IHK gratuliert Landrat Winfried Becker und Geschäftsführer Mike Stämmler zum Jubiläum
HOMBERG/EFZE. Die Nahverkehr Schwalm-Eder GmbH (NSE) wurde am 21.03.1994 gegründet. Alleiniger Gesellschafter ist der Schwalm-Eder-Kreis. Landrat Winfried Becker und Geschäftsführer Mike Stämmler nahmen aus den Händen von Milena Mikosch, Vertreterin der IHK eine Urkunde entgegen.
Vorrangiges Ziel der NSE ist die Organisation und Angebotsverbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs im Schwalm-Eder-Kreis. Dazu gehört die Angebotsfestlegung auf den einzelnen ÖPNV-Linien, die Durchführung von Vergabeverfahren und die anschließende Bestellung von Verkehrsleistungen, die Qualitätssicherung bei den Fahrten im ÖPNV und die Abstimmung mit dem Verkehrsangebot des Nordhessischen VerkehrsVerbundes (NVV). Das Kreisgebiet umfasst eine Fläche von 1.538 Quadratkilometern bei ca. 183.000 Einwohnern. Der Schwalm-Eder-Kreis liegt in Nordhessen, ca. 40 Kilometer südlich der Stadt Kassel. Durch die relativ dünne Besiedlung bei einer flächenmäßig großen Ausdehnung gestaltet sich eine wirtschaftlich vertretbare und praktikable Organisation des ÖPNV erheblich anspruchsvoller als dies in dichtbesiedelten Ballungszentren der Fall ist. Die Nahverkehr Schwalm-Eder GmbH führt mit dem Nordhessischen Verkehrsverbund eine kontinuierliche Verbesserung des Fahrtangebotes und eine stetige Anpassung an die Fahrgastansprüche durch.
Was bedeutet eigentlich NSE? Es handelt sich ja um ein Kürzel. Was heißt das genau?
Stämmler: Das ist ein Kürzel. Der offizielle Firmenname lautet „Nahverkehr Schwalm-Eder, Kommunale Organisationsgesellschaft mit beschränkter Haftung“. Im allgemeinen Geschäft heißt es „Nahverkehr Schwalm-Eder GmbH“ oder eben NSE.
Wenn man von NSE redet, redet man oft auch vom öffentlichen Personen-Nahverkehr, vom sogenannten ÖPNV. Was hat der NSE mit dem ÖPNV zu tun?
Stämmler: Der ÖPNV mit dem Zusatz „N“ für Nahverkehr sagt eigentlich all das aus, was an Mobilitäs-Angeboten zur Verfügung gestellt wird; im Nahbereich. Wie der Name sagt, definiert das einen Radius von 50 Kilometern oder einer Stunde Fahrtzeit. Das ist das, was den Nahverkehr darstellt. Die NSE ist als Dienstleister tätig und sorgt dafür, dass die Mobilität auch hier im ländlichen Raum in Form des öffentlichen Nahverkehrs auch tatsächlich funktioniert und zur Verfügung gestellt werden kann.
Die oder der NSE?
Stämmler: Wir benutzen „die NSE“, weil es eine GmbH, eine Gesellschaft, ist.
Die NSE unterhält aber keine eigene Fahrzeugflotte? Wie funktioniert es, dass trotzdem so viele Busse oder Anrufsammeltaxis im Auftrag der NSE fahren?
