KASSEL. Die MT Melsungen strauchelte, fiel aber nicht. Mit 28:27 (15:14) schlugen die Nordhessen in einem spannenden, zum Schluss packenden und zuvor jederzeit abwechslungsreichen Schlagabtausch den HC Erlangen.
Vor 3.769 Zuschauern in der Kasseler Rothenbach-Halle erwiesen sich die Mittelfranken als äußerst unbequemer Gegner. Mit sieben Toren, davon drei Siebenmeter, war Michael Allendorf zum zweiten Mal hintereinander bester MT-Schütze. Für Erlangen trafen Sime Ivic und Johannes Sellin sechsmal, der ehemalige Melsunger verwandelte dabei zwei Strafwürfe.
Vom Anwurf weg legten beide Mannschaften ein irres Tempo vor. Da wurde nicht taktiert oder lange gefackelt, da ging es direkt in Richtung gegnerisches Gehäuse. In den ersten 60 Sekunden zweimal seitens der MT, einmal vom HC – und alle Versuche waren drin. 2:1 also, noch bevor der Zeiger die Runde einmal vollendet hatte. Dass das so nicht weitergehen würde war klar, allerdings spielten sich zuerst die Gäste etwas frei. Und nutzten nach zweimal Ausgleich durch Quentin Minel durch Christopher Bissel gleich den ersten Offensivfehler der Melsunger zur eigenen Führung (4.). Die Sime Ivic kurze Zeit später sogar auf zwei Tore ausbaute (3:5, 7.).
Über das vermeintliche Rekordspiel von Carsten Lichtlein, das nun offiziell doch keins war, wurde vorher viel spekuliert. Diskussionsfrei klar indes war und ist seine Ausnahmeposition in Sachen gehaltener Siebenmeter in Deutschlands höchster Spielklasse. Was er nach knapp neun Minuten gegen Lasse Mikkelsen prompt unter Beweis stellte. Besser machte es auf der Gegenseite der ehemalige Melsunger Johannes Sellin: er traf von der Linie zum 4:6 (10.). Für fast sechs Minuten allerdings das letzte Lebenszeichen des Erlanger Angriffs. Der biss sich am starken rotweißen Innenblock mit Finn Lemke und Felix Danner nämlich die Zähne aus, während vorn Tobias Reichmann, Michael Allendorf, Lasse Mikkelsen und Kai Häfner die Partie zum 8:6 drehten (15.).
Michael Allendorf erhöhte mit seinem dritten Tempogegenstoß auf 10:7, dann musste Mikkelsen für zwei Minuten runter. Das nutzte Nico Büdel trotz angezeigten passiven Spiels, ebenso wie Sebastian Firnhaber ins Netz traf, als kurz darauf auch Julius Kühn runter musste. Johannes Sellin setzte sogar noch einen drauf und traf ins vom eingewechselten Johan Sjöstrand verlassene Tor zum 11:10 (20.). Erlangen war wieder in Schlagdistanz. Auch noch, als Heiko Grimm fünf Minuten vor der Pause zur Auszeit bat, denn direkt davor hatte Nico Büdel zum zweiten Mal bei Passivität in allerletzter Sekunde abgeschlossen – und zum 13:12 getroffen (25.).
Danach war zweimal Julius Kühn dran. Erst mit einem Lattenkracher, im Anschluss nach der mittlerweile dritten Sjöstrand-Parade unwiderstehlich über die erste Welle zum 14:12. Zur Sicherheit trug das indes nicht bei. Johannes Sellin verwandelte seinen zweiten Strafwurf, dann hatte Christopher Bissel über Linksaußen völlig freie Bahn zum Ausgleich. Es war Stimmung unter dem Dach, zumal Tobias Reichmann die Führung zwar zurückholte, dann aber Stefan Salger nach einem kleinen Scharmützel mit Nico Büdel auf die Bank musste. Aber die Abwehr hielt, blockte alles ab und rettete den knappen Vorsprung trotz Unterzahl in die Kabine.
Was vor dem Seitenwechsel nicht mehr gelang, vollendete Johannes Sellin danach: das 15:15 nämlich, immer noch in Überzahl. Der war dann sogar gleich noch mal dran, brachte das Leder von der Siebenmeterlinie aber nicht an Johan Sjöstrand vorbei. Dafür traf Kühn auf der gegenüberliegenden Seite gleich doppelt: 17:15 (33.). Immer wieder endeten die Erlanger Angriffsbemühungen am Melsunger Innenlock. Wo Stefan Salger den Part des leicht angeschlagen auf der Bank sitzenden Finn Lemke klasse übernahm und mit beteiligt war am nächsten Ballgewinn. Der allerdings endete beim eingewechselten Nikolas Katsigiannis, die Mittelfranken kamen durch Sellin wieder ran (36.).
Knapp fünf Minuten später sah dann tatsächlich alles ganz anders aus. Nach einem 3:0-Lauf der Gäste und Sime Ivic‘ Tor zum 18:19 fand sich Melsungen plötzlich in der Rolle des Jägers wieder (40.). Trainer Heiko Grimm bat zur Auszeit und stellte um. Ließ ohne Rückraum-Linken spielen, vertraute im Rückraum auf Mikkelsen und Häfner, stellte dafür Danner mit Maric gemeinsam an den Kreis und zog so die Gästeabwehr in der Mitte zusammen. Das Resultat: viel Platz auf Außen, den Tobias Reichmann prompt zum Ausgleich nutzte (42.).
