Interview mit Bürgermeister Frank Börner
GUDENSBERG. Gudensberg ist in Bewegung und im Aufbruch. Aber auch viele unterschiedliche Interessen wollen auf dem Weg nach vorne in die Zukunft berücksichtigt werden. Rainer Sander hat für nh24 und die Zeitung „Der Chatte“ darüber mit Bürgermeister Frank Börner gesprochen.
nh24: Gudensberg hat Erfolg im Sport, die FSG spielt nach zwei Aufstiegen immer noch oben mit, der Golfpark macht sogar eine elitäre Randsportart zum Volkssport. Ist Gudensberg sprichwörtlich im Aufbruch, in Bewegung?
Frank Börner: Ja, das stimmt! In Gudensberg wurde in den letzten Jahren viel bewegt, nicht nur beim Sport. Die Stadt wird immer lebendiger, vor allem durch vielfältige Aktivitäten unserer Vereine und innovative Geschäftsideen. So hat sich ein attraktives gastronomisches Angebot entwickelt. Gerade erst hat eine weitere Eisdiele in der Fußgängerzone eröffnet, im Herbst gibt es eine Weinwirtschaft auf einem Hof in der Innenstadt. Sehr positiv ist, dass immer mehr Unternehmen mit ihren Produkten „Gutes aus Gudensberg“ für unsere Stadt werben, beispielsweise mit Nudeln, Säften, Ölen oder Milcheis. Viele Firmen sind überregional tätig, steigern unseren Bekanntheitsgrad, wie der Golfpark oder Rudolph-Logistik. Hinzu kommt großes ehrenamtliches und privates Engagement unserer Bürger, ergänzt durch umfangreiche städtische Kulturangebote. Allein die Veranstaltungen in der Innenstadt, auf der Märchenbühne und im Bürgerhaus locken jährlich 16.000 Besucher.
nh24: In der Tat, das Kulturprogramm ist außergewöhnlich umfang- und facettenreich. Die Menschen nehmen Gudensberg als aufgeschlossen wahr. Wird das so bleiben?
Frank Börner: Qualität geht vor Quantität. Unsere Stärken sind kleine, aber feine Veranstaltungen.
Bürger werden beteiligt bei Gudensberg 2030
nh24: Herr Börner, die Stadt sucht mit dem Projekt Gudensberg 2030 die Bürger mitzunehmen und mit entscheiden zu lassen. Wie groß sind die Möglichkeiten?
Frank Börner: Bürgerbeteiligung ist uns ausgesprochen wichtig. Sie bietet den Entscheidungsträgern die Chance, von den umfangreichen Erfahrungen und Ideen ihrer Bürger zu profitieren, und das kostenlos.
nh24: Wird der finanzielle Rahmen reichen?
Frank Börner: Die Stadt hat in guten Zeiten gespart, um Zukunftsinvestitionen möglichst ohne Kreditaufnahmen finanzieren zu können. Unsere Rücklagen werden aber mit Sanierung des Hallenbades, Erweiterung von Bauhof und Rathaus, Bau des neuen Kindergartens mit Dorfgemeinschaftshaus in Maden und dem geplanten Multifunktionszentrum in der Innenstadt aufgebraucht sein. Wir müssen aber auch die laufenden Kosten im Auge behalten, dürfen nicht mehr ausgeben als wir einnehmen. Die explodierenden Kinderbetreuungskosten sind das größte finanzielle Problem, weil die Zuschüsse des Landes zu gering sind. Pro Kind und Monat verbleiben der Stadt ungedeckte Kosten von rund 500 Euro. Gudensberg muss 2019 bereits 1,7 Millionen Euro zuschießen. Dieses Defizit wird sich auf rund 2,1 Millionen in 2020 und 2,5 Millionen in 2021 erhöhen. Das ist ohne Gebühren- und Steuererhöhungen nicht zu stemmen. Daher haben die Bürgermeister im Schwalm-Eder-Kreis das Land Hessen aufgefordert, Zuschüsse zur Kinderbetreuung an Kommunen endlich zu erhöhen. Die Elternbeiträge decken nämlich nur 12 Prozent der Kosten.
nh24: Gudensberger reden ohnehin gerne mit. Ob Kuhstall oder Kindergarten. Die Reichweite der Privatsphäre erhöht sich und Toleranz schwindet. Wie treffsicher ist die Stadt Gudensberg dabei, Grenzüberschreitungen und Überempfindlichkeiten zu erkennen und gegeneinander abzuwägen?
