Stadtverordnetenversammlung Homberg nimmt Plan zur Kenntnis
HOMBERG/EFZE. Politik ist nicht immer einfach, auch wenn die Zahl derer wächst, die das wider besseres Wissen marktschreierisch verkünden. Das merken in der durchweg ehrenamtlichen Kommunalpolitik immer mehr Parlamentarier. Zum Beispiel, wenn sie 393 Seiten Haushalt zu lesen bekommen.
So umfangreich ist die Haushaltssatzung für 2020, die Bürgermeister Dr. Nico Ritz am Donnerstagabend in die Stadtverordnetenversammlung einbrachte.
Nur noch 451.311,00 Euro Überschuss erwartet
33.381.830,00 Euro Einnahmen und 32.930.519,00 Euro Auszahlungen sollen einen Saldo von 451.311,00 Euro ergeben. So ist der Plan. Der lässt sich erfüllen, wenn 2,1 Millionen Euro Grundsteuer, 4,4 Millionen Euro Gewerbesteuer, 6,7 Millionen Euro Einkommensteuer, 800.000 Euro Umsatzsteuer und 221.000 Euro kommunale Steuern, wie auf Hundehaltung oder Spielapparate, in den Haushalt einfließen. Die Schlüsselzuweisungen vom Land Hessen werden mit 9,0 Millionen Euro veranschlagt.
Viele Steuerarten basieren auf Steuerprognosen und können durchaus abweichen. Im Trendverlauf steigen der Einkommensteueranteil linear und die Schlüsselzuweisungen kontinuierlich. Die Gewerbesteuer sinkt in Homberg.
2019: schlechter als geplant, dennoch positiv
Die Haushaltssatzung (früher: Haushaltsplan) öffnet mit einem Zwischenstand zum Haushaltsjahr 2019: Nach dem Konsolidierungspfad des Kommunalen Schutzschirms, unter dem sich Homberg noch befindet, muss das Haushaltsjahr 2019 ausgeglichen abschließen: „Mit dem Haushaltsansatz für 2019 im ordentlichen Ergebnis mit einem Überschuss von rund 1.188.398 Euro ist die planmäßige Vorgabe des Kommunalen Schutzschirms erfüllt. Mit dem Stand Mitte Oktober 2019 ist der Trend abzusehen, dass das ordentliche Ergebnis zwar positiv abschließen wird, jedoch mit einem wesentlich geringeren Überschuss als im Haushaltsplan veranschlagt. Dennoch wäre die Vorgabe des Kommunalen Schutzschirms tatsächlich realisiert.“
Zwei Drittel der Kosten durch Pflichtumlagen und Personalkosten
Mit jeweils etwa einem Drittel der Aufwendungen, sind die Umlagen und die Personalaufwendungen die größten Positionen bei den Kosten, die die Kreisstadt zu stemmen hat. Mit 6,3 Millionen Euro ist die Kreis- und Schulumlage die herausragendste Position. Dafür werden zukünftig noch mehr Kosten erwartet. Die Abschreibungen, also der kalkulierte Wertverlust auf das Anlagevermögen – verteilt auf die Nutzungsdauer – der Stadt (Gebäude und Grundstücke, Straßen, Maschinen, Fahrzeuge) liegt bei 3,4 Millionen Euro. Ganze 5,6 Millionen Euro entfallen auf Sach- und Dienstleistungen, also nur rund 15 Prozent der Aufwendungen. Die Zahlen kennzeichnen die Spielräume der Stadt.
Über 10 Millionen Euro an Investitionen
Dennoch wird investiert in Homberg. Insgesamt 10,2 Millionen Euro fließen in Baumaßnahmen und Anschaffungen. 4,6 Millionen Euro davon werden über Zuschüsse finanziert. Drei Einzelpositionen liegen jeweils knapp über 1 Million Euro: Die Neugestaltung der Straßenräume in der Innenstadt, die grundhafte Sanierung des B-Platzes und die Aufwertung des Freibades Erleborn.
