KASSEL. Die MT Melsungen hat mit einem 26:23 (15:12)-Sieg über den TBV Lemgo ihren ersten doppelten Punktgewinn der neuen Saison eingefahren. Sich dabei das Leben durch eine Vielzahl von Fehlern im Vorwärtsgang selbst schwer gemacht.
Vor 3.326 Zuschauern in der Kasseler Rothenbach-Halle holten sich die Gastgeber zwar schnell eine vermeintlich sichere Führung, die sie aber in der Folge nicht auszubauen vermochten. Acht ganz schwache Minuten nach der Pause stellten alles wieder auf Ausgangszustand und holten Lemgo zurück in die Partie. Dreimal konnten die Lipperländer selbst in Führung gehen, aber am Ende setzte sich dann doch die etwas Nerven stärkere Mannschaft durch. Auch dank einer Leistungssteigerung des früh eingewechselten Johan Sjöstrand im Tor. Mit je sechs Toren war Julius Kühn erfolgreichster MT-Schütze, für Lemgo traf Bjarki Elisson zehnmal, davon siebenmal von der Siebenmeterlinie.
Nur etwas mehr als eine halbe Minute brauchte die MT, um das Leder erstmals im von Peter Johannesson gehüteten Lemgoer Gehäuse unterzubringen, noch mal 45 Sekunden für das zweite Erfolgserlebnis, weitere 120 für die Treffer drei und vier. Unterbrochen nur vom zwischenzeitlichen 2:1 legten die Gastgeber in den ersten dreieinhalb Minuten los wie die Feuerwehr. Leisteten sich dann aber einen technischen Fehler beim Abschluss und wurden anschließend vom spektakulär parierenden TBV-Keeper ausgebremst. Julius Kühn kam zwar mit dem 5:2 (7.) schon zu seinem dritten Treffer, „bediente“ danach aber Isaias Guardiola im Vorwärtsgang, sodass der im Tempogegenstoß zum 5:3 verkürzen konnte (8.). Ohne ergebnistechnische Folgen, denn der vierte Streich des Kanoniers zum 7:3 veranlasste Florian Kehrmann zur frühen ersten Auszeit (9.)
Melsungen behielt sein Tempo bei, leistete sich dabei aber in der Summe nicht weniger Fehler als der Gegner. So blieb die Führung konstant. Weil Tobias Reichmann nach Ballgewinn schnell umschaltete, Yves Kunkel auf Linksaußen viel Platz hatte und Kai Häfner von Halbrechts einlochte, aber Lemgo nach Kräften dagegen hielt. Phasenweise ging es auf dem Feld kunterbunt durcheinander, wechselte der Ballbesitz viermal innerhalb einer Minute ohne Torerfolg oder auch nur Torwurf. Kurzzeitig zugunsten der Gäste, bei denen Bjarki Elisson dreimal hintereinander zum 11:8 traf. Direkt gekontert von Finn Lemke via erster Welle zum 12:8 (18.).
Lemgo hätte mehr machen müssen aus den nächsten Glanzparaden von Peter Johannesson. Der hatte nach 22 Minuten immerhin schon fünf Bälle abgewehrt, Nebojsa Simic auf der anderen Seite noch gar keinen. Dennoch reichte es nur zum 12:10 durch Dani Baijens‘ Doppelpack, den wieder Finn Lemke beantwortete. Die Lipperländer leisteten sich einfach viel zu viele Würfe übers Tor oder am Pfosten vorbei. Dadurch enteilten die Nordhessen erst einmal auf 14:10 durch Roman Sidorowicz (24.), ließen den TBV aber durch Tim Suton wieder auf 14:12 heran (27.). Was Yves Kunkel wenigstens wieder auf drei ausbaute, ehe die letzten zweieinhalb Minuten zum kollegialen Fehlerfestival auf beiden Seiten mutierten.
Mit zwei Paraden von Johan Sjöstrand gegen Tim Suton und Christian Klimek begann die zweite Hälfte eigentlich positiv für die Hausherren. Weil die Abpraller aber jeweils bei einem Blau-Weißen landeten, die Referees zudem eine regelwidrige Aktion sahen, die zum vierten erfolgreich verwandelten Siebenmeter von Bjarki Elisson führte und Tim Suton dann nach dem nächsten MT-Fehler doch noch traf, wendete sich das Blatt unversehens. Schlimmer noch, auch der nächste Angriff führte ins Leere. Kai Häfner leistete sich ein mit einer Bankstrafe geahndetes Foul und Elisson schickte sofort seine nächsten beiden erfolgreichen Strafwürfe hinterher – 15:16 und Auszeit durch Heiko Grimm (37.).
Kai Häfner unterlief der nächste Fehlpass in die Arme von Isaias Guardiola, doch der hämmerte das Leder beim Tempogegenstoß ans Lattenkreuz statt ins Netz. Erst eine Zeitstrafe gegen Christian Klimek, verbunden mit dem ersten Siebenmeter für Melsungen – verwandelt von Lasse Mikkelsen – führte auch zum ersten MT-Tor nach dem Seitenwechsel (39.). Die kurzzeitige doppelte Überzahl, nachdem auch Fabian van Olphen runter musste, nutzte Marino Maric zum Ausgleich und Mikkelsen vollstreckte drei Sekunden vor Vervollständigung des TBV zur Hausherren-Führung, doch van Olphen traf sofort nach seiner Rückkehr zum 18:18 und Bjarki Elisson holte die Führung für die Gäste zurück (45.).
