Interview mit dem Schwälmer Kandidaten Engin Eroglu
SCHWALMSTADT. Ein Schwälmer tritt zur Europawahl an. Der Schwalmstädter Immobilienkaufmann und Stadtverordnete Engin Eroglu geht auf Listenplatz 2 für die Bundesliste der FREIE WÄHLER ins Rennen.
Ein Mann mit Grüner Vergangenheit, türkischem Migrationshintergrund und vielseitig engagiert. Bis vor einem Jahr war er noch (Gründungs-) Vorsitzender des Gewerbe- und Tourismusvereins G.u.T. nh24-Redakteur Rainer Sander hat mit einem Kandidaten, der voller Zuversicht ist, gesprochen.
nh24: Herr Eroglu, in Stadtverordnetensitzungen in Schwalmstadt fehlen Sie eigentlich nie. Vorgestern haben Sie bei der Stadtverordnetenversammlung krankheitsbedingt passen müssen. Fordert der Wahlkampf enorm viel Kraft?
Engin Eroglu: Das ist schon so. Der bundesweite Wahlkampf kostet mich schon mehr Kraft als sonst, da die Termine im gesamten Bundesgebiet sind. Gefehlt habe ich jetzt jedoch wegen eines OP-Termins, den ich nicht weiter aufschieben konnte.
Viele starke Regionen statt wenige mächtige Metropolregionen
nh24: Sie sind engagierter Kommunalpolitiker. Im Europawahlprogramm der FW steht: „Finanzlage der Kommunen verbessern.“ Ist Kommunalpolitik jetzt ein europäisches Thema?
Engin Eroglu: Das ist es schon – fast – immer gewesen. Die Europäische Union hat zahlreiche Förderprogramme für kommunale Schieflagen. Nehmen wir mal meine Heimatstadt als Beispiel: Schwalmstadt gehört zur Leader Region Schwalm Aue. Diese ist gefördert von der EU. Durch Leader konnten wir schon sehr viele wichtige Förderungen in die Region und Schwalmstadt holen. Auch wäre unser Paradeplatz in Schwalmstadt ohne EU-Förderung nicht so schön historisch geworden und es haben auch viele Schulen Förderungen erhalten. In anderen nordhessischen Städten ist es ähnlich. Hier wollen wir FREIE WÄHLER als Brückenbauer ansetzen, weiter ausbauen und dafür sorgen, dass der Ausschuss der Regionen im Europäischen Parlament mehr Recht bekommt.
nh24: Die Arbeit für ein Europa der starken Regionen steht als Schwerpunkt im Programm. Was könnte das für ihre Heimat in Nordhessen bedeuten?
Engin Eroglu: Es muss Schluss damit sein, dass Europa einen großen Schwerpunkt auf seine Metropol- und Europaregionen setzt. Diese Politik hat die Landflucht angefeuert und dazu geführt, dass die Mietpreise in den benannten Regionen fast unbezahlbar geworden sind und die Menschen durch eine „Überfüllung“ eine schlechtere Lebensqualität haben als auf dem Land. Daher wollen wir hier eine Trendwende hin zu den ländlichen Regionen schaffen, was die finanziellen Förderungen betrifft. Der ländliche Raum muss so attraktiv gestaltet und mit Infrastruktur ausgestattet werden, dass die Menschen nicht dazu genötigt werden, ihre Heimat zu verlassen. Für uns würde das dann bedeuten, dass wir in Nordhessen nicht bis 2050 warten müssen, um zum Beispiel flächendeckendes Internet zu haben oder auch, dass die finanziellen Mittel vorhanden sind, um vor Ort nicht die Schwimmbäder, kulturellen Einrichtungen und / oder Schulen schließen zu müssen.
Keinen Zentralstaat – Probleme vor Ort lösen
nh24: Abgesehen von der kommunalpolitischen Stärke der Freien Wähler, was sind die wichtigsten Punkte im Programm?
Engin Eroglu:
- Eine Schuldenunion und einen Zentralstaat à la Marcon verhindern
- Das Klima retten
- Eine einheitliche Außenpolitik für die Europäische Union
- Den wirtschaftlichen Wohlstand in Europa weiter ausbauen und absichern
- Mehr Geld in Bildung investieren
nh24: Was sehen sie kritisch an der EU und würden das gerne verbessern?