Bürgermeister Dr. Ritz erläuterte, dass im Bereich der Feuerwehr, in der Gesamtsumme ebenfalls eine Million – unter anderem in vier Fahrzeuge – investiert wird. Der Abwasserbereich wird – im Wesentlichen für Maßnahmen aus der Eigenkontrollverordnung – jedes Jahr eine Million Kosten verursachen. Das Kindergarten-Thema, so der Bürgermeister, wird so aufgenommen, dass es sich am Kita-Entwicklungskonzept orientiert. Um Ressourcen bündeln werden im Rathaus Fachbereiche angepasst. Bürgerbüro und Standesamt sind bereits fusioniert.
Haushalt wird jetzt beraten
„393 Seiten sind ungewohnt viel“, sagte Dr. Ritz. Bisher spielt Outsourcing keine Rolle, der Haushalt bildet also alles ab, es ist nichts ausgegliedert. Wohl gleich ist nicht auszuschließen, dass das Ergebnis in den nächsten Jahren nicht mehr so positiv sein wird. Der aktuelle Haushalt bildet die Situation ab und erfüllt die Anforderungen aus dem Schutzschirm. Der Haushalt wird nun beraten und steht nach Abschluss der Beratungen zu Abstimmung an.
Entlassung aus dem Schutzschirm wird beantragt
Die Prüfung des Jahresabschluss 2017 ist inzwischen erfolgt. Insgesamt hat die Prüfung zu keinen Einwendungen geführt und es wird bestätigt, dass der Jahresabschluss 2017 den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Die Stadtverordneten beschlossen den Abschluss bei gleichzeitiger Entlastung des Magistrats. Darüber hinaus wird der Magistrat beauftragt, die Entlassung aus dem kommunalen Schutzschirm zu beantragen.
Ärztehaus am Obertor – dritter Bauabschnitt
Auf einen Antrag der SPD-Fraktion aus dem Jahr 2018 und anknüpfend an Lösungsvorschläge des Architekten Mienert zu den Problembereichen Liegendanfahrt, Parkraum und Müllentsorgung hat sich der Magistrat noch einmal intensiv mit den Optimierungsmöglichkeiten im Ärztehaus am Obertor beschäftigt. Für das Jahr 2019 wurden im Haushalt Planungskosten in Höhe von 50.000 Euro veranschlagt. Der entsprechende Planungsauftrag wurde Ende Juni 2019 an das Büro Ideenwelt Gesundheitsmarkt (IWG), Gießen, vergeben. Gesine Schmidt stellte als leitende Architektin dieses Büros einen Zwischenbericht zum Planungsstand und zu ihrem Lösungsansatz hinsichtlich der baulichen Optimierung des Ärztehauses vor
Die Ärzte wurden mit Fragebögen befragt, Anlieferungen und Anfahrten sowie die Praxissituationen untersucht. Wesentliche Problem sind die Unübersichtlichkeit des Gebäudes und die Höhenvorsprünge. Müll sollte zukünftig nicht mehr auf der anderen Straßenseite gelagert werden. Ziel war es die Erschließung zu zentralisieren und Barrierefreiheit zu erreichen. Das Haus sollte vertikal erschlossen werden. Der Lösungsvorschlag des Büros ist dadurch gekennzeichnet, dass nur noch ein Eingang auf einem neuen Parkdeck und nur noch ein zentraler Aufzug vorhanden sein sollen.
200.000 Euro werden für 2020 eingeplant
Im Haushaltsentwurf 2020 werden für diese Maßnahme weitere 200.000 Euro veranschlagt. Über Art und Umfang der umzusetzenden baulichen Maßnahme könnte in der ersten Stadtverordnetenversammlung des Jahres 2020 entschieden werden. Unter dieser Voraussetzung dürfte es realistisch sein, noch im Jahr 2020 eine Baugenehmigung für den dritten Bauabschnitt zu erhalten und auch die Bauausführungsplanung vollständig abzuschließen. Herr Koch (FWG) will angesichts der erheblichen Eingriffe wissen, ab sich das Objekt überhaupt bei laufendem Betrieb umbauen lässt? Das wird bis auf Ausnahmen möglich sein, so die Auskunft.
