BORKEN-GOMBETH. Die Jugendhilfe der Hephata Diakonie will ab Oktober Teile des Gombether Mühlenareals für ein neues Betreuungskonzept nutzen.
Unter dem Titel „Sozialpädagogisch-therapeutischer Lebensraum Alte Mühle Gombeth“ sollen dort bis zu sieben Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren betreut und gefördert werden. Das Angebot deckt eine Versorgungslücke in Nordhessen.
Sozialpädagogisch-therapeutischer Lebensraum – was sich kompliziert anhört, will das Leben der betroffenen Jugendlichen einfacher machen. „Wir werden uns hier um Mädchen und Jungen kümmern, die einen großen Rucksack schlechter Erfahrungen mit sich herumtragen und aus verschiedenen Gründen nicht in ihren Familien leben können“, sagt die künftige Einrichtungsleiterin, Diplom-Sozialpädagogin Marie Haberland. Das können Mädchen und Jungen sein, die von ihren Eltern beispielsweise aufgrund von psychischen Problemen oder Abhängigkeitserkrankungen vernachlässigt wurden, oder die Gewalt erlebt haben. Diese Erlebnisse führen bei den Jugendlichen zu erheblichen psychischen Problemen im Alltag, in der Schule und Ausbildung. „Unsere erste Aufgabe ist es, Vertrauen und Stabilität aufzubauen. Erst danach können wir die Jugendlichen fördern und fordern“, sagt Marie Haberland. Ihre Kollegin Bettina Götz, Regionalleiterin Mitte der Hephata-Jugendhilfe, ergänzt: „Die Jugendlichen haben oft das Vertrauen und den Glauben an erwachsene Bezugspersonen, an sich selbst und ihre eigenen Lebensperspektiven verloren.“
Die Stärken des neuen Konzepts, das in Nordhessen seines Gleichen sucht, werden in den Eckdaten deutlich: Die Zahl der betreuten Jugendlichen mit maximal sieben ist deutlich kleiner als in regulären Wohngruppen. Der Betreuungsschlüssel liegt bei 1:1, die Betreuung findet rund um die Uhr statt. Zudem berät ein Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut das Team in der Arbeit mit den Jugendlichen. Es geht aber nicht nur um das Thema Wohnen, sondern auch um eine Tagesstruktur vor Ort mit einem Werkraum und einer Brückenschule. Da die meisten Jugendlichen zunächst keine Regelschule besuchen können, werden sie für eine Übergangszeit in der internen Brückenschule unterrichtet. Lehrkräfte der Dietrich-Bonhoeffer-Schule Hephatas organisieren den Unterricht, der auch teilweise online stattfindet. „Die Jugendlichen, die das Angebot nutzen werden, sehen teilweise keine Chance mehr im Schulsystem. Unser Ziel ist, dass sie innerlich zur Ruhe kommen, mit ihren Belastungen leben lernen, ihre Persönlichkeit und Einzigartigkeit entwickeln und schätzen lernen und später ein selbstständiges Leben in der Gesellschaft führen können“, sagt Marie Haberland.
Für das neue Konzept werden auf dem Areal der Alten Mühle in Gombeth zwei Gebäude genutzt, die die Hephata Diakonie gemietet hat: Der Neubau an das alte Mühlengebäude wird als Wohngebäude dienen für die Einzelzimmer, das Büro, Bäder, Küche sowie Ess- und Gemeinschaftsraum. Das sanierte, kleine Mühlengebäude wird die Funktionsräume zum Handwerken, Malen und Gestalten beherbergen. Hinzu kommen Außenflächen und ein Garten.
Der Einzug der ersten Jugendlichen ist für Oktober geplant – Interessenten gibt es mehr als genug. „Wir wissen aus unserer eigenen Arbeit heraus, dass es Bedarf gibt, haben aber auch direkte Anfragen von Jugendämtern bekommen, ob wir ein solches Angebot auf die Beine stellen können“, sagt Bettina Götz. „Wir freuen uns, dass es jetzt bald losgeht und wir Jugendlichen eine Perspektive geben können, die oftmals keine mehr für sich gesehen haben“, sagt Marie Haberland.
Hintergrund Alte Mühle Gombeth
Die Berufshilfe und Jugendhilfe der Hephata Diakonie haben seit 2010 mehrere Projekte für Jugendliche und junge Erwachsene in der Alten Mühle Gombeth angeboten. Zuletzt lebten hier von November 2015 bis Dezember 2018 unbegleitete minderjährige Ausländer. (pm)
Das Bild: Diplom-Sozialpädagogin und Einrichtungsleiterin Marie Haberland vor dem Areal der Alten Mühle Gombeth