WILLINGSHAUSEN | ALSFELD. Die VR Bank HessenLand lud ihre Mitglieder zum Vortrag „Armut beenden, in Chancen investieren – die Welt weiterentwickeln“ des Weltbank-Vizepräsidenten Dr. Hartwig Schäfer in die Antreffhalle Willingshausen ein. Helmut Euler, Vorstandsvorsitzender der VR Bank HessenLand, freute sich, den weitgereisten, gebürtigen Willingshäuser sowie rund 500 Gäste an diesem Abend willkommen heißen zu dürfen.
Auf Schwälmer Mundart begrüßte Dr. Hartwig Schäfer mit einem herzlichen „Gen Ouwend“ seine Zuhörer. Der inzwischen in Washington lebende Weltbank-Vizepräsident war sichtlich erfreut, vor heimischem Publikum zu stehen und betonte, dass dieser Abend für ihn in mehrfacher Hinsicht eine Premiere ist: „Es ist das erste Mal, dass ich einen Vortrag in deutscher Sprache halte, das erste Mal, dass ich zu Fuß zur Arbeit gehen kann und das erste Mal, dass meine Mama im Publikum sitzt.“
Seine Karriere begann für Dr. Schäfer mit einem Praktikum bei der Weltbank. Inzwischen ist er dort seit mehr als 30 Jahren aktiv und seit 2018 als Vizepräsident der Organisation für den Bereich Südasien zuständig.
Dr. Hartwig Schäfer zeigte eingangs die Strukturen der Weltbank auf und machte deutlich, dass es sich hierbei um keine Bank im klassischen Sinne handelt. Ihr Ursprung liegt in der im Jahr 1944 gegründeten Internationalen Bank für Wiederaufbau zur Unterstützung des Wiederaufbaus der vom zweiten Weltkrieg zerstörten Länder durch die Vereinten Nationen auf der Währungs- und Finanzkonferenz (Bretton Woods). Heute ist die Weltbank die wichtigste Institution der weltweiten Entwicklungspolitik mit den Zielen, extreme Armut zu beenden und die Teilnahme der Ärmsten am Wohlstand zu fördern. Die Steigerung des Kreditvergabevolumens von vier Krediten über insgesamt 497 Millionen US-Dollar in 1947 auf 64 Milliarden US-Dollar und 735 Projekte in 2018 demonstrieren die Entwicklung und die Bedeutung der Weltbank. Das internationale Kooperativ zählt 189 Mitgliedstaaten, beschäftigt 22.000 Menschen und ist an 130 Standorten präsent. Deutschland ist seit 1952 Mitglied der Weltbankgruppe und unterhält einen Stimmanteil von rund vier Prozent.
Etwa 736 Millionen Menschen – und somit jeder Zehnte – leben laut Schäfer in extremer Armut, was bedeutet, dass diesen Menschen für den täglichen Lebensunterhalt nicht mehr als 1,90 US-Dollar (entspricht etwa 1,70 Euro) zur Verfügung stehen. Die Ärmsten leben in Subsahara-Afrika – jeder zweite Mensch ist hier betroffen. Die Gründe für die extreme Armut seien vielschichtig und nicht ausschließlich monetär messbar: „Korruption, Unruhen, Naturkatastrophen, Dürre, geografische Faktoren, fehlender Zugang zur Infrastruktur, aber auch Ungleichheiten und vor allem fehlende Investitionen in Bildung verursachen Armut“, so Schäfer. „Hier setzt die Arbeit der Weltbank an: Die Schwerpunkte der Projekte liegen im Klimaschutz und in der Gleichberechtigung. Zudem stehen Nachhaltigkeit, Zugang zu Arbeit und Bildung und zunehmend die Digitalisierung im Focus“, legte der Vizepräsident die Aufgaben der Weltbank dar. Ziel der Weltbank-Projekte sei es, die Welt durch ökonomisches Wachstum von extremer Armut zu befreien – und zwar von 16 Prozent in 2010 auf drei Prozent im Jahr 2030. Die Projekte unterliegen einem angemessenen Entwicklungs- und einem umfänglichen Evaluierungsprozess. Zur Finanzierung werden langlaufende Darlehen an die Entwicklungsländer vergeben, die für sehr arme Länder nahezu zinsfrei sind. Die Refinanzierung der Weltbank erfolgt zum einen durch die Mitgliedsländer, zum anderen durch Anleihen am Kapitalmarkt.
Die Tätigkeit des Vizepräsidenten vereint die Berufe Banker, Diplomat und Entwicklungshelfer. Er verwaltet Finanzhilfen von über 50 Milliarden US-Dollar, verteilt auf mehr als 290 Projekte. Rund 2.500 Mitarbeiter sind für seinen Zuständigkeitsbereich im Einsatz. Zudem vertritt Schäfer die Weltbank auf Regierungsebene und setzt sich persönlich für die nachhaltige Realisierung der Projekte ein. Er verantwortet den Bereich Südasien und ist dort rund 140 Tage im Jahr unterwegs. In dieser Region lebt ein Viertel der Weltbevölkerung, davon ein Drittel in Armut. „Das jährliche Wirtschaftswachstum beträgt sieben Prozent, aber es fehlen Investitionen in Bildung und es mangelt an Zugang zu Versorgungsleistungen mit der Folge multidimensionaler Armut“, so Schäfer. „Wenn Kinder keinen Zugang zu Bildung haben, können Sie nie ihr volles Potenzial entwickeln, die Investition in die Ausbildung ist somit ein wichtiger Meilenstein,“ ist Dr. Hartwig Schäfer überzeugt.
In der abschließenden Fragerunde antwortet Schäfer auf die Frage, wo er den seine Energie für die Herausforderungen seiner Arbeit her nehme: „Es ist einfach wunderbar mitzuerleben, wie man mit einem vermeintlich kleinen Betrag einem Menschen den Start in die Selbständigkeit ermöglicht und dieser mit dem Einkommen anschließend die gesamte Familie ernähren kann. Mir begegnet sehr viel Dankbarkeit und ich habe immer viel Spaß bei meinen Länderbesuchen gemeinsam mit meinen Teams. Das ist der Lohn und das gibt mir positive Energie.“
Dr. Hartwig Schäfer referierte an diesem Abend ohne Honorar, er bat lediglich um eine Spende an die regionalen Vereine. Der DRK-Ortsverband Willingshausen, der örtliche Gesangverein sowie die Landfrauen Willingshausen erhielten Spenden von insgesamt 4.500 Euro. Thomas Fischer, Prokurist der VR Bank HessenLand und Initiator der Veranstaltung, überreichte dem Vizepräsidenten und Eintracht-Frankfurt-Fan als Anerkennung entsprechende sportliche Accessoires und traditionelle Schwälmer Aufmerksamkeiten. (pm)
Das Bild: Werner Braun (Vorstandsmitglied), Ralph Kehl (Vorstandsmitglied), Dr. Hartwig Schäfer (Vizepräsident der Weltbank), Helmut Euler (Vorstandsvorsitzender)