Stämmler: Das funktioniert, indem wir als Organisationsebene im Hessischen ÖPNV-Gesetz definiert sind. Das heißt, wir machen die Vorgaben, in welchen Qualitäten die Verkehrsangebote auf der Straße zu finden sein sollen. Qualitäten heißt dann an dieser Stelle: wie sind die Fahrzeuge ausgestattet, welche sonstigen Features sind möglicherweise zu verwenden, welche Fahrzeugarten sind unterwegs usw.. Da gehören auch Anrufsammeltaxis dazu (AST). Die haben allerdings nichts mit dem eigentlichen Taxi zu tun, sondern sie ersetzen den Bus in den Zeiten einer schwächeren Nachfrage durch unsere Fahrgäste Dazu gehört auch der klassische Linienbus oder alles was sonst noch denk-bar ist. Das organisieren wir und beschreiben den Leistungsumfang. Die Leistungen beschreiben wir auch in der Quantität, also wie oft und in welcher Zeitlage die Fahrgäste dann auf der Straße ein Mobilitätsangebot wieder finden. Solche Leistungen schreiben wir immer öffentlich in europaweiten Wettbewerbsverfahren aus.
Wie umfangreich ist diese Leistung, auf das Jahr bezogen für den Schwalm-Eder-Kreis?
Stämmler: Also wir produzieren Momentan eine Busleistung von rund 2,3 Millionen Kilometern jährlich und im Anrufsammeltaxi-Bereich liegen wir inzwischen bei gut 280.000 Kilometern im Jahr. Das alles wird von uns verantwortet und finanziert.
Und was macht das an jährlichem Auftragsvolumen aus?
Stämmler: Wir reden hier von einem Auftragsvolumen von etwa 8,5 Millionen Euro für den Busverkehr und nochmal eine halbe Millionen Euro für den Anrufsammeltaxi-Verkehr.
Die meisten Fahrten im Bereich des NSE finden ja mit großen Bussen statt. Jetzt gibt es aber auch die Anrufsammeltaxis. Das ist ja noch eine relativ junge Sparte, die aber, so mein Eindruck, ordentlich Fahrt aufnimmt. Was macht das Anrufsammeltaxi so attraktiv?
Stämmler: Das Anrufsammeltaxi ermöglicht uns relativ kostengünstig im ländlichen Raum Verkehrsangebote vorzuhalten, die dann nach dem tatsächlichen Bedarf verkehren. Das bedeutet, dass der Fahrgast seinen Fahrtwunsch äußert, den er auch ganz normal wie beim Bus im Fahrplan findet, und kann dann zu der gewünschten Zeit seinen Fahrt-wunsch disponieren. Der Fahrgast bekommt dann eine passgenaue, kleinere Fahrzeuggröße, die die NSE unter Vertrag hat. In der Regel sind das Kleinbusse oder PKW. Hierdurch können wir auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein Mobilitätsangebot vorhalten, wenn weniger Menschen unterwegs sind. Wichtig ist aber, dass das AST für den Fahrgast zum Preis einer gewöhnlichen Busfahrkarte fährt und dass auch die Zeitkarten für den ÖPNV im AST-Verkehr anerkannt werden.
Wird das auch die Zukunft sein?
Stämmler: Das ist, besonders für ländliche Bereiche, sicherlich auch in der Zukunft eine An-gebotsform, die wir weiter vorhalten werden und die auch noch lange Bestand haben wird, nach unserer Einschätzung. Auf den Hauptachsen ist das sicherlich nur in den Schwachverkehrszeiten eine Option, die es dann aber zusätzlich ermöglicht, am späten Abend oder in den frühen Morgenstunden, öffentliche Angebote vorzuhalten.
Erwähnen möchte ich noch, dass wir als NSE gerade dabei sind den politischen Beschluss aus dem Kreistag umzusetzen und die Taktung des Verkehrsangebotes von bisher zwei auf dann eine Stunde herabzusetzen. Das wird ein echter Qualitätssprung in Sachen Mobilität für die Menschen im Schwalm-Eder-Kreis sein. Wir brauchen dafür noch etwas Zeit. Wenn es dann soweit ist und wir in die Umsetzungsphase gehen können, werden wir sicher öffentlich dazu informieren.
25 Jahre NSE, das ist ein guter Grund, um auch kurz Inne zu halten und sich zu freuen, beglückwünschen zu lassen. Davon sind 21 Jahre mit Ihrer Person als Geschäftsführer verbunden. Ist das ein spaßbesetzter Job? Was ist das Spannende an dieser Arbeit?