Der nächste taktische Streich: mit Mikkelsen und Pavlovic zwei Spielmacher, dazu als Rückraum-Rechten Stefan Salger statt Kai Häfner. Wieder gelungen, denn der Linkshänder setzte sich durch und machte das 20:19 (44.). Was die Stimmung auf den Rängen in die Höhe trieb. Noch mehr, als Johan Sjöstrand seinen zweiten Siebenmeter, diesmal von Nikolai Link, parierte. Gegen den Tempogegenstoß von Johannes Sellin zur Egalisierung auf 20:20 war er allerdings machtlos (47.). Bitter für die Gäste: bei der Balleroberung zuvor verletzte sich Nico Büdel und musste vom Feld.
Die ließen sich davon aber nicht aus dem Konzept bringen, legten erst einmal weiter vor und strotzten vor Selbstbewusstsein. Erst Michael Allendorfs verwandelter Siebenmeter zum 23:22 (52.) ließ das Pendel wieder zu Gunsten der Hausherren ausschlagen und zwang Adalsteinn Eyjolfsson zur Auszeit. Die trotz Sebastian Firnhabers anschließendem Tor verpuffte, weil sich Nikolai Link seine Disqualifikation durch die dritte Zeitstrafe einfing, Kai Häfner zweimal traf, sich der HCE einen technischen Fehler erlaubte, Sime Ivic auch noch auf die Strafbank musste und Finn Lemke zum 26:24 netzte (56.). Die Vorentscheidung, denn diesen Vorteil gaben die Rot-Weißen nicht mehr her, auch wenn Erlangen verbissen alles versuchte. Bis nach Antonio Metzners 27:26 durften sie hoffen, dann machte Michael Allendorf mit seinem von Kai Häfner herausgeholten Siebenmeter alles klar. Metzners zweites Tor zum Endstand änderte nichts mehr, auch wenn sich die MT noch einen Fehlwurf leiste. Quentin Minels letzter Freiwurf aus zwölf Metern bei abgelaufener Uhr blieb im Melsunger Abwehrblock hängen.
Stimmen zum Spiel
Heiko Grimm: Was wir für dieses Spiel befürchtet hatten, ist eingetreten. Wir wussten, dass Erlangen ein sehr unbequemer Gegner sein würde, darauf hatten die letzten Begegnungen und Ergebnisse schon hingewiesen. Am Ende sind wir froh, dass wir das Spiel gewinnen konnten. Aber es war kein schönes Spiel. Wir kamen nie richtig in unser Tempospiel. Erlangen spielt seine Angriffe sehr lang aus, da wird man als Mannschaft schon mal ungeduldig. Aber es ist eine Qualität, dass man auch solche Spiele gewinnt. Jetzt freuen wir uns erst mal auf ein paar freie Tage, nach dem Kraftakt in Wetzlar waren wir schon etwas müde.
Adalsteinn Eyjolfsson: Glückwunsch an Heiko und die MT Melsungen für das schon wieder mit einem Tor gewonnene Spiel. Das ist jetzt das dritte Mal, dass wir hier enttäuscht sitzen und mit einem verloren haben. Aber wenn man unsere Steigerung in den letzten Partien sieht, kann man trotzdem zufrieden sein. Nachdem wir Melsungen in der ersten Hälfte zu viele Bälle geschenkt haben, schafften wir es in der zweiten Hälfte zu mehr Balance. Knackpunkt war die Rote Karte gegen Link mit den dazugehörenden zwei Minuten Strafe. Da schlug dann die Erfahrung der MT zu. Sie haben das Momentum genutzt, um das Spiel zu entscheiden. Insgesamt bin ich zufrieden mit unserem Auftreten, mit dem Ergebnis natürlich nicht.
Axel Geerken: Ich war während des Spiels immer entspannt – nicht. Im Ernst, ich hatte vorher schon einige Bedenken. Es war klar, dass es nicht immer so weitergehen konnte wie zuletzt. Am Ende bin ich froh, dass wir es noch umgebogen haben. Wie Heiko schon sagte: so ein Spiel zu gewinnen ist eine Qualität. Aber diese Qualität muss man nicht unbedingt zu oft bemühen.
Kevin Schmidt: Auch von meiner Seite Glückwünsche. Wir haben nach unserem Göppingen-Spiel zusammen gesessen Das war keine gute Leistung von uns. Die Jungs hatten dem entsprechend Wut in sich und wollten zeigen, dass es anders geht. Das haben wir dann zuletzt im Spiel gegen die Rhein-Neckar Löwen auch gezeigt. Klar, wir nehmen hier heute keine Punkte mit, können mit unserem Auftritt aber dennoch zufrieden sein. Jetzt haben wir als nächstes Magdeburg zu Hause in der eigenen Arena und wissen, dass da alles möglich ist.
Die nächsten Spiele:
DO, 31.10.2019, 19:00 Uhr, THW Kiel – MT Melsungen, Sparkassen Arena Kiel
SA, 09.11.2019, 20:30 Uhr, MT Melsungen – SC DHfK Leipzig, Rothenbach-Halle Kassel
Internet: MT Melsungen