Bürgerversammlung mit Hessen Mobil und Bürgermeisterin
BAUNATAL. Der Lärmschutz in Baunatal war Thema einer Bürgerversammlung im Stadtverordnetensaal der Volkswagenstadt. Es ist eine schöne Institution, wenigstens einmal im Jahr allen Bürgern Baunatals die Möglichkeit zu geben, zu einem Thema mitzureden und Anregungen zu geben. Das nutzten mit rund 100 Gästen einige wenige der 28.000 Einwohner.
Vor allem die, die immer kommen, also die „üblichen Verdächtigen“ und auch ein paar Kommunalpolitiker, die sich gerne auch hier, außerhalb des Stadtparlaments profilieren. Schließlich sind auch sie Bürger.
Hessen Mobil: Lärmschutz kommt von Herzen
Dahinter mag der Antrieb stecken, die Bürger besser vertreten zu können, als die Bürger das für sich selbst tun können, dürfte in einer Zeit, in der immer mehr das Gefühl haben, nicht gehört zu werden, eher kontraproduktiv wirken. Der meiste Lärm im Straßenverkehr geht nicht von den städtischen Verkehrswegen aus, sondern von den Bundes- und Landes(fern)straßen. Folgerichtig also, dass zu Beginn der Veranstaltung Anita Feder-Krantz von Hessen Mobil (früher Amt für Straßenbau) zum Thema referierte. „Lärmschutz kommt von Herzen und wir nutzen jeden Ermessensspielraum für die Betroffenen“, erklärte die Mitarbeiterin aus dem Bereich Immissionsschutz.
Die Definition von Lärm ist einfach: Das ist unerwünschter Schall. „Ihr schützt mich davor“, sollen die Bürger spüren, deshalb Lärmschutz. Wie weit die Wahrnehmung dazu auseinanderliegen kann, kam in der Bürgerbeteiligung später dann auch zum Ausdruck.
Die wichtigsten Erkenntnisse:
- Drei dB (A) (Dezibel) mehr oder weniger nehmen menschliche Ohren erst als Veränderung wahr. Um sie zu erreichen, muss sich der Verkehr exakt verdoppelt haben oder wäre im Umkehrschluss zu halbieren, damit’s erträglicher wird.
- Lärmschutzmaßnahmen werden immer am einzelnen Haus orientiert vorgenommen, nicht generell für ein Wohngebiet. Je nachdem.
- Auch wenn es nicht ausdrücklich so gesagt wurde, aber durchaus herauszuhören war: Lärmschutz greift immer bei neuen Projekten. Die aktuellen Regeln im Bestand anzuwenden ist verdammt schwer bis aussichtslos.
- Es wird nie gemessen, sondern nur gerechnet. Subjektive Wahrnehmungen, die ja das störende Empfinden erst wirklich erlebbar machen, bleiben daher unberücksichtigt. Wen rechnerisch kein Krach da sein kann, lässt er sich auch dann kaum verhindern, selbst wenn jemand ihn hört.
- Lärmvorsorge ist möglich, wenn der Lärm damit um 3 dB (A) reduziert wird und er erstmals dauerhaft den gesundheitsgefährdenden Bereich überschreitet.
- Jedes Land und der Bund haben allerdings andere Werte. In Gewerbegebieten genießt man geringeren Schutz als in Wohngebieten. Bei unterschiedliche Straßenarten auch.
Der Unterschied zwischen Physik und Wahrnehmung…
Willi Vollmer will wissen, ob Ampel oder Kreisel lauter sind. Tatsächlich ist statistisch die Kreuzung leiser. Und wie ist es mit Pflanzen? Die würden verfälschen, weil sie im Winter – mangels Belaubung – nicht schützen. In Berechnungen werden sie nicht einbezogen. Der Nachteil wird in der Diskussion am Rande deutlich: Sind sie weg, ist es rein rechnerisch auch nicht lauter geworden. Faktisch kann das durchaus so sein. An diesen Punkten prallen dann die Empfindungen Betroffener und die wissenschaftliche Betrachtung von Ingenieuren stets ungebremst aufeinander…
Piep, piep, piep, Eeeeiii, Rattata und uiuiui
Rudi Becker erklärt, dass die Müllfahrer jetzt bei veränderter Verkehrsführung in seiner Straße lauter rangieren müssen und wegen parkender Autos auch noch laut schimpfen. Eindrucksvoll ist seine Handyaufnahme mit Geräuschen des Müllautos. Er möchte eine Sperrfläche überprüft haben. Es soll am Brehmacker wieder wie früher geparkt werden. Stadtverordetenvorsteher Peter Lutze will das überprüfen, Bürgermeisterin Silke Engler weiß indes: es hat gute Gründe gegeben und die Mehrheit der Anwohner war für die neue Regelung. So können auch Bürger unterschiedlich Wahrnehmen.