Frank Börner: Ich sehe es positiv, wenn sich unsere Bürger für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung engagieren. Kritik sollte aber nicht polemisch sein, sondern an der Sache orientiert. Oft wünsche ich mir auch konstruktive Alternativvorschläge. Aufgabe der Stadt ist es, Fehlentwicklungen zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern. Das geschieht beispielsweise durch Aufstellung eines Stadtentwicklungsplanes. Auf dieser Grundlage diskutieren wir gerade einen Bebauungsplan mit Mindestabständen zur Wohnbebauung. Damit möchten wir unsere Bürger in Zukunft vor unzumutbaren Gerüchen durch Tierhaltung schützen.
Möglichkeiten und Grenzen von Individualität
nh24: Lassen wir in der Kommunalpolitik zukünftig für alles Gutachten schreiben, damit eine neutrale Stelle im Zweifel Schuld haben kann?
Frank Börner: Um schwierige Fragen beurteilen zu können, sind Gutachten von Experten, zum Beispiel für Lärm- oder Gerüche immer öfter unentbehrlich. Im Baurecht sind sie heute Standard, werden von den Behörden zur Erteilung von Baugenehmigungen etwa für landwirtschaftliche Vorhaben ausdrücklich verlangt. Gutachten ersetzen aber nicht die eigene Beurteilung und Entscheidung durch die Behörde. Sie können hilfreich sein, lösen aber nicht unbedingt die Probleme.
nh24: Auf wie viel Individualität kann eine Kommune Rücksicht nehmen und wo steht das Gemeinwohl vor dem Eigeninteresse?
Frank Börner: Kommunalpolitik hat sich am Wohle der Stadt und der Allgemeinheit zu orientieren. Natürlich müssen dabei auch Einzelinteressen berücksichtigt werden. Diese dürfen aber nicht im Vordergrund stehen, sondern müssen immer mit den Interessen der Allgemeinheit abgewogen und rechtlich gewürdigt werden. Diese Entscheidungen treffen letztlich die gewählten Stadtverordneten. Damit bestimmen sie, wie sich die Stadt weiterentwickeln soll.
nh24: Es ist schwer zu erahnen, wer welche Befindlichkeiten haben könnte. Was können Politik und Verwaltung tun, um Anliegen nicht zu übergehen?
Frank Börner: Stadtentwicklung ist keine geheime Kommandosache. Deshalb ist sehr wichtig, die Öffentlichkeit frühestmöglich über alle wichtigen Angelegenheiten zu informieren. Der Diskussionsprozess „Gudensberg 2030“ macht es jedem Bürger möglich, Einfluss auf zukünftige Entwicklungen Gudensbergs zu nehmen. Öffentlichkeitsbeteiligung findet in allen Bauleitplanverfahren statt.
Es geht nur interkommunal
nh24: Schwimmbäder stehen irgendwo und werden von den Nachbargemeinden auch genutzt, einer muss sie bezahlen. Behörden werden zusammengelegt, Planungen gemeinsam vorgenommen. Wo hat interkommunales Denken und Handeln Grenzen und wo Chancen?
Frank Börner: Aufgaben über kommunale Grenzen hinaus gemeinsam wahrzunehmen kann sehr sinnvoll und wirtschaftlich sein. Unser Abwasserverband Mittleres Emstal oder der gemeinsame Ordnungsbehördenbezirk mit neun Kommunen sind solche Erfolgsmodelle. Dies gilt es auszubauen. Wir suchen weitere Zusammenarbeit mit anderen Kommunen, aktuell im Bereich Standesamt.
nh24: Die Menschen wollen, dass eine intakte Infrastruktur ihre Wünsche erfüllt, bezahlt wird, verfügbar ist und wenig kostet. Die Welt dreht sich, Wünsche werden wachsen und bei stagnierender Bevölkerung, müssen immer weniger am Ende immer mehr finanzieren?
Frank Börner: Gudensberg verfügt über eine sehr gute Infrastruktur. Qualität hat aber ihren Preis. Vieles sind Fixkosten, die auf die Bürger umgelegt werden müssen. Wenn die Einwohnerzahlen steigen, können die Kosten auf mehr Köpfe verteilt werden. Das ist ein wesentlicher Grund, weshalb das Gebühren- und Steuerniveau in Gudensberg eher niedrig ist. Bevölkerungsrückgang wirkt sich für die Einnahmen- und Kostensituation einer Kommune dagegen negativ aus.
nh24: Bei alledem, was ist das große Ziel des Bürgermeisters für die Stadt Gudensberg?
Frank Börner: Stillstand ist Rückschritt. Deshalb ist es mein Ziel, mit Entscheidungen von heute, Weichen für morgen zur erfolgreichen Weiterentwicklung unserer Heimatstadt Gudensberg zu stellen.
nh24: Herr Börner, vielen Dank für das Gespräch! (rs)