Niederschlagsverteilung und Bodenqualität machen den Unterschied
HÜTTENBERG | FRIEDRICHSDORF. Die extreme Hitze mit zum Teil über 35 °C und die Trockenheit im Juni haben der Wintergerste, im Gegensatz zum Winterweizen, offensichtlich kaum geschadet.
Die bisher ermittelten Durchschnittserträge liegen deutlich über dem Niveau des Dürrejahres 2018 und leicht über dem Durchschnitt der letzten Jahre, informiert der Präsident des Hessischen Bauernverbandes, Karsten Schmal, am Donnerstag bei einem Pressegespräch auf dem Andreashof der Familie Hartmut Lang in Hüttenberg-Rechtenbach (Lahn-Dill-Kreis).
Bis auf die höheren Mittelgebirgslagen sei die Wintergerstenernte in Hessen weitgehend abgeschlossen. Die überdurchschnittlichen Niederschläge im Mai hätten entscheidend dazu beigetragen, dass sich die Wasser- und Nährstoffversorgung der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen deutlich verbessert habe, allerdings nur in den oberen Bodenschichten.
Winterweizen vorzeitig abgereift
Beim Winterweizen, der mehr als die Hälfte der hessischen Getreidefläche von rund 280.000 Hektar einnimmt, und dessen Ernte in den Frühdruschgebieten in den nächsten Tagen beginnen wird, sind die Landwirte weniger optimistisch. Das sehr trockene Wetter mit Temperaturen deutlich über 30 °C führten zu einer vorzeitigen Abreife des Winterweizens. Dadurch wurde die Kornfüllungsphase abrupt beendet. „Das wird Ertrag kosten“, so Schmal. Insbesondere auf Ackerböden mit einer geringeren Wasserhaltefähigkeit und –nachlieferung werden die Erträge voraussichtlich unter dem Durchschnitt liegen. Das gelte insbesondere in trockenen Jahren auch für andere Feldfrüchte.
Wegen den schwierigen Verhältnissen bei der Aussaat im August 2018, bedingt durch die starke Trockenheit und die damit verbundene drastische Reduzierung der Anbaufläche von 55.000 Hektar im Vorjahr auf geschätzt nur noch 35.000 Hektar in diesem Jahr, bezeichnete Schmal die bedeutende Ölfrucht als Sorgenkind. Damit fehle eine wertvolle Kultur in der Fruchtfolge und es komme zu einer Verknappung des heimischen Rohstoffs zur Produktion von hochwertigem Rapsspeiseöl und Biodiesel. Das gleiche gelte für das wichtige Koppelprodukt Rapsschrot, mit dem bundesweit Sojaschrotimporte im Umfang von etwa 800.000 Hektar ersetzt werden könnten. Dieses eiweißreiche Futter für Rinder und Schweine sei garantiert gentechnikfrei.
Die Gesamternte von Raps in Deutschland werde auf 3 Mio. Tonnen geschätzt. Um den Bedarf der deutschen Ölmühlen von rund 8 Mio. Tonnen zu decken, müssten demzufolge mindestens 5 Mio. Tonnen Raps importiert werden.
Futterversorgung besser als im Vorjahr
„Der erste und zweite Silageschnitt ist in den meisten Regionen Hessens gut ausgefallen. Die Futterlücke aus dem Vorjahr konnte allerdings nicht überall vollständig geschlossen werden“, betonte Schmal. Trotz der Niederschläge der vergangenen Woche sei das Grünland jetzt fast genauso verdorrt wie im vergangenen Jahr und werde kaum noch Ertrag bringen. Der Hessische Bauernverband habe sich deshalb an das Land Hessen gewandt mit der Bitte, die Brachen der sogenannten Ökologischen Vorrangflächen zur Futternutzung beziehungsweise Beweidung freizugeben. Dieser Bitte sei die Landesregierung dankenswerterweise gefolgt.