Ein handballerischer Leckerbissen war die Partie auch in dieser zweiten Hälfte nicht. Dafür aber schnell, spannend und bisweilen spektakulär. Erst drehte die MT das Ergebnis abermals, dann parierte Johan Sjöstrand klasse gegen Tim Suton, Kai Häfner schnappte sich das Leder und schickte Tobias Reichmann auf die Reise zum 21:19 (48.). Sofort im nächsten Angriff der Ostwestfalen blieb Sjöstrand wieder Sieger gegen Dani Baijens, Marino Maric lief den eroberten Ball selbst zum erfolgreichen Abschluss. Johannes Kühn setzte gar noch einen drauf: 5:0-Lauf der MT innerhalb von vier Minuten und erstmals seit der Anfangsphase wieder einmal vier vor für Rot-Weiß (50.). Über Tempo konnte sich an diesem Abend wirklich niemand beklagen.
Eine Vorentscheidung war das dennoch nicht. Florian Kehrmann nahm seine letzte Auszeit früh und mit Erfolg. Jetzt traf Lemgo zweimal, gelangte noch mal in Ballbesitz und behielt das Leder in einem komplett zerfahrenen Spiel über mehrere Minuten. Einmal gehörte es für wenige Sekunden den Gastgebern, doch Stefan Salger scheiterte über die erste Welle an Johannesson.
Erst Elisson durfte wieder jubeln – nach seinem siebten Strafwurf und zehnten Treffer insgesamt zum 23:22 (56.). Dass es dadurch nicht tatsächlich noch einmal kippte, war ein Verdienst von Johannes Kühn und Tobias Reichmann, die zum 25:22 trafen (59.). Und natürlich Johan Sjöstrand mit zwei ganz wichtigen Paraden, die Lemgo trotz Christian Klimeks 25:23 letztlich den Zahn zogen. Der letzte Treffer von Tobias Reichmann zum Endstand ließ die Fans in der Rothenbach-Halle endlich erleichtert aufatmen und besiegelte den ersten Sieg der Nordhessen in der neuen Spielzeit.
Stimmen zum Spiel
Heiko Grimm: Wir waren heute ganz klar unter Zugzwang und haben in der Anfangsviertelstunde auch stark begonnen. Aber wie das so ist, da sind wir in Führung und müssen den Sack eigentlich zu machen, dann schleichen sich die Fehler ein. Und wenn man so ein Spiel nicht früh entscheidet, wird es meist in der zweiten Halbzeit noch mal eng und man gerät wieder unter Druck. Was man auch anmerken muss: wir haben so viele Spieler mit ganz viel Erfahrung. Und dann führen wir irgendwann wieder mit vier Toren und diese Spieler spielen einfach weiter mit Tempo, machen dadurch wieder Fehler und werfen die Punkte fast noch weg. Trotzdem muss und wird uns dieser Sieg jetzt intern etwas Ruhe und Selbstvertrauen geben, das wir mitnehmen können in das Auswärtsspiel nach Balingen.
Florian Kehrmann: Glückwunsch an die MT und an Heiko zum Sieg und zu zwei Punkten. Wer nach etwa zehn Minuten und 10:5 für Melsungen gedacht hat, das plätschert jetzt so dahin, hatte sich geschnitten. Anfangs hatten wir zu viel Respekt vor der groß gewachsenen Deckung, haben viele Fehler gemacht und den Gegner zu Toren eingeladen. Dann haben wir etwas umgestellt und Peter Johannesson, der ein paar Bälle weggenommen hat, wurde zum Faktor. Es war etwas schade, dass wir dennoch mit minus drei in die Halbzeit gegangen sind. Dann sind wir bombig aus der Pause gekommen mit einer super Abwehrleistung, sind sogar in Führung gegangen. Aber das hat sehr viel Kraft gekostet und wir konnten das nicht halten. Als es Spitz auf Knopf stand, hatten wir auch ein wenig Pech mit den Abschlüssen. Nach dem 23:19 sind wir noch mal auf eins ran gekommen, aber die Hypothek war dann doch zu groß und es hat nicht gereicht für uns. Jetzt haben wir schon zweimal hintereinander eine tolle Leistung abgeliefert und bleiben ohne Punkte. Für das dritte Spiel innerhalb von sieben Tagen brauchen wir im nächsten Heimspiel viel Unterstützung von den Lemgoer Fans.
Axel Geerken: Sicher sind wir froh über den Sieg. Aber wir haben, wie Heiko schon sagte, in einer Phase wo wir mit vier Toren führen zu viele Ballverluste. Das darf uns nicht passieren. Aber es ist letztendlich eine Wechselwirkung, wenn man ein Spiel unbedingt gewinnen muss. Wir haben heute auch Gutes gesehen, aber es gibt noch ganz viel zu verbessern. Aufbauend auf heute müssen wir uns jetzt freischwimmen und haben dazu beim Spiel am Sonntag in Balingen die Möglichkeit.
Jörg Zereike: Glückwunsch auch von mir zum letztendlich verdienten Sieg. Melsungen hat über 60 Minuten die konstantere Leistung gezeigt. Dennoch sind wir zufrieden, weil wir die MT am Rande einer Niederlage hatten. Kämpferisch war das eine sehr gute Leistung. Aber wir mussten leider auch gleich einem Rückstand hinterherrennen und das kosten Kraft. Jetzt müssen wir schauen, dass wir diese gute Leistung mitnehmen und noch mal gegen Hannover zeigen, um für uns was mitzunehmen.
Die beiden nächsten Spiele:
So, 08.09.19, 16:00 Uhr, HBW Balingen-W.– MT Melsungen, Sparkassen Arena Balingen
Do, 12.09.19, 19:00 Uhr, MT Melsungen –SC Magdeburg, Rothenbach-Halle Kassel