HAUNECK. Zu einer Gedenkveranstaltung an den von den Nazis vor 75 Jahren ermordeten Widerstandskämpfer Dr. Georg Groscurth aus Unterhaun erinnerte der SPD-Unterbezirk Hersfeld-Rotenburg gemeinsam mit der Haunecker Sozialdemokratie am 8. Im Bürgerhaus Unterhaun.
Mit dem Leben des 1944 im Zuchthaus Brandenburg enthaupteten Dr. Georg Groscurth setzte sich dann der Arzt für Psychatrie Dr. Friedhelm Röder, Flieden, in einem eindrücklichen Referat auseinander. Röder hat zu Georg Groscurth und seinem Widerstand auch im Rahmen des Hersfelder Geschichtsvereins geforscht.
Groscurth wurde 1904 in Unterhaun geboren. Sein Vater war Großbauer, seine Mutter die Tochter eines Ziegelbrenners. Er studierte in Marburg, Freiburg, Graz, Wien und Berlin Medizin und war anschließend dort am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikalische Chemie tätig. Hier lernte er den Kommunisten Robert Havemann kennen, ebenfalls späterer Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime und dann Dissident in der DDR. Über Havemann bekam er Kontakt zur Gruppe „Neu Beginnen“, die auf konspirativem Wege eine Vereinigung der beiden Arbeiterparteien SPD und KPD anstrebte. Diese bereits in den Jahren der Republik praktizierte konspirative Arbeit ermöglichte es der Gruppe, in der beginnenden NS-Diktatur der Zerschlagung zu entgehen und gegen den Nationalsozialismus zu arbeiten.
Schon in seiner Studienzeit zum Sozialisten geworden, empörten Groscurth insbesondere die Entrechtung und tätlichen Angriffe auf seine jüdischen Kollegen und ehemaligen Kommilitonen. Diese überzeugte Gegnerschaft gegen den Antisemitismus teilte er mit seiner Frau Anneliese, die ebenfalls Ärztin war. Ab 1939 gründeten Groscurth und Havemann die Widerstandsgruppe „Europäische Union“, deren Ziel es war, ein demokratisches und sozialistisches vereinigtes Europa zu schaffen. Sie arbeiteten dabei eng mit ausländischen Zwangsarbeitern zusammen und halfen diesen sowie jüdischen Verfolgten, indem sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihnen Nahrung, sichere Unterkünfte und falsche Papiere zur Verfügung stellten. Für diesen Rettungswiderstand wurde Georg Groscurth postum im Jahre 2005 der Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem verliehen.
1943 wurde die Gruppe von der Gestapo entdeckt, beschattet und im September des Jahres verhaftet. Groscurth und weitere Mitglieder seiner Organisation wurden vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Das Urteil gegen Georg Groscurth wurde am 8. Mai 1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden vollstreckt. Unterzeichnet war das Dokument, das den staatlichen Mord rechtfertigte, von den Richtern Roland Freisler und Hans-Joachim Rehse. Letzterer blieb auch nach 1945 Richter und wurde für sein Mitwirken an NS-Todesurteilen letztlich freigesprochen.
Röder hob in seinem Vortrag auch die wechselvolle Geschichte des Erinnerns an Groscurth nach dem Krieg hervor: Von der DDR wurde die Erinnerung an Groscurth in einer Weise vereinnahmt, die dem Pazifisten Groscurth ein Greuel gewesen sein dürfte: so wurden etwa auch Einrichtungen der Nationalen Volksarmee (NVA) nach ihm benannt. Im Westen wurde Groscurth weitgehend vergessen – zum Teil ganz bewusst, wegen der sozialistischen Ausrichtung seines Widerstands.
In seiner Heimatgemeinde und der Region setzte eine stärkere Erinnerung an Groscurth 1980 ein. In diesem Jahr wurde auf dem Bergfriedhof in Unterhaun ein Gedenkstein zu seinen Ehren gesetzt. Bei dessen Inschrift auf der Vorderseite setzt sich am Ende der Vorschlag Groscurths Witwe durch: „Ich sterbe für ein Leben ohne Menschenhass. Georg Groscurth geb. 27. 12. 1904 in Unterhaun, wurde im Widerstand gegen das nationalsozialistische Unrecht am 8. 5. 1944 in Brandenburg hingerichtet“. Der Gedenkstein habe sich, so Röder, in seiner Schlichtheit bewährt und werde weiter wirken.
Röder betonte auch, dass das Erinnern an Groscurth ohne das Engagement vieler Einzelpersonen und Organisationen nicht in dieser Art möglich gewesen wäre. Er nannte insbesondere den Hersfelder Rechtsanwalt Wolfgang Becker, den SPD-Bürgermeister von Hauneck Georg Gerbig, die Lehrerin an der Modellschule Obersberg Liesel Honikel sowie Ingrid Waldeck und den Bad Hersfelder Geschichtsverein.
Am Ende der Veranstaltung dankte der Landtagsabgeordnete und Unterbezirksvorsitzende der SPD, Torsten Warnecke, Herrn Dr. Röder für sein erkenntnisreiches und denkwürdiges Referat sowie den Familienangehörigen Groscurth für ihre zugewandte Teilnahme. Man werde Dr. Georg Groscurth als Vorbild für mutige Überzeugung stets ein ehrendes Andenken bewahren.
Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von den beiden Gitarristen Lars Braun (Ludwigsau) und Jona Albusberger (Niederaula) sowie der Sängerin Emma Hummel (Unterhaun).
2 Kommentare
@ Maulbär
Es ist schon grausam, dass Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht auf diese Art gefoltert und ermordet worden waren. Doch Millionen von Toten, die auf das Konto der Nationalsozialisten gingen sind mit den Morden an Luxemburg und Liebknecht nicht zu vergleichen. Der Mord an den beiden Kommunisten war wirklich nie wieder gut zu machen. Doch die Nazis sind ein ganz anderes Kaliber. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/revolution-191819/ermordung-von-luxemburg-und-liebknecht.html
Die SPD-Genossen sollten lieber mal in der Geschichte zurückgehen und sich Gedanken machen, wer mitschuldig an der
Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gewesen ist.
Es ist immer sehr einfach die Schuld bei anderen zu suchen. Dafür sind die NAZIS immer ein hervorragendes Argument.
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