FLENSBURG. Die Reise in den hohen Norden hat sich für Handball-Bundesligist MT Melsungen definitiv nicht gelohnt. Am Donnerstag bekamen die Nordhessen beim Tabellenführer SG Flensburg-Handewitt deutlich die Grenzen aufgezeigt.
Schon beim 8:14 Rückstand nach 30 Minuten zeichnete sich ab, dass Lemke & Co keine echte Chance haben würden, den Primus ernsthaft in Verlegenheit zu bringen. Dafür lief das Angriffsspiel gegen die clever verteidigenden Gastgeber einfach zu wenig druckvoll und durchschlagskräftig. Weil Flensburgs Trainer ab Mitte der zweiten Halbzeit angesichts eines zehn-Tore-Vorsprungs einigen Stammkräften Verschnaufpausen gönnte, konnten die Rotweißen noch etwas Ergebniskosmetik betreiben und sich mit 24:30 einigermaßen aus der Affäre ziehen. Beste Torschützen in der mit 6.300 Zuschauern ausverkauften Flens-Arena waren Magnus Jøndal (10/5) für die SG und Timm Schneider für die MT. Durch diese Niederlage ist Melsungen auf den sechsten Platz zurückgerutscht, punktgleich mit Berlin und dem BHC. Das nächste Spiel bestreitet das Grimm-Team am 23. Mai gegen die Mannschaft seines künftigen Spielers, Kai Häfner, die TSV Hannover-Burgdorf.
War im Vorfeld des Spiels im MT-Lager noch Zuversicht zu spüren, den favorisierten Gastgeber mit einer guten Abwehr und schnellen Toren aus dem Rhythmus bringen zu können, so musste man bereits nach fünf Minuten erkennen, dass der Gegenwind doch größer war als gedacht. Den ersten Angriff schloss Lasse Mikkelsen mit einem Fehlwurf ab was Rasmus Lauge postwendend mit dem 1:0 bestrafte. Der zweite Angriffsversuch der MT endete mit einem Ballverlust. Zur Stelle war Magnus Jøndal mit dem 2:0. Der dritte Vorstoß war dann endlich von Erfolg gekrönt, Simon Birkefeldt, der in der Startaufstellung stand, warf sich in die Bresche, holte einen Strafwurf und der wurde von Mikkelsen zum 2:1 genutzt.
Doch dann sollte es geschlagene sechseinhalb Minuten dauern, bis der zweite MT-Treffer fiel. Warum? Weil Flensburg mit der 5:1-Abwehr – Lauge gab den Vorposten – die MT vor mächtige Probleme stellte. Das Augenmerk auf Spielmacher Lasse Mikkelsen, gelang es den Hausherren bei den Gästen erst gar keinen Spielfluss aufkommen zu lassen. Die Folge: die MT-Angreifer versuchten es immer wieder mit individuellen Aktionen. Doch auch da war die SG-Hintermannschaft hellwach. Und wenn doch mal der Ball Richtung Gehäuse durchkam, stand mit Torbjörn Bergerud ein aufmerksamer Mann zwischen den Pfosten. Oder selbige waren der MT im Wege. So gleich zweimal bei Mikkelsen, der zunächst aus der Distanz nur Metall traf und danach von der Siebenmeterlinie.
Nach knapp 12 Minuten und einem 5:2-Zwischenstand rief Heiko Grimm seine Schützlinge zum Timeout an die Seite, lobte die Abwehr und gab Anweisungen für den Angriff. Allein die Umsetzung wollte vorne nicht gelingen. Und weil jeder Fehler, jede ausgelassene Chance ein Tor zu machen, vom Gegner bestraft wurde, setzte sich die SG über 7:3 (15.), 9:4, (19.) auf 11:5 ab (22.). Das zwischenzeitlich von der MT genommene zweite Timeout hatte ebenfalls seine Wirkung verfehlt. Denn die Rechnung, ab da mit sieben Feldspielern zu agieren, ging nicht auf. Statt einen Mann frei zu spielen, endeten diverse Angriffe mit Fehlpässen oder Ballverlusten.
Kurz Zeit später aber dann ein Aufflackern: Nachdem auch Maik Machulla eine Auszeit genommen hatte, verkürzte Marino Maric auf 11:7. Und gleich im nächsten Angriff, einem schnellen Konter, hätte Finn Lemke die Gelegenheit gehabt, seine Farben auf drei Tore heran zu bringen. Aber Bergerud entzauberte den MT-Kapitän mit einer Blitzreaktion. Das wollte Lemke aber nicht auf sich sitzen lassen und verlud den SG-Keeper in der Folge mit einem herrlichen Rückraum-Geschoss – 12:8 (24). Es sollte der letzte Treffer vor der Pause sein. Denn zwei weitere Fehlpässe von MT-Angreifern nutzten die Blauweißen zur 14:8-Halbzeitführung. Zu allem Unglück hatte sich Finn Lemke bei seinem letzten Wurfversuch verletzt. Sein Gegenspieler hatte ihn unsanft zu Boden befördert, für ihn war das Spiel damit bereits beendet.