Interkommunale Zusammenarbeit
Die Gemeinden Frielendorf und Knüllwald, die Städte Homberg (Efze) und Schwarzenborn sowie die Abwasserverbände Oberes Beisetal und Oberes Efzetal streben eine Interkommunale Zusammenarbeit im Bereich der Technischen Betriebsführung für ihre Abwasseranlagen an. Die Gemeindevorstände, Magistrate und Verbandsvorstände werden beauftragt, zeitnah eine entsprechende öffentlich-rechtliche Vereinbarung zu erarbeiten.
Stellplatz- und Ablösesatzung
Aufgrund der neuen Hessischen Bauordnung (HBO) vom 07.07.2018 müssen die Stellplatzsatzung und die Ablösesatzung der Kreisstadt Homberg (Efze) angepasst werden. Der vorgelegte zweite Entwurf wurde mit einer Änderung angenommen. Marcel Smolka (B90/GRÜNE) fand die Quote für Elektrofahrzeuge zu niedrig. Problematisch sei nicht mehr die Reichweite, sondern die Ladeinfrastruktur. Ab 20 Stellplätzen müssen mindestens 25 Prozent der Stellplätze für eine Stromzufuhr vorgesehen werden, statt im Entwurf nur 5 Prozent.
Landschaftsplan
Der Landschaftsplan für die Kreisstadt Homberg (Efze) soll neu aufgestellt werden. Die entsprechenden Haushaltsmittel werden für 2020 und fortführend bis 2023 angemeldet. Das Vergabeverfahren soll nach Genehmigung des Haushalts 2020 durchgeführt werden.
Anordnung der Umlegung
Für die noch landwirtschaftlich genutzten Flächen innerhalb des Bebauungsplanes Nr. 1 im Stadtteil Mühlhausen „Kalkäcker, Eisenberg, Wieselhecke, Kirschenberg“ und deren angrenzende Grundstücke wird eine Umlegung zum Zwecke der Erschließung neuer Baugrundstücke angeordnet. Das Gebiet erstreckt sich auf die Flächen zwischen der vorhandenen Bebauung „Kalkacker“ im Süden und der Gewann „Am Berger Wege“ im Norden. Im Westen endet es an der Gewann „Am Lendorfer Wege“ und im Osten an der Kreisstraße „Berger Straße“.
Ziegenhainer Straße
Die Neugestaltung des oberen Teils der Ziegenhainer Straße soll unter Einbeziehung des Einmündungsbereichs zum Bindeweg ausgeführt werden, so die verabschiedete Beschlussvorlage. Der Magistrat wird beauftragt, für eine endgültige Vorlage folgende Punkte einzuarbeiten:
- Wegfall der Parkplätze zwischen Drehscheibe und Bindeweg
- Verhinderung von „Wildparken“
- Ziel: Radwege auf beide Seiten der Straße
- Verzicht auf Verkehrsinseln
- Bis zur endgültigen Umgestaltung der Ziegenhainer Straße: Einrichtung von Fahrradschutzstreifen von der Konrad-Muth-Straße bis zur Anbindung an den Bindeweg
- Herstellen von Barrierefreiheit ohne Bordsteine
- Fahrbahnbreite links und rechts 2,95 m, dazu ein 1 Meter breiter Mittelstreifen, Höhengleich mit der Fahrbahn
- Erhalt des Fußgängerüberwegs
Hessisches Plädoyer für ein solidarisches Zusammenleben
„Die Würde des Menschen zu schützen ist Sinn der Demokratie“. Einstimmig verabschiedeten die Homberger Stadtverordneten zum Schluss der Sitzung das entsprechende Hessische Plädoyer für ein solidarisches Zusammenleben. Hier der Wortlaut:
„Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren.“ (Richard von Weizsäcker).