Stämmler: Also Spaß liegt sicherlich immer im Auge des Betrachters. An dieser Stelle ist es nicht nur immer Spaß gewesen, in den zurückliegenden 21 Jahren. Aber das Spannen-de daran ist, dass man tatsächlich gestalten kann. Und man kann kreativ versuchen, die Mobilität der Bevölkerung im ländlichen Raum, die ja auch einem demografischen Wandel unterliegt, nicht nur aufrechtzuerhalten sondern möglichst zu verbessern. Die Lebenssituation in Bezug auf die Mobilität ist grundsätzlich so zu gestalten, dass man im Schwalm-Eder-Kreis auch ohne eigenes Fahrzeug am öffentlichen Leben teilhaben kann, gerade wenn vielleicht die eine oder andere Versorgungsstelle in den kleineren Orten nicht mehr vorhanden sein sollte.
Ich würde gerne nochmal einen Sprung in die Zukunft machen. Wenn wir das Interview zum Fünfzigsten führen würden, was würden der oder die Geschäftsführerin zum Fünfzigsten neues berichten können?
Stämmler: Also sie oder er wird sicherlich über Antriebstechniken bei den eingesetzten Fahrzeugen berichten. Wir beschäftigen uns heute schon mit den Fragen nach alternativen Antriebstechniken. Elektroantrieb, Gasantrieb und Wasserstoff-Technik sind Perspektivthemen, die schon heute eine Relevanz haben. All diese Dinge spielen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Rolle in 25 Jahren oder sind längst zum Alltagsgeschäft geworden. Es wird natürlich auch die Frage nach autonom fahrenden Fahrzeugen und Fahrtangeboten geben. Inwieweit die dann flächendeckend für den gesamten Landkreis eine Rolle spielen können, oder eben nur in Mittelzentren eingesetzt werden können, das wird die Zeit zeigen und auch die Technik, die bis dahin noch weiter entwickelt werden muss.
Wird es einen weiteren Schritt in die Individualisierung des Nahverkehrs geben?
Stämmler: Es wird immer wichtiger sein, die kleinteiligen Fahrtwünsche, die einzelne Menschen haben, dann auch abbilden zu können. Und das kann man bei weitverstreut wohnenden Fahrgästen natürlich auch nur in relativ kleinen Fahrzeuggrößen realisieren und individuell steuern. Wobei gerade die Kunst dann in Technik gestützten Hintergrundsystemen liegen wird. Die Fahrtwünsche müssen soweit wieder zusammengeführt werden, dass man möglichst nicht nur den einzelnen Fahrgast in einem Fahrzeug befördert, sondern auch da einen Sammeleffekt erzielt.
Hat die NSE denn schon einen ersten Copter bestellt, um dann mit Drohnen Personennahverkehr zu gewährleisten?
Stämmler: Da muss ich noch mal drauf hinweisen, dass wir selbst überhaupt keine Verkehrsleistung erbringen. Wir bestellen die Leistung bei den von uns beauftragten Verkehrsunternehmen. Das ist vom Gesetzgeber so gewollt. Man spricht hier von einer Besteller- und einer Ersteller-Ebene. Die NSE ist dabei der Besteller, also derjenige, der eine Verkehrsleistung auf dem Markt einkauft. Die Verkehrsunternehmen sind die Ersteller der von uns definierten Verkehrsangebote. Ob es dann in der Zukunft mal zum Fahrgast-transport mit einem Copter kommen wird, das wird im nächsten Jubiläumsinterview in 25 Jahren zu klären sein.
Das Gespräch wurde von Stephan Bürger und Philipp Klitsch geführt. (pm)
Das Bild: Milena Mikosch von der IHK, Mike Stämmler – Geschäftsführer der NSE Schwalm-Eder GmbH und Landrat Winfried Becker