KASSEL. Die MT Melsungen hat es versäumt, sich im Kampf um Platz fünf der Hallenhandball-Bundesliga von den Füchsen Berlin weiter abzusetzen. Gegen den TVB 1898 Stuttgart setzte es mit 24:26 (14:12) eine ganz bittere Niederlage, die nicht einmal als unverdient bezeichnet werden kann.
Eine viertelstündige komplette Auszeit zum Ende der erste und zu Beginn der zweiten Hälfte und ein daraus resultierender 0:7-Lauf begründeten den schmerzlichen Punktverlust. Den auch wiederum neun Treffer von Lasse Mikkelsen und eine famose erste Halbzeit von Nebojsa Simic nicht zu vermeiden vermochten. Stuttgart durfte sich bei Johannes Bitter bedanken, erfolgreichster Torschütze war mit sechs Toren David Schmidt.
Mit einer überraschend offensiven Deckung versuchten die Gäste der MT sofort das Leben vor allem im Rückraum schwer zu machen. Tobias Schimmelbauer und Dominik Weiß gingen sofort den Schritt nach vorn, wenn der Ball in die Reichweite von Lasse Mikkelsen oder Michael Müller kam. Ohne nennenswerten Erfolg jedoch, denn genau diese beiden waren verantwortlich für die ersten Tore zur 3:2-Führung (5.). Was nicht viel zu bedeuten hatte, denn offensiv führten die Kreuzbewegungen des TVB zu Erfolgen: nach zweimal David Schmidt traf Lukas von Deschwanden zum Ausgleich.
Die Trefferquote blieb nicht lange oben. Philipp Müllers Aufsetzer ging über den Kasten, Dimitri Ignatows Versuch fischte Johannes Bitter ebenso weg wie den nächsten Anlauf von Philipp Müller und Yves Kunkel setzte das Leder nach zwei erfolgreichen Abschlüssen an den Pfosten. Stuttgart blieb so nicht nur dran, sondern hatte auch die Möglichkeiten zu einer eigenen Führung. Die ihnen jedoch Nebojsa Simic mit Glanzparaden in Serie verhinderte. Vor Tobias Schimmelbauers 6:6 (14.) verbuchte er bereits sieben gehaltene Bälle und hatte schon früh die lautstarken Sprechchöre der Fans auf seiner Seite.
Eine überragende Reaktion von Simic gegen den freien Dominik Weiß war auch die Vorlage zu Lasse Mikkelsens 8:6 und damit der ersten Zwei-Tore-Führung der Hausherren (16.). Auch wenn die nach Bobby Schagens Siebenmeter zum 8:8 nur 70 Sekunden später schon wieder Geschichte war. Es war eine muntere Partie zweier offensiver Mannschaften, die ohne viele Schnörkel den Abschluss suchten und dabei weitgehend auf Augenhöhe agierten. Den Unterschied machte, wenn überhaupt, Nebojsa Simic. Als Timm Schneider draußen saß, war er der Fels in der Brandung, der während der Unterzahl seinen Kasten spektakulär sauber hielt. Vorn trafen Lasse Mikkelsen und Roman Sidorowicz – die MT war wieder mit zweien vorn (22.).
Die zweite Trumpfkarte der Nordhessen war – wen wunderte es – natürlich Lasse Mikkelsen. Vier eigene Tore waren seinem Traumanspiel auf Felix Danner zu dessen 12:9 (23.) bereits vorausgegangen. Dafür bekam der Spielmacher defensiv seine Verschnaufpausen, wo ihn Philipp Müller vertrat. Offensiv durfte sich Felix Danner ausruhen, dafür rückte Timm Schneider an den Kreis. Auch diese personellen Möglichkeiten machten einen Unterschied, der sich zur Halbzeitpause hin allerdings nicht im Ergebnis manifestierte. Zwei Siebenmeter von Bobby Schagen machten es wieder spannend.
Prekär wurde es unmittelbar nach Wiederbeginn für die Melsunger, als Dominik Weiß zweimal traf, als die Arme der Referees schon oben waren und passives Spiel anzeigten. Sofort in Führung hätten sie gehen können, wenn Simon Baumgarten den an ihn adressierten Pass unter Kontrolle hätte bringen können. Weil Lasse Mikkelsen es verpasste, sein Team von der Siebenmeterlinie vorn zu halten lochte David Schmidt mit etwas Verspätung doch zur ersten Gästeführung des Abends ein (36.). Die Sascha Pfattheicher auf 16:14 ausbaute und Heiko Grimm mit diesem halbzeitübergreifenden 6:0-Lauf zur Auszeit zwang (37.).
Es waren aber nicht nur technische Fehler, die diesen Negativlauf begründeten. Da spielte es natürlich eine Rolle, dass das zuvor so hervorragend funktionierende Zusammenspiel von Simic mit seiner Abwehr plötzlich gar nicht mehr klappte. Es lag auch am Pech, dass zum Beispiel Dimitri Ignatows Kracher von Außen von Innenpfosten ins Feld zurücksprang. Völlig verwachst hatte Michael Allendorf bei seinem Siebenmeter, der weit rechts oberhalb des Tores im Fangnetz einschlug. Zuvor war schon Mikkelsen von der Linie an Jogi Bitter gescheitert. Stuttgart war im Flow und erhöhte durch Weiß gar auf 17:14 (38.).
