seiner Herkunft und seines Schulabschlusses, im selben Maß wertgeschätzt und ernst genommen.
Wer sich fragt, warum in Baunatal so gravierende Veränderungen, die das gesamte Stadtbild komplett neu gestalten, so geräuschlos verlaufen, obwohl sich jeder, der zwei oder drei Jahre nicht in Baunatal gewesen ist die Augen reibt, weil er die Stadt kaum wiedererkennt, während in anderen Städten jede Veränderung von massivem Protest, Streit und Zukunftsangst begleitet wird, findet die Antwort in einer wichtigen Fähigkeit von Manfred Schaub: Er hat die Menschen mitgenommen. Nicht nur das, er hat Wünsche gebündelt und daraus Zukunftspläne entwickelt. Es waren nicht nur seine persönlichen Ideen. Das Personalpronomen „ich“ fiel selten in den zahlreichen Pressegesprächen.
Gelegentlich – meist im parteipolitischen Diskurs – sorgen sich viele um womöglich zu große Fußstapfen, in die keiner treten kann, um einen Verlust an Gerechtigkeit, oder an vorhandener Gestaltungskompetenz. So zumindest verliefen die letzten, intensiv geführten Debatten in der Stadtverordnetenversammlung. Ohne Hellseherei, aber Manfred Schaub hätte keine Sonderregelungen für Einzelne auf die Tagesordnung gebracht, keine Eltern in Stellung gebracht gegen minimale Sparbeschlüsse, über die sich Eltern in anderen Kommunen freuen würden und auch weder Laubsammler noch lärmgeplagte Anwohner oder wen auch immer parteipolitisch instrumentalisiert. Gerne haben sich die Oppositionsparteien zuletzt intensiver auf Manfred Schaub berufen, als die Mehrheitspartei. Gerne mit dem Ziel, damit die einen als Verräter an der Sache, sich selbst als Bewahrer der Tradition zu etablieren.
Montagabend wurde allerdings das beschrieben, was diese „Presse“ hier schon immer verbreitet hat: Manfred Schaub hat es, wie kein anderer verstanden, echte Nähe herzustellen und dennoch die nötige Distanz zu wahren. Zu dieser Distanz gehört es, Balance zu halten. Manfred Schaub hat drei Dinge beherrscht und die haben für alles andere gereicht: Er war echt, selbstbewusst und ein erfreulich schlechter Schauspieler. Bei vielen politisch Aktiven – auch in den Kommunen – ist es leider genau umgekehrt.
Baunatal, entstanden aus „armen“ Nachkriegs-Dörfern, ist im Grunde eine „neureiche“ Stadt. Es ist, wie mit allen „Neureichen“: wenn die charakterliche Entwicklung mit der Entwicklung im Geldbeutel nicht Schritt halten kann, dann wird es immer blöd. Es ist nicht allein, aber maßgeblich das Verdienst von Manfred Schaub, dass in Baunatal Überheblichkeit und Allüren nie Platz gefunden haben. Stolz und Würde hingegen ganz sicher. Dabei könnte es zukünftig eigentlich bleiben.
Ihr
Rainer Sander
Hier der Bericht über die Stadtverordnetenversammlung