Engin Eroglu: Die EU und die Kommission müssen endlich begreifen, sich um die großen Probleme wie zum Beispiel die europäische Energieversorgung zu kümmern und nicht wie in einem Zentralstaat versuchen, alle Probleme der Bürger vor Ort zu lösen. Hierfür haben wir die kommunalen Parlamente, die näher am Bürger sind und vor Ort am besten wissen, wie die Probleme zu lösen sind. Verbessern müssen wir auf jeden Fall, dass bei den Gesetzen und Richtlinien auch mit Augenmaß Politik gemacht wird. Es kann nicht sein, dass die Gesetze und Richtlinien über eine Branche gezogen werden, was dazu führt, dass die kleinen und mittelständischen Betriebe die Auflagen nicht erfüllen können, deswegen schließen und wir so nur noch Großbetriebe haben. Wir FREIE WÄHLER stehen zu 100 Prozent zur regionalen Wertschöpfung aus kleinen und mittelständischen Betrieben.
Das Europäische Parlament braucht Gesetzgebungskompetenz
nh24: Und was möchten Sie auf jeden Fall stärken?
Engin Eroglu: Das Europäische Parlament und den Ausschuss der Regionen. Aktuell ist es so, dass Abgeordnete aus dem Europäischen Parlament nicht wie beispielsweise auf Landesebene Gesetze einbringen können. Aus meiner Sicht ein Relikt aus der Gründung, welches unmittelbar nach der Wahl abgeräumt werden muss, damit ich meinen Auftrag, den Bürgerwillen durchzusetzen, auch ordentlich erfüllen kann.
Migrationsursachen wirksam bekämpfen
nh24: Das Wort Migration taucht auch in Ihrem Programm auf. Ist das immer noch ein zentrales Thema?
Engin Eroglu: Auf jeden Fall. Die Welt wird durch das Internet von Tag zu Tag immer vernetzter. Migration aus ökologischen, ökonomischen oder lebensbedrohenden Gründen, ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Wir FREIE WÄHLER sind hier klar positioniert. Wir müssen die Fluchtursachen bekämpfen, aufhören die Entwicklungsländer auszubeuten und das Geld auch in die Bildung und nicht nur in die Wirtschaft dieser Länder investieren. Ziel muss es sein, dass niemand seine Heimat verlassen möchte. Für eine eventuelle Einwanderung nach Deutschland und der EU benötigen wir ein ordentliches Einwanderungsgesetz.
nh24: Und speziell bei den Kriegsflüchtlingen?
Engin Eroglu: Bei den Kriegsflüchtlingen ist es so, dass wir uns selbstverständlich nicht aus der Verantwortung stehlen. Wir FREIE WÄHLER stellen uns den Problemen. Es macht jedoch keinen Sinn, wenn alle Flüchtlinge nach Deutschland beziehungsweise die EU kommen. Wir müssen den Menschen vor Ort helfen. Zu einem mit einer UN Schutzzone, wie ich sie auch schon beim Beginn des Exodus von Syrien gefordert habe und zu einem mit finanzieller und humanitärer Hilfe vor Ort. Auch können wir zum Beispiel den Kriegsflüchtlingen viel besser helfen, wenn sie im Nachbarland, also der Türkei bleiben und wir dort vor Ort unterstützen. In der Türkei können wir mit unserem Geld aufgrund des Währungsunterschieds viel mehr Menschen mit dem gleichen Geld helfen als in Deutschland.
nh24: Die Freien Wähler sind für den Abbruch der Beitrittsgespräche mit der Türkei. Können sie in einem türkischen Lokal noch in Ruhe Kebap oder Pide essen?
Engin Eroglu: Ja und sehr gerne sogar. Wir haben in unserem Programm keine Sonderregelung für die Türkei. Wir haben uns klar positioniert in der nächsten Periode keine weiteren Länder in unsere Wertegemeinschaft aufzunehmen. Unser Ziel ist es, erstmal die Europäische Union auf einen besseren Kurs zu bringen. Aktuell haben wir mit dem Brexit, mit der besorgniserregenden Abweichung von demokratischen Werten von ein paar Mitgliedsstaaten im Osten sowie mit den großen finanziellen Problemen der Staaten aus dem Süden ausreichend Herausforderungen für die kommenden Jahre. Hier müssen wir erstmal unsere Hausaufgaben machen, bevor wir an Erweiterung denken.