Dennoch war es wieder Melsungens dänischer Spielmacher, der die Wende einleitete. Nach viereinhalb torlosen Minuten zum Ende der ersten und tatsächlich zehneinhalb torlosen Minuten zu Beginn der zweiten Halbzeit traf er erstmals wieder zum 15:17. Sofort war die Halle wieder da und mit ihr die Zielstrebigkeit der rot-weißen Angreifer. Johan Sjöstrand hatte Nebojsa Simic zwischen den Pfosten abgelöst und hatte sofort zwei Erfolgserlebnisse. Roman Sidorowicz und weitere zwei Mal Mikkelsen stellten den Anschluss zum 18:19 trotz einer Strafzeit gegen Philipp Müller wieder her (44.).
Nach den zweiten Block hintereinander und Michael Allendorfs artistischer Ballsicherung gab es spontane stehende Ovationen, doch der Ausgleich wollte nicht fallen. Im Gegenteil legte David Schmidt wieder zwei Tore dazwischen, Mikkelsen blieb nur das neuerliche Verkürzen auf 19:20 (50.). Die Stuttgarter hatten ihre Chance auf eine große Überraschung längst gewittert und ließen nicht nach. Außerdem schwang sich Johannes Bitter zu großer Form auf und zeigte eine Glanzparade nach der anderen.
Trotz Zeitstrafe gegen Manuel Späth sah es sieben Minuten vor dem Ende hervorragend aus für die Gäste. Zumal Dominik Weiß gar auf 22:19 erhöhte. Dann aber traf Finn Lemke, parierte Johan Sjöstrand gegen Max Häfner und Heiko Grimm nahm vier Minuten vor Schluss seine letzte Auszeit. Sidorowicz traf, Sjöstrand parierte, Michael Müller war auf dem Weg zum Ausgleich – und leistete sich ein Stürmerfoul. Was im einen Moment noch aussah wie ein mögliches Happyend für die MT, war praktisch Sekunden später nach Häfners promptem 21:23 gefühlt bereits die Niederlage. Die nach Häfners nächstem Streich zur bitteren Realität wurde.
Stimmen zum Spiel
Heiko Grimm: Glückwunsch an Jürgen und den TVB zum verdienten Sieg. Ich möchte meiner Mannschaft trotz der Niederlage keinen Vorwurf machen. Das war heute einfach nicht unser Tag, nicht unser spiel. Und solche Tage gibt es nun mal. Aber ich will mit dieser Aussage die Leistung der Stuttgarter keinesfalls schmälern. Wir haben das verloren, weil wir einfach zu viele freie Bälle vergeben haben. Und so ist es uns dann auch nicht gelungen, das Publikum hinter uns zu bekommen. Es tut mir Leid für die Jungs, dass sie jetzt mit hängenden Köpfen in die dreiwöchige Pause gehen. Aber wir werden die Zeit nutzen und danach stark zurückkommen.
Jürgen Schweikardt: Ich bin überglücklich. Das ist für uns ein herausragender Sieg. Damit war nach dem Lauf der Melsunger in den letzten Wochen nicht zu rechnen. Wir waren mit dem gleichen Spirit hier hergefahren wie nach Berlin, wo wir ja auch gewonnen haben. Und wir haben uns schon auch hier etwas ausgerechnet. Zu so einer Leistung gehört eine gute Abwehr und ein guter Torhüter dahinter. Beides hatten wir heute. Dazu wollten wir zum Ende hin unseren etwas breiteren Kader zum Tragen bringen, was meiner Meinung nach auch geklappt hat. Was wir die letzten Wochen gemacht haben, ist herausragend. Jetzt freuen wir uns erst auf die Rückfahrt und danach auf drei Wochen Pause.
Axel Geerken: Die Zuschauerzahl war heute wieder herausragend. Diesen Zuspruch hat sich die Mannschaft verdient. Für uns war das heute ein insgesamt schwacher Tag. Aber wir haben intern damit gerechnet, dass das auch mal passieren wird. Dass es nun in einem Heimspiel so kommt, ist natürlich schade. Und wir können aber nicht erwarten, dass Lasse Mikkelsen trotz seiner gesundheitlichen Schwierigkeiten das Spiel wieder herausreißt. Stuttgart hatte heute eine gute Abwehr und einen guten Jogi Bitter, das war für sie der Schlüssel zum Sieg.
Die beiden nächsten Spiele:
Sa., 20.04.19, 20:30 Uhr, Bergischer HC – MT Melsungen, Uni-Halle Wuppertal
Sa., 27.04.19, 20:30 Uhr, MT Melsungen – TSV GWD Minden, Rothenbach-Halle