- Die Würde des Menschen zu schützen ist Sinn der Demokratie. „Die Menschenwürde ist unantastbar“ – dieser Grundsatz ist die erste und oberste Norm unseres demokratischen Staates. Er unterliegt einem absoluten Schutzgebot. Er ist Leitgedanke allen staatlichen Handelns und des gesellschaftlichen Zusammenlebens und ist nach allem, was durch Deutsche an Unmenschlichkeit und Hass geschehen ist, nicht verhandelbar. Es geht um das Recht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit und um Freiheit als Kern der Menschenwürde, aber auch um Gleichheit, Respekt und Teilhabe in unserer Gesellschaft. Unsere Unterschiede und unsere kulturelle Vielfalt begreifen wir als Chance und Reichtum.
- Gegenwärtig findet eine dramatische politische Verschiebung statt. Rassismus und Menschenfeindlichkeit sind in erschreckendem Maße gesellschaftsfähig geworden. Was gestern noch undenkbar war und als unsagbar galt, wird derzeit Realität. Viele Teile Europas sind von einer nationalistischen Stimmung, von Ausgrenzung und Entsolidarisierung erfasst. Widerspruch wird gezielt als realitätsfremd diffamiert, solidarisches Handeln von einzelnen Regierungen kriminalisiert. Humanität und Menschenrechte, Religionsfreiheit und demokratischer Rechtsstaat werden offen angegriffen. Es ist ein Angriff, der uns allen gilt.
- Wir treten für eine offene, demokratische und solidarische Gesellschaft ein und wollen den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf der Grundlage von Menschenwürde, Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit fördern. Wir treten jeder Form von Demokratiefeindlichkeit, Hass, Hetze, Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus und Erniedrigung entgegen. Wir wollen noch stärker als bisher die Anerkennung von Verschiedenheit mit dem Engagement gegen Ungleichheit verbinden, in Deutschland, in Europa und weltweit.
- Wir setzen uns ein für ein offenes, demokratisches und solidarisches Europa, das der zunehmenden sozialen Ungleichheit stärker als bisher entgegenarbeitet. Wir verteidigen das Recht auf Leben und das Recht auf Schutz und Asyl. Wir engagieren uns für ein Europa, das sich auch seinem kolonialen Erbe stellt und seiner Verantwortung für eine solidarische Weltgesellschaft gerecht wird. Gerade in der Zeit der Krise gibt es keinen anderen Weg als die Solidarität zwischen den Menschen.
- Wir wollen beitragen zu einem zukunftsfähigen Verständnis unserer Demokratie, das sich für bisher ausgeschlossene Menschen öffnet. Wir wollen neu verhandeln, was ein gutes demokratisches Miteinander ausmacht – ohne zum Beispiel Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte auszuschließen. Wir setzen uns für eine demokratische und gewaltfreie Streitkultur ein. Und wir schreiten ein, wenn die Grenzen eines guten, fairen und demokratischen Miteinanders verletzt werden.
Wir verpflichten uns, einen Diskussionsprozess zur Weiterentwicklung unserer Demokratie anzustoßen und mitzutragen. Dabei stehen wir ein für Ehrlichkeit – auch gegenüber Fehlern, die im Miteinander einer sich schnell verändernden Gesellschaft gemacht werden. Wir sehen dieses Hessische Plädoyer als Auftakt eines Prozesses. Wir wünschen uns, dass sich eine breite demokratische Mehrheit unseres Landes daran beteiligt.
Grafiken
Die folgenden Grafiken wurden der Haushaltssatzung der Stadt Homberg entnommen. (Rainer Sander)
1 Kommentar
Kaum einer kann einen Haushaltsplan verstehen , für Normale Bürger ist es nicht möglich . Da wird zugestimmt in der Hoffnung das alles richtig ist :
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