Die Bauern setzten jetzt darauf, dass der Silomais, der aufgrund der Kälte im Mai nicht richtig in die Gänge kam, sich nach dem Regen der vergangenen Woche erholt hat und gute Erträge bringen wird.
Hagelschäden in einigen Gebieten
Wie schon 2018 blieben auch in diesem Jahr einige Landstriche in Hessen, so auch in Heuchelheim bei Gießen, nicht von Hagel verschont. Nach Angaben der Vereinigten Hagelversicherung haben bis dato circa 400 landwirtschaftliche Betriebe auf einer Fläche von insgesamt rund 11.000 Hektar Hagelschäden gemeldet. Fast alle Ackerbaukulturen, Gemüse und Obst waren betroffen. Am 12. Juli schädigte Hagel tausend weitere Felder. In den Landkreisen Kassel, Waldeck-Frankenberg und Schwalm-Eder waren die Gemeinden Gudensberg und Wolfhagen besonders betroffen.
„Im Zuge des Klimawandels nehmen die Phasen mit längerer Trockenheit und heftigen, teils punktuellen Niederschlägen, zu. Dies führt vielfach zu großen Schäden und Erlöseinbußen in der Landwirtschaft“, hob Präsident Schmal hervor. Er bekräftigte deshalb seine Forderung nach Einführung einer Risikoausgleichsrücklage für landwirtschaftliche Betriebe und die Förderung von sogenannten Mehrgefahrenversicherungen, auch gegen Dürre. In den USA und vielen südeuropäischen Ländern habe sich die staatliche Unterstützung dieser Mehrgefahrenversicherung seit Jahren bewährt.
Europäische Standards dürfen nicht unterlaufen werden
Schmal kritisierte das Ergebnis der Verhandlungen der EU-Kommission mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay scharf. Die vorgesehenen Importe von Rindfleisch, Geflügelfleisch und Zucker mit vergünstigten Zollsätzen gefährdeten bäuerliche Familienbetriebe in Europa und Deutschland. Die hohen europäischen Standards im Verbraucher-, Umwelt- und Klimaschutz würden unterlaufen und heimische, nachhaltig produzierte Erzeugnisse verdrängt. Das könne nicht hingenommen werden. „Alle Lebensmittel und Agrarrohstoffe aus den Mercosur-Staaten müssten die in der EU geltenden Verbraucherschutz- und Nachhaltigkeitsstandards erfüllen“, forderte Schmal.
Er beklagte wiederholt den dramatischen Rückgang bei Mastschweinen und Zuchtsauen in Hessen. So sei die Zahl der Schweine in Hessen im Vergleich zum Mai 2018 um 8,3 Prozent gesunken, in Deutschland um 3,7 Prozent. Bei den Zuchtsauen sei der Rückgang noch gravierender. Während die Zahl der Zuchtsauen in Hessen im gleichen Zeitraum um 15,2 Prozent gesunken ist, war es auf Bundesebene lediglich ein Minus von 2,9 Prozent. Hauptursache für den dramatischen Rückgang in der hessischen Schweinehaltung seien unzulängliche agrarpolitische Rahmenbedingungen. Hier bestehe ein dringender Handlungsbedarf, der von der EU-Ebene über die politisch Verantwortlichen in Berlin bis nach Wiesbaden reiche.
Verbraucherausgaben für Lebensmittel nur noch bei 10 Prozent
„Während die Verbraucher 1970 knapp 19 Prozent ihres Budgets für Nahrungsmittel (einschließlich alkoholische Getränke) ausgegeben haben, sind es heutzutage nur noch etwa 10 Prozent. Das ist fast eine Halbierung“, sagte Schmal. Wenn man bedenke, dass von diesen Nahrungsmittelausgaben nur etwa ein Viertel bei den Landwirten ankomme, werde deutlich, welche Leistung Landwirte für die Gesellschaft erbringen. (hbv)