Ein Regionalbüro im nordhessischen Schwalmstadt
nh24: Es gibt bei der Europawahl keine Wahlkreise. Was bedeutet das für die Kandidaten. Sie vertreten immer ganz Deutschland?
Engin Eroglu: So ist es. Deutschland hat nur 96 Mitglieder im Europäischen Parlament, die aus ganz Deutschland mit verschiedenen persönlichen Schwerpunkten kommen. Politik im Europäischen Parlament ist nicht so „einfach“ wie im Landtag, bei dem man einen Wahlkreis oder ein Themenschwergebiet wie beispielsweise Bildung und Wirtschaft hat. Ich sehe das etwa wie bei der Bundeswehr. Als Mitglied des Europäischen Parlaments darf man seiner Heimat Deutschland dienen und hat eine Verwendung auf Zeit. Da mir Bürgernähe und meine Heimat wichtig ist, werde ich ein Regionalbüro in Schwalmstadt eröffnen. Hier bin ich stark verwurzelt und bekomme die nötige Kraft für meine Arbeit.
Jede Stimme zählt für die Region
nh24: Es gibt auch keine Sperrklausel. Kluge Menschen haben 0,5 Prozent als faktischen Mindestwert nach dem Verteilungsschlüssel ausgerechnet. Wie viel Prozent müssen die Freien Wähler schaffen, damit es für Sie reicht?
Engin Eroglu: Da ich den Listenplatz 2 der FREIE WÄHLER in Deutschland erhalten habe, würde mir je nach Wahlbeteiligung ein Ergebnis zwischen 1,6 und 1,8 Prozent reichen, um die Bürger vertreten zu dürfen. Jede Stimme zählt!
nh24: Heute ist ESC, der Europäische Kult-Musik-Contest. Wem drücken Sie die Daumen und haben sie Zeit zu Schauen?
Engin Eroglu: Ich drücke meinem Heimatland Deutschland die Daumen! Vor dem Fernseher mitfiebern kann ich leider nicht, da ich parallel dazu auf einer Podiumsdiskussion in Frankfurt bin.
nh24: Herr Eroglu, vielen Dank für das Gespräch. (rs)
Titelfoto: Ein Kandidat aus Nordhessen: Engin Eroglu mit handwerklich gebrautem Schwälmer Bier und nordhessischer Ahler Wurscht
10 Kommentare
Schwälmer sind auch nicht mehr das was Schwälmer mal waren.
…..der eine Immobilienspezialist wird Bürgermeister, der nächste möchte in das Europa-Parlament einziehen. Scheinbar ist in dieser Branche nix zu verdienen, sonst würde die Herren doch Ihrem angestammten Beruf nachgehen.
Hoffentlich wird er später Bürgermeister in Schwalmstadt
Lieber Mustafa, seien Sie nicht enttäuscht wenn Engin nicht Bürgermeister von Schwalmstadt wird. Zum Einen möchte er es nicht und die Wähler würden ihm auch nicht die Mehrheit schenken.
@Was soll das darstellen?
Als Sohn eines nordhessisches Arbeiters kann ich Ihnen sagen, dass ihr Kommentar der Schuß in den Ofen ist.
Engin Eroglu ist der beste
@ was soll das darstellen, Sie müssen bedenken wenn die Stracke und das Fläschchen Bier Ihn bis ins Europaparlament bringt, dass es ein cleverer Schachzug des Sohnes eines Gastarbeiters war. Bei wohlgemerkt minimalen Kosten (Fläschchen Bier und ne Stracke).
Tipp an den Sohn eines Gastarbeiters, ne Stracke in der einen und ein Fläschchen Schwalm Bräu in der anderen bringen leider auch keine 100 prozentige Zustimmung. Somit ist diese Aktion ein Schuss in den Ofen.
Eine geschmackloser Kommentar und typisch feige wie die Plakate der Rechten. Dafür gibt es wie immer genügend Zustimmung. Ihr tobt euch in diesem Forum so richtig aus.
Merkwürdiges zusammhangloses Geschwurbel. Ich verstehe nur Bahnhof 😶 soll das die Antwort auf meinen Kommentar sein?
Merkwürdiges zusammenhangloses Geschwurbel. Ich verstehe nur Bahnhof.
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