Die Frage war also, ob die MT im zweiten Spielabschnitt in der Lage sein würde, dem Gegner mehr Paroli zu bieten, als dies im ersten Durchgang der Fall war. Um es vorweg zu nehmen: Sie war es nicht. Heiko Grimm hatte zwar einige Umbesetzungen vorgenommen – so waren jetzt Timm Schneider und Roman Sidorowicz auf dem Feld – aber sehr viel mehr Durchschlagskraft wollte sich auch dadurch nicht einstellen. Die Flensburger benötigten nur rund 10 Minuten, um den Sechs-Tore-Abstand auf einen beruhigenden 10-Tore-Vorsprung auszubauen 22:12, 40.).
Gut wenigstens, dass Schneider mit zwei erfolgreichen Einzelaktionen dazu beitrug, dass die Differenz nicht auf mehr als zehn Tore anwuchs. Andererseits war es aber auch fast ein wenig verhext. Denn allein in diesen 10 Minuten trafen Birkefeldt und Kunkel nur den Pfosten und Dimitri Ignatow scheiterte zweimal jeweils mit einem Tempogegenstoß. Doch selbst wenn diese vier Versuche gesessen hätten, wäre Flensburg immer noch nicht aus der Fassung geraten. Denn dazu agierten sie einfach zu souverän, waren einen Tick aggressiver in der Abwehr – übrigens mit einem exzellent verteidigenden Center Johannes Golla – und bewiesen vorne im Abschluss mehr Kaltschnäuzigkeit.
Das änderte sich erst, als Maik Machulla angesichts des klaren Vorsprungs zwei, drei Leistungsträgern Verschnaufpausen gönnte. Da lief es im Rückraum nicht mehr ganz so flüssig. Und auch einige Würfe fanden nicht mehr ihr Ziel. Unter anderem, weil sich MT-Keeper Nebojsa Simic steigerte. So konnte sich die MT bis zur 55. Minute auf 26:22 heranarbeiten. Philipp Müller hatte gerade vom Kreis getroffen. Nun also „nur“ noch vier Tore und fünf Minuten auf der Uhr. Da geht doch noch was! Solche Rückstände lassen sich im Handball allemal aufholen.
Hätte die MT vielleicht auch schaffen, zumindest aber, den Abstand noch weiter verringern können. Doch jedes Mal, wenn sie einen Treffer gelandet hatte, musste sie im Gegenzug auch wieder einen hinnehmen. Das war nach Michael Allendorfs 27:23 genauso, wie bei Timm Schneiders 28:24. Angesichts der klaren Überlegenheit hielt sich das Ergebnis von 30:24 am Ende noch in erträglichen Grenzen. Es hätte nämlich an diesem Abend durchaus auch schlimmer kommen können.
Stimmen zum Spiel:
Maik Machulla: Wir haben in der Abwehr überragend gespielt und auch die Torhüter haben hervorragend funktioniert. Von der ersten Minute an haben wir gezeigt, warum wir in die Halle gekommen sind. Wir hatten die Möglichkeit, mit mehr Toren Unterschied zu gewinnen. Aber unser Abwehrspiel war enorm kräftezehrend und dann brauchen einige Spieler auch mal eine Pause. Das schwerste Spiel wird jetzt in Stuttgart sein und darauf bereiten wir uns vor.“
Heiko Grimm: Das war heute einfach enttäuschend. Viele meiner Spieler waren nicht bereit. Das Rückzugsverhalten war nicht gut, es gab zu wenig Zweikämpfe, es wurde sich nicht konsequent an die Absprachen gehalten. Die 5:1-Abwehr Flensburgs hat uns nicht sehr überrascht, wir wissen, dass diese Mannschaft über zwei gute System verfügt. Und die Frage ist zum Beispiel: War Rasmus Lauge als Vorgezogener so gut oder unser Angriff so schlecht? Wir werden dieses Spiel analysieren und ich werde sehr deutlich ansprechen, was mir nicht gefallen hat. Fakt ist, wir müssen uns bei unserem Restprogramm deutlich steigern, wenn wir Fünfter werden wollen.
Das nächste Spiel:
Do., 23.05.19, 19:00 Uhr, MT Melsungen – TSV Hannover-Burgdorf, Rothenbach-Halle Kassel (pm)