Dr. Rainer Oswald (ehemaliger FDP-Bürgermeisterkandidat) will wissen, wie präzise die Messfaktoren sind. Nordhessen habe überwiegend Schwerlastverkehr. Das, so Hessen Mobil, werde berücksichtigt. Karl Heinz Freitag stellt fest, In Großenritte an den Bahnschienen wird gerast. Es muss gemessen werden, möchte er. Positiv sei die Niedensteiner Straße nach dem Umbau. Lorena Korschan findet, dass der Autobahnlärm am Baunsberg mit dem Wall Richtung Nordhausen lauter geworden ist. Das, so Hessenmobil ist wissenschaftlich nicht haltbar, weil die schrägen, bewachsenen Flächen nicht reflektieren. Macht es Uiuiuiui will Herr Wagner wissen? Er hört das in seiner Wohnung in Waldau auch, weil der Verkehr zugenommen hat….
Baulärm ist endlich…
Auch unzulässig lauter getunte Autos und Raser sind Thema, Herr Mengel stört sich am Baulärm in der Birkenallee und das schon seit zwei Jahren. Frau Engler: „Jeder von uns wohnt an einer Lärmquelle … wir wussten, es wird keine schöne Veranstaltung … der Baulärm wird aber aufhören, weil im Januar die Maßnahme abgeschlossen sein wird.“ Das Ordnungsrecht, so Frau Engler, ist einDschungel. Die Rücksichtslosigkeit steigt, aber die Polizei hat Tuner und Verkehrssünder im Blick.
Edmund Borschel (Fraktionsvorsitzender der Grünen) will etwas über den Lärmschutz in Altenritte zwischen Wohn- und Gewerbegebiet wissen. Herr Wagner erklärt, dass jedes Haus berechnet wird, nicht das Gebiet. Verkehrsminister Tarek Al Wasir habe bei Lärmsanierungen den Auslösewert um 3 dB (A) gesenkt, das eröffne Möglichkeiten.
Rengershausen im Fokus
Frank Eskuche will wissen, was „Flüsterasphalt“ bringt. Der heißt – laut Hessen Mobil – „Offenporiger Asphalt“, bring bis zu 4 dB (A) Gewinn, kann aber nicht überall verbaut werden. Ist ein falscher Asphalt an der Knallhütte verbaut worden?
Klaus Spielbrink erklärt, dass es mit der neuen Brücke in Rengershausen lauter geworden ist. Ein Problem, das man auch in Edermünde bestens kennt. „Wie erklären Sie sich das?“ Will Herr Wagner von Hessen Mobil wissen? „Das müssen sie doch wissen“, findet Herr Spielbrink.
Warum wird die Polizei mit Lärmschutzwall geschützt aber die Anwohner nicht lautet die nächste Frage aus Rengersahsuen? Das kann sich auch Hessenmobil nicht erklären.
Herbert Rudolf macht klar: Rengeshausen liegt zwischen zwei Autobahnen und der Eisenbahn. „Ist da Lärmschutz vorgesehen?“ Hessen Mobil meint ja, wenn Autobahn durchgebaut ist, werde ganz sicher lauter.
In der Rudolf-Diesel-Straße ist der Bahnübergang zu laut… In der Besser Straße ist das Verkehrsaufkommen unerträglich. Frau Engler ist ein wenig ratlos, weil viele Schauenburger die Ampel in der Schulze-Delitzsch-Straße meiden und stattdessen mitten durch Großenritte fahren. Das sei auf einer öffentlichen Straße kaum einzuschränken. Und mit Hindernissen? So die nächste Frage? Die wollen andere in Baunatal gerne wieder loswerden, weil es dann noch lauter wird durch Bremsen und Beschleunigen… Für manches gibt es keine schnelle Lösung, aber eine Lösung wird gemeinsam gesucht! (rs)